Der 3. Absatz.

Von dem Leib des Menschen.

[157] Gleichwie die menschliche Seel aus allen formis sublunaribus oder Gestalten / die unter dem Mond seynd / die edliste und fürnehmste ist / also ist der Leib / als die eigenthumliche Wohnung der Seel (in welchem sie als wie eine Königin in ihrem Pallast residirt und herrschet) der schönste und fürtrefflichste aus allen Cörpern.

Es bestehet aber der Menschliche Leib in einer wohlgeordneten Zusammmenfügung und Vereinigung unterschiedlicher Gliederen / die von GOtt und der Natur verordnet und angesehen ist für einen tauglichen Auffenthalt der Seel / so lang biß daß sie durch den Tod von GOtt wiederum von dannen abgefordert wird.25 Der Leib des Menschen ist ein so rares /wunderbarliches und herrliches Kunst-Stuck des himmlischen Werckmeisters / daß die Allmacht /Güte und Weißheit GOttes klärlich daraus erscheinet.

Die alte Heyden haben sich höchlich verwunderet über die Minervam, welche Phidias so zier- und künstlich in Helffenbein geschnitten hat / über die Venerem, welche von dem kunstreichen Pemsel des Apellis so Wunder-schön ist gemahlet worden / über die schöne / aus weissem Marmor formirte Statuam Clesidis, in welche sich die Jüngling von Samos also verliebt haben / daß sie offt gantze Nächt in dem Tempel verblieben seynd. Man hat auch diesen Künstlern deßwegen die gröste Ehr erwiesen / aber dieses waren nur stumme / leblos- und unbewegliche Bilder / vielmehr ist sich zu verwunderen über den menschlichen Leib / welchen GOtt aus einer so schlechten und verächtlichen Materi / nehmlich aus Erden und Leim dermassen wohl gestaltet / kommentlich / zierlich und kunstreich formirt oder gebildet hat / daß alles in schönster Ordnung und nichts umsonst darinnen ist / nichts welches nicht seine rechte Maas /sein gewises Orth und Amt oder Verrichtung hat. Erstlich wie der Poet singt:


Os homini sublime dedit, cœlumque tueri

Jussit, & erectos ad sidera tollere vultus.


Aufrechten Leib und Angesicht /

GOTT dir O Mensch / hat geben:

Damit erkennest deine Pflicht /

Das G'müth zu GOTT z'erheben.


Hernach hat der menschliche Leib so viel unterschiedliche wunderbarliche Gliedmassen / Bewegnussen /Eigenschafften und Verrichtungen / daß er billich ein lebendiges Buch der Göttlichen Weißheit und Allmacht kan benahmset werden: in welchem Buch auch die heydnische Weltweise und Naturkündige durch das blose Liecht der Vernunfft so manche schöne Wissenschafft geschöpfft und erlernet haben.

Als einstens Heraclitus sein Quartier oder Wohn-Platz in einem Bach-Ofen genommen hatte / und diejenige / so mit ihme zu reden begehrten / sich nicht getrauten zu ihme hinein zu schlieffen.26 Da hat er ihnen zugeruffen: Ingredimini, nam etiam hic Dii sunt. Kommet kecklich herein / förchtet euch nicht /dann die Götter seynd auch da gegenwärtig. Diser blinde Heyd hat ihme eingebildet / daß seine Götter auch in dem Bach-Ofen bey ihme seyen: aber vielmehr können wir von dem Wunder-schönen Gebäu des menschlichen Cörpers sagen: Jovis omnia plena, da befinde sich GOtt absonderlich durch sein Allmacht und Weißheit gegenwärtig: deßwegen ingredere tu quis es, gehe herein durch die Einbildung oder Betrachtung / wer du immer bist: Etiam Athee ingredere, auch du Gottloser / der du gar an keinen GOTT glaubest / da wird es dich lernen an GOTT glauben. Dann wer anderst als der allmächtige GOtt hätte ein so wunder-künstliches Gebäu führen können / welches alle Kräfften der Natur weit übersteiget? Ingredere, gehe herein und besichtige fein wohl den Pallast der vernünfftigen Seel / beschaue das herrliche Castell Palladis der Weißheit / ich verstehe[158] das Haupt des Menschen / und in dem Haupt das Hirn / die Columnas oder Saulen dises Königlichen Schlosses / dessen Atria und Vorhöf / die glantzende Spiegel der Augen / die Gäng und wunderbarliche Leitungen der Puls und anderer Aderen / die Wasser-Röhrlein und Bronnen-Quell der Nerven / der Humorum und Feuchtigkeiten / die Portal und Fenster der äusserlichen 5. Sinnen / durch welche die Species oder Gestalten ihrer Gegensätz eingehen / die Schatz-Kammer des Hertzens / das Speiß-Gewölb des Magens / den hitzigen Ofen der Leber / und viel anderes mehr.

