Der 2. Absatz.

Von denen Wolcken.

[53] Die Wolcken sind von dem Wasser / oder von anderen feucht und sumpfigen Orten aufsteigende Dämpf /welche durch die Hitz und Krafft der Sonnen an sich gezogen / und biß in die zweyte Region des Luffts erhoben werden / allwo sie durch die Kälte condensirt /das ist / zusammen gehen / dick und also zu Wolcken werden.36 Wann nun dise Dämpf etwas reiners / subtil und leichter seynd / so geben sie auch leichtere /hell und weißlichte Wolcken ab: wann sie aber dicke /etwas schwer und unrein seynd / da werden auch die Wolcken dicker / schwer und finster.

Die erstere Gattung der Wolcken wird durch die Krafft der Sonnen in Lufft verwandlet / die anderte aber zu Wasser und Regen gemacht. Was die Figur oder Gestalt / wie auch die Farb und Grösse der Wolcken anbelangt / so ist dieselbe vielfältig und unterschiedlich nachdem die gemeldte aufsteigende Dämpf beschaffen seynd. Die Höhe betreffend / so seynd sie höher oder niederer / nachdem sie dinner und leichter / oder aber dicker und schwerer seynd: inmassen es denen cörperlichen Dingen natürlich ist / daß allzeit das leichteste das oberste ist / deßwegen schwimmet das Holtz ober dem Wasser / ein Stein aber sincket zu Boden / weil das Holtz leichter / der Stein aber schwerer ist / als das Wasser in gleicher Quantität oder Grösse. Daß wir aber durch den Lufft die Sonnen sehen / die wir doch durch die Wolcken nicht sehen / kommt nicht daher / daß die Wolcken schwerer seyn / sondern weil sie finsterer seynd als der Lufft.

Ubrigens seynd die Wolcken kein geringes sondern ein in der H. Schrifft[53] hochberühmtes Geschöpff / als deren sich GOtt selber für seinen Triumph-Wagen /Sitz und Thron zu bedienen beliebet / indem er öffters dem Propheten Moysi erschienen ist / indem er in einer Wolcken gen Himmel aufgefahren / und auch wiederum in denen Wolcken ankommen wird / zu richten die Lebendige und die Todte etc. ja der Königliche Prophet David sagt austrucklich von GOtt: Magnificentia ejus & virtus ejus in nubibus:37 Sein Herrlichkeit und Gewalt ist in den Wolcken.38

Im sittlichen Verstand können erstlich durch die Wolcken die Apostolische Männer und Lehrer / die geistliche Obere und Seelen-Hirten verstanden werden. Diese seynd es / über welche sich der Prophet verwunderet und fraget: Qui sunt isti, qui ut nubes volant? Wer seynd diese / die wie die Wolcken fliegen? Diese pflegt Christus / als die wahre Sonn der Göttlichen Gerechtigkeit / durch ihr allmögende Krafft heraus zu ziehen / aus dem Meer der Welt / aus dem Gwässer und Pfützen des sinnlichen und wollüstigen Lebens: Er erhöchet sie durch Verachtung des irrdischen / und erhebt sie in den Lufft der Contemplation oder des beschaulichen Lebens. Allda werden sie purificirt oder gereiniget von dicken und schweren Dämpf- und Feuchtigkeiten der unordentlichen Begierd und Anmuthungen / und also werden sie zu reinen leicht- und liechten Wolcken gemacht. Qui ut nubes volant, welche wie die Wolcken (so von dem Wind getrieben werden) fliegen / wo sie der Geist GOttes und ihr Eyfer hintreibet / ihre häuffige und heilsame Wässer oder Regen der geistlichen Lehr /der nothwendigen Unterweisungen / und des guten Exempels / über die Erden / das ist / über die Menschen auszugiessen / sie zu befeuchten und tauglich zu machen / die erwünschte Früchten der Buß und Tugend-Wercken herfür zu bringen. Assument pennas, ut aquilæ, volabunt & non deficient.39 Sie werden Flügel an sich nemmen / wie des Adlers Flügel / sie werden lauffen und nicht erliegen / sie werden gehen und nicht müd werden. Ferners /gleichwie die natürliche Wolcken zwischen Himmel und Erden in dem Lufft schweben / die Sonnen-Hitz mäßigen / dem Menschen und Vieh einen angenemmen Schatten machen / den Durst minderen / und alles erquicken. Also die sittliche Wolcken / das ist /die eyferige geistliche Lehrer und tugendsame Vorsteher befinden sich in der Catholischen Kirchen als Mittler zwischen GOtt und dem Menschen / welchen sie durch ihre Fürbitt und Verdienst von GOtt die Verzeyhung der Sünden / die nothwendige Gaben und Gnaden erhalten / die Hitz des Göttlichen Zorns und der strengen Gerechtigkeit mindern / und ihren anvertrauten durch ihre Protection einen angenemmen Schatten / einen sicheren Schutz verschaffen / auch den Durst der hitzig und bösen Begierden in selben auslöschen / und sie mit geistlichem Trost erquicken. Expandit nubem in protectionem eorum.40 Er /GOtt / breitet eine Wolcken aus zu ihrem Schutz /nemlich der Israeliteren / als er sie durch den Moysen aus der Egyptischen Dienstbarkeit in das gelobte Land führte: auch zum Schutz der Christglaubigen breitet GOTT die mehrgemelte sittliche Wolcken aus / und führet sie vermittelst derselben aus der Dienstbarkeit der Sünden in die Freyheit der Kinder GOttes.

