Der 1. Absatz.

Von dem Magnet- und Agt-Stein.

[132] Mittlere Stein seynd diejenige / welche nicht so kostbar und rahr als wie die Edelgestein / und doch auch nicht gar gemein seynd. Ein solcher ist erstlich der Magnet-Stein / welcher an unterschiedlichen Orthen /aber auch von unterschiedlicher Krafft und Würckung zu finden ist.1 Die seltsame Krafft und Würckung deß Magnets hat schon vor uhralten Zeiten die Menschen in Verwunderung gesetzt / und wollen unterschiedliche Nationes oder Völcker die Ehr haben / daß sie zuerst die Natur und Eigenschafft dises wunderlichen Steins erkennt und erfunden haben. Es haben auch viel alte und neuere Authores weitläuffig darvon geschrieben / absonderlich der berühmte P. Kircherus, Nicolaus Cabeus etc. seine Benahmsung soll er haben von der Landschafft Magnesia, in welcher er absonderlich gefunden wird. Ein guter Magnet-Stein siehet grau oder schwartzlecht aus / auch etwas roth: und damit er etwas zu zehren hab / soll man ihn in Eisen-Feil legen. In der Medicin kan er gebraucht werden / wann man aus Wax und gebrenntem Magnet ein Pflaster machet / soll es für das Zipperlein dienen.

Sonsten bestehet sein meiste Krafft in dem / daß er das Eisen / auch wann es glüend ist / an sich ziehet oder aufhebet / und an ihm im Lufft hangen macht: ja auch dem Eisen thut er seine Krafft mittheilen / also daß wann ein Eisen mit dem Magnet-Stein wohl gestrichen wird / da thut es auch ein anderes Eisen an sich ziehen. Hingegen wann der Magnet klein ist /und gantz loß oder frey ligt / das Eisen aber schwer oder angehefft ist / da bewegt oder lencket sich der Magnet nach der Umfahung deß Eisens. Die sogenante Magnet-Nadel aber ist der Zeiger im Compaß / der die 4. Himmels-Gegenden anzeiget / dessen sich die Schiffende auf dem Meer bedienen / damit sie wissen / wo sie ihren Schiff-Lauff hinrichten sollen.

Ein / in sittlichem Verstand / das Eisen / ich will sagen / die Eisen-harte Hertzen der Menschen / an sich ziehender Magnet ist Christus gewesen / als welcher sichtbarlich in dem Fleisch wandlend / durch sein Göttliche Lehr und Exempel auch die gröste Sünder an / und nach sich gezogen hat / nach der Weissagung des Propheten: In funiculis Adam, in vinculis charitatis,2 in Adams Stricklein / in den Banden der Liebe. Ja er hat von ihm selbst gesprochen: Ego, si exaltatus fuero à terra, omnia traham ad me ipsum.3 Wann ich wird erhöcht seyn / wird ich alle Ding an mich ziehen. Wie er dann würcklich noch an dem Creutz hangend den gerechten Schächer / Longinum, und vil aus den umstehenden Heyden an sich gezogen hat. Ja gleichwie der Magnet auch vermittelst eines Eisens / dem er seine Krafft mitgetheilt hat / widerum viel anders Eisen an sich ziehet / also hat der Göttliche Magnet / Christus / durch seine Apostel und Prediger / welchen er sein Krafft und Stärcke mitgetheilt hat /[132] unzahlbare Seelen an sich gezogen. Auch das glüende Eisen ziehet der Magnet an sich / also groß ist sein Krafft und Neigung zu disem Metall: auch die mit dem Feur des Zorns / und der Rachgierigkeit / der Geilheit etc. gantz entzündte /und brinnende Hertzen ziehet GOtt durch sein Gnad an / und nach sich / also groß ist sein Macht und Lieb zu den Menschen.

Aber auch die Welt ist ein starcker anziehender Magnet / als welche durch ihr falsches Liebkosen und betrügliche Verheissungen durch den falschen Schein der Ehren / Wollust und Reichthumen / so viel tausend menschliche Hertzen nur gar zu starck an sich ziehet / und absonderlich ihr anhangen macht / biß daß sie selbige samt ihr in das Verderben ziehet.4 Aber das feurige Eisen / ich will sagen / die von der Liebe GOttes entzündte Hertzen vermag diser Magnet / die Welt nicht an sich zu ziehen / sie thun ihr nicht anhangen oder nachfolgen.

Der Agtstein / oder Agat / wie ihne andere von dem Fluß Gagas nennen / ist zwar eigentlich kein Stein /sondern vielmehr ein Gattung eines unter-irrdischen Pechs oder Hartzes / Succinum auf lateinisch / welches mittelst der Zeit von der Sonnen oder auch von dem Lufft ausgetrücknet und verhartet worden: zuerst aber ein weicher und fliessiger Erdsafft wie ein Hönig oder Gummi ware.5 Er ist von unterschiedlichen Farben / schwartz / doch glantzend / oder gelb / auch rothlecht etc. nachdem er von unterschiedlichen Landschafften kommt / gleichwie er auch unterschiedlichen Geruch hat / und wann man ihn anzündt / gibt er einen schwartzen Rauch von sich / wie Pech. Jetziger Zeit wird er auch in Teutschland gefunden: und wird Artzney-weiß zubereitet / und für gar viel unterschiedliche Zuständ gebraucht: dann er hat die Tugend zu heilen / zusammen zu ziehen / zu trücknen / und zu zertheilen etc.

Man trexlet auch allerhand Kügelein / Ringlein /Büchslein etc. daraus. Durchlöcherte Körner oder Corallen von Agtstein oder Agat taugen dem Frauen-Volck nicht nur für ein Hals-Zier zu tragen / sondern sie seynd auch den Augen selber nutzlich und gesund.

Ubrigens hat der Agtstein / wann er erwärmt wird /die Krafft Stroh-Spreyer und dergleichen leichte Sacken an sich zu ziehen / fast eben als wie der Magnet das Eisen / und in disem Stuck kan er wohleinem Geitzhals verglichen werden; dann gleichwie diser Stein besagter massen das Stroh und die Spreyer an sich ziehet / also thut ein Geitziger die zeitliche Güter / die wegen ihrer Eitelkeit billich ein leeres Stroh oder Spreyer mögen genennt werden / an sich ziehen / und auf waserley Weiß / durch Wucher / Betrug / und falsche Renck an sich raffen / und gleichwie ein unersättlicher Meer-Würbel alles / was er erreichen kan /mit seinem unersättlichen Schlund verschlingen / und gleichsam in ihm selbst vergraben: dann der Geitz ist ein unordentliche Begierd zu haben / welche nimmer satt wird / sie gleichet einem Feur / das jemehr es schon verzehrt hat / jemehr will es zu verzehren haben / wie schon oben von dem Geitz mit mehrerem ist gemeldet worden.6 Dergleichen an sich ziehende Agtstein aber gibt es an allen Orthen / und in allen Ständen nur gar zu viel / von welchem insonderheit zu erzehlen viel zu weitläuffig wäre.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 132-133.
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