Einige Theil des Leibs hat der himmlische Baumeister weich gemacht / wie das Fleisch / andere hart wie die Bein / einige feucht / andere trucken: einige empfindlich / andere unempfindlich etc.27 Er hat auch dieselbe mit der schönsten Symmetri-Ordnung und Proportion auf einander gefügt / und vermittelst der Nerven / Gebein und Krosplen vest gestellt / den Leib aufrecht zu erhalten.

Die Herren Medici und Anatomisten geben vor /daß in dem menschlichen Leib bey 247. Beiner sich befinden / nemlich 59. in dem Haupt / 68. in dem Stamm oder Rumpff des Leibs / und 120. in denen Zusammenfügungen deren Mäußlein / und zwar / wie sie sagen / so hat ein jedes Bein seine gewisse besondere Dienst und Verrichtungen. Die Augen hat GOtt schier zu höchst an den oberen Theil des Leibs gesetzt / als Weegweiser und Wächter oder Ausspäher der bevorstehenden Gefahren: Die Stirn hat er von Bein und nicht von Fleisch gemacht / damit / daß sie das Hirn desto besser beschützen kundte: die nothwendige Glieder / die mehreren Gefahren ausgesetzt seynd / als Augen und Ohren hat er verdopplet / auf daß / wann eines zu Grund gienge / noch das andere dienen kunte. Wann wir noch besser hinein sehen / so werden wir finden / die 3. facultates animæ oder Kräfften der Seel: wie daß die facultas rationalis in dem höchsten Ort / als ein Regentin sich befinde /nemlichen in dem Hirn: irascibilis die zörnende in dem Hertzen / und die concupiscibilis die begierliche in der Leber: deßwegen sie auch der Vernunfft unterthan und gehorsam seyn sollen etc. Dises alles soll uns ja billich nicht nur in die höchste Verwunderung setzen / sondern auch zu grosser Lieb / Lob und Ehrenbietung gegen den himmlischen Werckmeister / der so rares Kunststück verfertiget hat / bewegen.

Ja es soll uns auch vermögen in uns selber zu gehen / und uns selber zu erkennen lernen / welche Erkanntnuß seiner selbst kein geringe / sondern ein hoch nothwendige Sach / und die wahre Philosophi oder Weißheit ist.28 Als Demonax einstens gefragt wurde: wan er in der Philosophi oder wahren Weißheit zu studiren anfangen werde / gabe er zur Antwort / alsdann wird ich anfangen ein Philosophus, ein Weiser zu seyn / wann ich wird anfangen mich selber zu kennen. Eben also Socrates hielte es für ein grosse Thorheit / wann sich einer unterstunde hohe und fremde Ding zu erforschen / und doch das jenige nicht wuste / was in ihm selber ist. Dises gabe einstens Thaleti Milesio ein altes Weiblein zu verstehen: dann als diser in Gedancken gleichsam verzuckt die Sternen des Himmels beschaute und betrachtete / auf sich selbsten aber gantz kein Achtung gab / da fiel er in eine Gruben / da ruffte sie ihm zu / und sagte: O stulte! quæ supra te sunt, quæris, quæ verò infra & intra te, ignoras. Du Thorrechter! du suchest die Ding / welche über dich seynd / und was in oder unter dir ist / das verstehest du nicht; wohl weißlich und merckwürdig geredt!