Aber gleichwie die Wolcken / wann sie sich auflösen und ergiessen / oder auf die Erden herab regnen /allgemach abnemmen / sich aufklären / und endlich gar verschwinden / wann sie nicht wieder aufs neue angefüllt und ergäntzet werden / also auch die geistliche Wolcken die Apostolische Männer / geistliche Obere und Seelen-Hirten / wann sie sich immerdar und gar zu starck ausgiessen durch die Sorg über ihre anvertraute / da verliehren sie sich selbst unvermerckt / sie werden lär im Geist / und stehen in Gefahr zu Grund zu gehen / wann sie nicht sorgfältig und beflissen seynd sich selbst wiederum durch innerliche Versammlung im Geist zu erneueren und zu erholen.[54]

Ferners können die Wolcken auch auf den Ehrgeitz und die Ehrgeitzige ausgelegt werden: Dann gleichwie die Wolcken ein schlechtes Herkommen / nemlich aus der Tieffe von dem Wasser / aus stinckenden Pfitzen und Kothlachen / auch eine schlechte Subsistenz und kurtzes Dauren haben / gleichwie sie bald wiederum leer werden und verschwinden / also auch die eitle Ehr und die Ehrgeitzige haben gemeiniglich ein schlechtes Her- oder Aufkommen / sie gründen sich auf nichtige Ding / als etwan auf einen ererbten Adel /ein eitle Kunst oder Wissenschafft / ein schnödes Gut und Geld / Gunst oder Gewogenheit der Fürsten und Herren etc. und deßwegen hat es mit ihnen gar keinen Bestand / gar bald und gehlingen ist es geschehen /daß ihr Stützen / auf die sie sich gesteifft haben / zu Boden fällt / daß sie des Gut und Gelds / der Gunst und Gnad ihres Fürsten und Herrens / der hohen Ehren-Stell / des einträglichen Amt und Ansehens auf einmahl beraubet werden / und alsdann ergehet es ihnen als wie denen Wolcken / welche zwar von der Sonnen hoch in den Lufft seynd erhebt worden / auf die Erden herab fallen / mit dem Koth vermischt und mit Füssen getretten werden: also werden auch die Ehr-Geitzige und hochmüthige offt urplötzlich von der Höhe / von dem Gipffel der Ehren und Glückseeligkeit in die Tieffe der Verachtung und des Unglücks gestürtzt / nachdem sie eine Zeitlang als wie die schwartze Wolcken in der Höhe ihres Stands und Gewalts / mit Donnern und Blitzen / ich will sagen / mit Straffen und Plagen denen Unterthanen gedrohet haben: wie es schon viel tausend mit ihrer eignen so grossen Schand als Schaden erfahren haben.41

