Der 5. Absatz.

Von dem Honig und Wachs.

[140] Das Honig ist ein gelber / süsser / fetter Safft / um den wir dem Fleiß und der Emsigkeit der Bienen und Imlein zu dancken haben / obwohlen es meines Erachtens die glaubwürdigere Meynung ist / daß die Imen den Honig nicht selbst eigentlich und weesentlich machen / oder in ihrem Mäglein außkochen / und dann wiederum heraus geben (wie einige wollen) sonder nur den Honig-Safft von unterschiedlichen Blumen und Kräuteren saugen / einsammlen / und in den Imen-Korb / oder Bienen-Stock eintragen / welcher zu Zeiten in einem oder zwey Tägen mit Honig angefüllt wird / welches so geschwind nicht geschehen konnte /wann ihn die Imlein selbst machen oder auskochen /und nicht nur sammlen oder eintragen thäten.22 Neben dem daß die Imen den Honig auch selbst für ihre eigne Speiß brauchen / was aber einmahl von dem Magen ausgestossen wird / das ist ein Excrementum oder Auswurff / welches folgends nicht mehr zur Nahrung tauglich ist / dann der Magen wirfft nichts aus / biß er zuvor durch die nährende Krafft das Beste / so ihm zur Nahrung tauget / daraus gezogen hat: das übrige aber thut er als unnütz ausstossen / wie gar wohl Magnif. P. Romoser de met. disp. quæst. 4. anmercket.

Demnach ist es wahrscheiniger des Cabei und anderer Meynung / daß dise emsige Thierlein den Honig-Safft zwar mit ihren Rüsselein von denen Blumen sammlen und saugen / aber nicht in ihren Leib einnemmen / sonder mit und auf ihren Füßlein / welche deßwegen gleichsam harig oder zottend seynd (damit der klebende Honig-Safft daran hangen bleibe) in den Imen-Korb eintragen: Man wird auch durch genaue Beobachtung wahrnehmen / daß sie im Einfliegen mit solcher süssen Bürde zwischen den Füssen beladen seynd. Daß sie aber 6. eckige Cellulen oder Kämmerlein für das Honig machen / kommt daher /weilen sie 6. Füßlein haben / mit welchen sie arbeiten und selbe machen etc.

Die Güte und Menge des Honigs betreffend / so ist selbes unterschiedlich / grösser oder kleiner nach Beschaffenheit der Orthen / wo es die Imen sammlen.

In Indien und Arabien wird das Honig auch an den Bäumen gefunden / und in Podolia einer Polnischen Provintz ist es ungemein häuffig.

Das Honig hat die Krafft zu erwärmen / zu trucknen und zu reinigen / deßwegen es auch vielfältig in der Artzney gebraucht wird / sowohl innerlich in allerhand Brust-Anligen und innerlichen Verwundungen / als äuserlichen Aufschlägen etc. Es soll auch sehr gut seyn für die Schlangen-Biß.

Aber so gut und gesund das Honig ist / wann man es recht applicirt und mäßig braucht / so schädlich und ungesund ist es / wann mans mißbrauchet und zuviel darvon isset / wie austrucklich in der H. Schrifft geschrieben stehet: Qui mel multum comedit, non est ei bonum.23 Wer zu viel Honig ißt / das ist ihm nicht gut. Und wiederum / findest du Honig / so isse dir genug / commede quod sufficiat, daß du nicht zu satt werdest / und speyest es aus. Deßwegen können im sittlichen Verstand durch das Honig die zeitliche Wollüst / Freuden und Ehren verstanden werden / dann diese seynd zwar süß und lieblich / der Sinnlichkeit sehr angenehm / aber wann man selbe mißbraucht / unmäßig liebt / und sich zu starck darein vertiefft / da seynd sie der Gesundheit der Seelen sehr schädlich:[140] das Honig vermehrt die Gall / ja es wird selbsten in Gall verwandlet / wann mans zu starck braucht: Eben also die zeitliche Freuden und Wollüst verursachen Bitterkeiten der Seelen / und werden in Traurigkeit verwandlet.24 Extrema gaudii luctus occupat,25 sagt abermahl der weise Salomon: Das Lachen wird mit Schmertzen vermischt / und das End der Freuden ist weinen / wie es nur gar zu wohl erfahren all diejenige / von welchen der Job gesprochen: Ducunt in bonis dies suos, & in puncto ad infernum descendunt.26 Sie haben gute Täg / und in einem Augenblick fahren sie zum Grab hinunter.