Nun aber in die nothwendige Erkanntnuß seiner selbst zu gelangen / ist kein besseres Mittel / als daß der Mensch die hefftige Bewegnussen seines Gemüths mäßige / im Zaum halte / und die innerliche Unruhen stille: Zu diesem aber wurd ihm sehr verhülfflich seyn / wann er die Structur oder das Gebäudes menschlichen Leibs betrachtete; dann da wird er sehen / wie daß alle Theil desselben zu gebrauchen und[159] zu was sie verordnet seyen.29 Er wird sehen und finden / daß der Mensch darum von GOtt und der Natur einen aufrechten Leib / und übersich gerichtes Angesicht bekommen habe / damit er sich erinnere / daß er mit seinen Gedancken und Anmuthungen / nicht als wie die Würm solle auf der Erden herum kriechen / oder wie das Vieh nur auf den Erdboden / oder auf das irrdische sehen / sondern vielmehr in die Höhe zu GOtt und himmlischen Dingen sich erheben / auf daß er in der Wahrheit mit dem Apostel sagen könne: nostra conversatio in cœlis est.30 Unser Wandel ist im Himmel. Er wird finden / daß die Augen darum hoch in dem Kopff eingesetzt worden / theils damit er sicher und behutsam gehe / theils daß er öffters und leichter den Himmel anschauen und betrachten möge: Er wird finden / daß er darum 2. Ohren und nur ein Zung habe / daß er bereiter seyn soll / andere anzuhören /als selber viel zu reden: daß die Zung mit einem starcken Band und Zaum angebunden / mit dem Mund und Zähnen versperrt seye / auf daß der Mensch sich zuvor wohl besinnen soll / ehe daß er reden thut etc. und also von anderen Gliederen zu reden. Ja es können die Fürsten und Regenten aus der Structur des menschlichen Leibs lernen und absehen / wie sie ihre Unterthanen regieren / und hingegen diese ihren Herren und Oberen dienen und gehorsamen sollen. Von dem Hirn des Menschen können sie absehen / wie sie dem Volck die Jura und Gesetz vorschreiben / wie sie die Favores und onera austheilen sollen; dann das Hirn ist lind und weich / es sitzet zu oberst / gleich sam im Tribunal, allwo es denen 5. Sinnen ihre Aemter / Kräfften und Bewegnussen nach Nothdurfft austheilet / nicht zu viel und nicht zu wenig. Von dem Hertzen / wie sie den Nutzen und die Wohlfahrt des gemeinen Weesens suchen und erhalten / auch die Schwache trösten und stärcken mögen; dann das Hertz mit seiner lebhafften Hitz erhält und stärcket den gantzen menschlichen Leib. Von der Leber aber wie sie freygebig und mild seyn sollen; dann die Leber kochet das Blut aus / und thut alle Glieder des menschlichen Leibs / als wie ein freygebiger Fürst seine gantze Hofstatt / auf eigne Kosten darvon reichlich erhalten und ernähren. Ferners der Magen verkochet die Speisen / das Miltz und Nieren reinigen den Leib / und treiben den Unflath aus etc. Eines hilfft und dienet dem anderen / keines gehet müßig oder auf sein privat Interesse und Nutzen allein: und wann nur ein eintziger Theil des Leibs von seinem Amt und Dienst ablasset (wie es geschieht / wann der Mensch erkrancket) da leidet die gantze Oeconomia oder Haußwirthschafft darbey. Dieses alles haben einige Fürsten und Regenten wohl verstanden / und deßwegen neben dem Kriegs- und Regierungs-Weesen auch auf die Anatomi sich begeben / nicht nur ihren eignen Leib und Gesundheit darnach zu reguliren / sondern auch das Regiment ihrer Unterthanen wohl einzurichten.