Die Wolcken werden leichter Dings von denen Winden hin und her getrieben / sie haben keinen Bestand / weilen sie keinen vesten Grund haben / auf den sie sich steiffen konnten: Eben also die Ehr-Geitzige werden jämmerlich umgetrieben bald über sich bald unter sich / bald auf diese bald auf jene Seiten /nachdem nehmlich der Wind des Glücks und Unglücks / der Hoffnung oder der Verzweifflung / der Freud oder des Leyds sie anwehet. Von diesen kan wohl gesagt werden: Hi sunt nubes sine aqua, quæ à vento circumferuntur.42 Diese seynd Wolcken ohne Wasser / welche von dem Wind umgetrieben werden.

Die Wolcken haben von fern ein grosses Ansehen /und breiten sich in die weite aus / also daß sie uns offtermahl des lieben Sonnen-Scheins berauben: und dannoch ist nicht viel dahinder / wann man sie in der Nähe betrachten sollte / da wird man finden / daß sie ein eitles leeres Weesen seynd. Ein gleiche Beschaffenheit hat es mit der eitlen Ehr und denen Ehr-Geitzigen: disen kommt jene so groß und ansehnlich vor /daß sie vermeynen / es sey weiß nicht was für ein grosses Glück / wann sie selbe erhaschen: Sie werden von ihr verhinderet / daß die Sonn der gesunden Vernunfft ja auch die Sonn der Göttlichen Gnaden sie nit beleuchten und anscheinen kan.

Wann mehr unterschiedliche Wolcken zusammen stossen / gibt es ein Ungewitter ab / Sturm-Wind auf dem Meer / und Donner-Wetter auf der Erden. Eben also / wann zwey oder mehr Ehr-Geitzige um ein Præcedenz, um eine Promotion oder Ehren-Stell streiten / und keiner dem anderen weichen oder nachgehen will / da verursachen sie offt grosses Ungewitter und Unruhe / das ist / Streit oder Uneinigkeit zwischen ihren Favoriten und Anhängern / die sich darum annehmen und darein legen.

Endlichen gleichwie die Wolcken schädlich und ungesund seynd / den Lufft verderben und anstecken /wann sie von solchen Dämpffen herkommen / welche aus schädlich und ungesunden Wässeren / aus Faul-und stinckenden Pfitzen aufgestigen seynd / also ist auch der Ehr-Geitz oder die eitle Ehr sonderbar alsdann schädlich / wann sie entspringt und herkommt aus unreinen und ungesunden Wässern / ich will sagen / wann sie herrühret aus unzuläßigen Mittlen /wann die Ehr-Geitzige[55] ihren Zweck erreichen / zu einer Promotion, zu hohen Würden und Ehren gelangen / durch Betrug und Falschheit / durch ungerechtes Gut / durch Gleißnerey und Verläumdung der andern.

Wann man gleichwohl die zeitliche Ehren mit Ehren suchte / das ist / durch ehrliche und gültige Mittel / als wie ein Student das Doctor-Hütlein durch seinen Fleiß und Geschicklichkeit: oder durch hertzhaffte Thaten / als wie ein Soldat / der mit dem Schwerdt in der Schlacht ein Officier-Stell: oder durch treu geleiste Dienst als wie der Jacob die schöne Rahel erhalten hat / oder durch Tugend und Frommkeit / als wie ein Seelen-Eyferer das geistliche Hirten-Amt / Gutes zu würcken suchet / so gieng es wohl hin / und wäre nicht zu tadlen: dann Virtus laudata & præmiata crescit.43 Wann die Tugend gelobt / und belohnt wird / so nimmt sie zu. Aber wann man nach Würden und Ehren strebet auf ein Ehr vergessene Weiß / durch gottlose / heyllose / Gewissenlose Weiß und Mittel / durch krumme Sprüng und falsche Ränck / wann man seinen Nächsten verschwärtzet / nur daß man selber weiß werde / wann man dem anderen den Halß bricht / damit man selbsten den Kopff möge empor heben / oder dem anderen die Flügel stutzt / nur daß man selbst höher fliegen könne / das ist nicht zu gedulden und zu verantworten.