Der Honig ist den Kindern und jungen hitzigen Leuthen schädlicher und ungesunder als den alten und kalten Männern; dann es verursachet bey ihnen allerhand böse humores oder Feuchtigkeiten / es verstopfft den Leib / bewegt die Gall / und bringet Fieber / sonderlich wann es noch nicht abgefaumt / purificirt oder geläutert ist / also seynd auch die zeitliche Güther und Glückseeligkeiten den jungen hitzigen Leuthen / das ist / denen Unbehutsamen / muthwilligen und unverständigen vil schädlicher und gefährlicher als den alten / das ist / den Gescheiden und Behutsamen / die sich wissen innzuhalten und zu mäßigen: dann bey ihnen verursachet das Honig der zeitlichen Glückseeligkeit / der Ehren und Reichthumen die Feuchtigkeit der Trägheit / der bösen Begierd und Anmuthungen / die Wind oder Geschwulst der aufgeblasenen Hoffart / die Dämpff der Ruhmsucht / die Gall des Zorns / die Fieber des Geitzes und der Unlauterkeit / die Verstopffung der Halstärrigkeit / laut der Worten des weisen Manns: Prosperitas stultorum perdet eos Der Narren ihr Glück wird sie umbringen.

Jonathas hat wider den Befehl des Königs Sauls /seines Vatters / einstens nur ein wenig von Honig versucht / und ist deßwegen in Todts-Gefahr gerathen /es hätte ihn schier das Leben gekost: ja wer nur ein wenig / das ist / ein kleine Zeit von dem Honig eines verbottenen Wollusts genießt / der gibt sich in Gefahr das Leben der Seel auf ewig zu verliehren.27

Es kan aber hingegen auch durch das Honig und den Bienen-Stock zugleich Christus der HErr selber einiger massen verstanden werden: dann gleichwie der Bienen-Stock oder Immen-Korb seine Löcher oder Eingang hat / durch welche die Immen eingehen und sich mit dem Hönig speisen / also gehen die reine und andächtige Seelen durch die Wunden Christi vermittelst der Betrachtung ein / das Honig seiner Weißheit und Heiligkeit zu verkosten / und sich darmit zu nähren: und gleichwie der Immen-König den anderen Immlein pflegt den Weeg oder die Thür in den Bienen-Stock zu weisen / also hat Christus nach der Auferstehung seinen bey einander versammleten Apostlen (die ihne als wie die Immen ihren König umgeben haben) die Löcher seiner HH. Wunden gewisen / und angezeigt / wohin ihre Seelen in aller Gefahr fliehen /und wo sie ihre geistliche Nahrung suchen sollen /nemlich in der Krafft und Süßigkeit der Geheimnussen seiner GOttheit und Menschheit zugleich: dann wie der Immen-Korb Honig und Wachs zugleich in sich haltet / also haltet Christus die Göttlich- und Menschliche Natur in sich.28

Die wilde Bären seynd den Immen-Körben gar gefähr / sie stellen ihnen nach und zerreissen sie / damit sie das Honig stehlen und fressen mögen. Solche Bären in sittlichem Verstand seynd die grimmige Juden gewesen / welche dem Leib Christi als einem Immen-Korb nachgestellt / und selbigen durch hundertfältige Wunden in seiner Geißlung und Creutzigung gewaltig zerrissen haben: aber nach seiner Auferstehung ist er widerum ergäntzet und nunmehr unzerstöhrlich worden. Dahin hat auch der Heil. Bernardus mit seinen Affecten abgezihlet / als er gesprochen hat: Christus JEsus mein HErr ist ein Honigsaim / weil er ist GOtt und Mensch zugleich. Zu disem Honigsaim hat der Heil. August. seine Seel als ein Immlein beruffen[141] und zu Gast geladen / indem er sie also angeredt: Verkoste / O mein Seel / disen Honigsaim Christum / ersättige dich mit seiner Süßigkeit / wasche dein Haupt und deine Füß / das ist / dein Intention und deine Affect in deinem Honig: dann niemahl wird die Lieblichkeit dises Honigsaims nachlassen /wann du nicht selbst darvon zu essen nachlassest etc.

Daß man aber in dem Immen-Korb neben dem Honig auch das Wachs findet / kommt aus diser Ursachen her / weilen / indem die Immen den süssen Honig-Safft von den Blumen und Kräutern saugen und sammlen / da hangt ihnen auch eine hartzige Materi an / die sich bey den Blumen und Kräuteren befindet / und dise tragen sie samt dem Honig ein / machen ihre Nästlein und Häußlein darvon / brüten ihre Junge darinn aus / und setzen das Honig darein.29 Dise hartzige Materi aber wird hernach durch vilen Fleiß und Mühe ausgearbeitet / geschmeltzt / geläuteret /geblaicht und endlich zu Kertzen oder anderen Figuren gegossen.