Dem menschlichen Aug nach scheinen die Wolcken sehr hoch und gantz nah bey dem Himmel zu seyn: aber nein / sie betrügen das Gesicht / sie schweben nur in dem Lufft / und seynd von dem Himmel gar weit entfernet: ja sie seynd unvergleichlich näher bey der Erden / als bey dem Firmament. Eine gleiche Beschaffenheit hat es mit denen Ehr-Geitzigen / wann sie reich / adelich oder gelehrt und ansehnlich seynd /wann sie in dem Lufft / das ist / in hohen Ehren schweben / da hat es das Ansehen / als wann sie in der Wahrheit zu höchst daran / biß unter die Sternen erhebt seyen / und mit dem Kopff gleichsam an dem Himmel anstosseten / da sie doch in der Sach selbsten unendlich weit von GOTT und dem Himmel entfernet seynd / nur von jeerem Lufft der eitlen Ehr / und des menschlichen Ansehens aufgeblasen / und nur gar zu nah bey der Erden / ja sie seynd mit dem Gemüth und Hertzen / mit den Sinn und Gedancken gäntzlich in dem Boden / das ist / in das irrdische vertiefft und versenckt.

Dergleichen eitel und schädliche Wolcken siehet man fast überall / fast überall thun sie ob unseren Köpffen herum schweben / und den Lufft verfinsteren. Ich will sagen / schier allenthalben thut sich der Ehrgeitz und die Ehrgeitzige eintringen / nicht nur bey denen Reichen / Adelichen und Gelehrten / sonder auch bey denen Gemeinen / Armen und Ungelehrten. Kein Baur oder Handwercks-Mann hat von seiner rauhen Arbeit eine so hart und dicke Haut / daß es ihne nicht kitzele / wann man ihne lobet / oder ihme ein Ehr anthut. Man hat eben kein Kräutlein lieber in dem gantzen grossen Welt-Garten / als den Ehrenpreiß: man höret kein Gesang lieber in der Welt-Music / als das Gloria in Excelsis, ja man haltet auch kein Fest oder Officium lieber / als welches primæ Classis ist. Die eitle Ehr pflegt überall einzunisten /nicht nur wie die Storcken auf hohen Häusern und Thürnen / das ist / bey Fürsten und Herren / sondern auch als wie die Spatzen unter ein jedes Stroh-Dach und Bauren-Hütten / ja wie die Fleder-Mäuß in einen jeden finstern Winckel. Eben also ist auch selten ein Communität oder Gemeind anzutreffen / wo nicht der Ehrgeitz einschleichet. Auch in dem Apostolischen Collegio bey denen Jüngern Christi hat er sich eingedrungen: Facta est contentio inter eos, quis eorum videretur esse major.44 Es erhube sich ein Zanck unter ihnen / welcher unter ihnen für den Obersten angesehen wurde. Auch in dem irrdischen Paradeyß / da es geheissen hat: Eritis sicut Dii.45 Ihr werdet seyn als wie die Götter. Ja auch so gar in dem Empyrischen Himmel / da der Lucifer in seinem Hertzen gesprochen hat: Exaltabo[56] super astra DEI solium meum, similis ero Altissimo.46 Ich will mei nen Stuhl erhöhen über die Sternen GOttes / und dem Allerhöchsten gleich seyn. Aber gar wohl und recht sagt von allen diesen eitlen und hochfliegenden Wolcken der H. Chrysostomus: Principatus & honor ad insaniam & mentis impotentiam ducunt.47 Der Ehrgeitz und Regier-Sucht verkehren den Verstand / und machen den Menschen zum Narren. Die Sonn der Göttlichen Gerechtigkeit aber thut alle diese Wolcken zerstreuen / verjagen und zernichten.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 53-57.
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