Das Wachs ist gleichsam ein Hef oder ein Faum des Honigs / und ist so ring / daß es in allen Liquoribus oder flüßigen Dingen allzeit oben her bleibt / und niemahl in die Tieffe sencken / oder sich mit anderen Säfften vermischen will: hingegen wann es an die Sonnen oder zu dem Feur kommt / da hat es gar kein Bestand / sondern es zerfliesset und zerrinnet alsobald.30 Und dißfalls gleichet das Wachs der Hoffart /oder den Hoffärtigen / welche obwohl sie nur ein trübe Hef / oder ein leerer Schaum seynd gegen den Tugendsamen gerechnet / so wollen sie doch immer oben / ja zu oberst daran seyn / und sich niemahl ernidrigen / oder demüthigen: Vir vanus in superbiam erigitur. Job. c. 11. v. 12. ja auch nicht mit ihres gleichen vermischen und vereinigen / sondern sie bleiben separirt durch ihren stoltzen Muth und Eigensinnigkeit / vor der Sonnen der Göttlichen Gerechtigkeit aber / oder bey dem Feur der Trübsal und Widerwärtigkeit können dise wächsne / ich will sagen / hoffärtige Menschen gar nicht bestehen: sondern sie zerfliessen durch die Ungedult und Weichmüthigkeit / sie werden zernichtet / oder gedemüthiget und zu Boden geschlagen von der allmächtigen Hand GOttes: wie ihnen der Prophet längsten hat vorgesagt sprechend: Sicut fluit cera à facie ignis, sic pereant peccatores à facie Dei.31 Wie das Wachs zerschmeltzet vor dem Feur / also müssen umkommen die Gottlose vor GOtt. Es ist demnach viel besser für das Wachs /es seye an der Kälte als an der Hitz / und auch den Hoffärtigen ist es nutzlicher / sie seyen in der Kälte der Armuth und Niederträchtigkeit / als in der Wärme des Wohlstands / der Ehren und Reichthumen. Darum hat David gesagt: Imple facies eorum ignominia, & quærent faciem tuam Domine. Mache ihr Angesicht voll Schand / daß sie nach deinem Namen fragen. Ferners das Wachs nimmt allerley Figuren oder Gestalten an sich (nachdem man ihm was eintrucket) bald præsentirt es oder stellet vor einen Engel / bald einen Adler / Löwen etc. und ist doch / und bleibt in der Sach selber nichts anders als ein weiches Wachs.

Eben also ein hoffärtiger Mensch stellt sich und will angesehen seyn / bald für ein Engel / Adler / oder Löwen / das ist / hocherleucht / gelehrt / starckmüthig etc. und ist doch nichts anders als ein armer und armseeliger Mensch.

Hingegen kan auch das Wachs wegen einigen guten Eigenschafften mit der Gnad GOttes verglichen werden: weilen es nemlich die Speiß und Nahrung der brinnenden Wachs-Kertzen ist / welche in der Kirchen zu dem Dienst auf den Altar / oder auch bey vornemmen Herren auf die Tafel gesetzt werden / und welche ohne das Wachs nicht bestehen können / ja gar nichts seynd.32

Also werden auch die sittliche Kertzen oder Liechter / verstehe die gute Werck und ein exemplarischer Lebens-Wandel durchs Wachs der Gnad GOttes erhalten und ernährt (ohne welche sie gantz und gar nicht bestehen kunten) und gar nicht verdienstlich[142] wären / auf daß sie leuchten in der Kirchen GOttes zu seiner Ehr / und auch zur Auferbauung der Menschen / damit sie unsere Werck sehen / und preisen unseren Vatter / der im Himmel ist / wie Christus im Evangelio sagt.33 Man pflegt auch mit dem Wachs leinene Tücher zu bestreichen oder zu wixen / und alsdann in solcher gewixter Leinwat die kostbare Kauffmanns-Waaren einzuwicklen / von dem Regen / und aller unsauberkeit zu bewahren / und unversehrt über Land und Wasser zu führen: dann das Wachs lasset kein Nässe eintringen. Eben also wann unser Hertz und unser Gewissen mit dem sittlichen Wachs der Gnad GOttes wohl bestrichen und gewixt ist / da bleiben die köstliche Waaren der Tugend- und Verdiensten unversehrt und unverletzt darinnen verwahret / sie werden nicht benetzt oder verderbt von dem Gewässer der Sünd und Laster / noch von der Feuchigkeit der bösen Begierd- und Anmuthungen / also daß wir dise Waaren sicher über Land und Meer diser Welt führen können / laut Göttlicher Verheissung: Cum pertransieris per aquam, tecum ero, & flumina non operient te.34 Wann du schon durchs Wasser giengest / so will ich bey dir seyn / und die Flüß werden dich nicht bedecken.

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 140-143.
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