Aber nichts destoweniger / obwohlen vil schön-und löbliches von dem raren Kunststuck des menschlichen Leibs kan gesagt werden / so ist er gleichwohl der Seel ein grosses Onus, ein grosse Beschwernuß /und macht ihr viel Ungelegenheit.31 Corpus, quòd corrumpitur, aggravat animam.32 Das üppige Fleisch widersetzt sich gar offt der vernünfftigen Seel oder dem Geist. Hæc duo invicem contrariantur.33 Sie seynd widereinander. Er ist auch voller Gepresten / Schwachheit- und Armseelichkeiten: er ist auch unzahlbaren Trangsal- und Kranckheiten / endlichen aber dem unvermeidlichen Todt unterworffen. Man wurde ihme derowegen weder Unrecht noch Unbild anthun / wann man ihn schon sepulchrum animæ, das ist / ein Grab der Seelen nennte / wie ihne dann auch der Heil. Apostel Paulus Corpus mortis, einen Cörper des Todts genennt hat. Man kunte ihn wohl betittlen / wie der Heil. Basilius den Wallfisch des Jonä titulirt hat / nemlich ein lebendiges Grab / einen beweglichen Kercker / einen beseelten Freythof / ein Herberg der Todten. Xenocrates und Solon haben[160] darfür gehalten / es seye nichts elenders auf der Welt /als eben der menschliche Leib / ja er seye die Armseeligkeit selber. Deßgleichen der weise Plato nennet den Menschen ein Werckstatt alles Elends und Müheseligkeiten.

Aber ich will noch ein wenig reputirlicher von ihme reden / und will sagen / der Leib seye ein Kleyd der Seel / zwar ein abgeschabnes / schwaches und gebrechliches Kleyd / welches wir nothwendig müssen ausziehen / wann wir mit dem Kleyd der Unsterblichkeit wollen angethan werden / oportet corruptibile hoc induere corruptionem:34 und wer wolte nicht gern ein altes zerlumptes Kleyd ablegen / damit er ein neues und besseres bekomme?35 Gar gern hat es abgelegt der Heil. Gregorius Nazianz. indem er inständig zu GOtt gebetten: Domine solve hanc tunicam, ita mihi gravem & ponderosam, & da mihi leviorem: O HErr / löse auf dises Kleyd / welches mich also truckt und beschweret / und gibe mir ein ringeres.

Es pflegen die Kauffleut ihre kostbare Waaren öffters in eine grobe Leinwath einzuwicklen / wann sie selbe über Land oder Wasser schicken wollen / und fragen wenig darnach / wann schon solche Leinwath in Wind / Regen und Koth umgezogen / besudlet /oder auch zum theil zerrissen wird / wann nur die eigepackte schöne Waaren sauber und unbeschädiget verbleiben. Eben also hat GOtt die menschliche Seel mit einem groben verächtlichen Sack / verstehe mit dem Leib / oder mit dem Fleisch / als wie mit einem Kleyd umgeben / welcher Sack allerhand Ungewitter /das ist / allerhand Ungemach / Kranckheit und Verfolgungen ausgesetzt und unterworffen ist / die Seel da durch vor Schaden / und Sünden zu beschützen: und wann nur dises geschieht / daß die kostbare Waar die Seel rein / und unverletzt erhalten / und seelig wird /da sollen wir nicht viel achten / wann schon die schlechte grobe Leinwath / das ist / der Leib durch Kranckheiten / Schläg und Verfolgung / oder durch freywillige Bußwerck / Fasten und Leibs-Casteyung verwüstet / geplagt und verrissen wird. Aber O grosse Thorheit und Unbild! wir sündige Menschen schonen dem verächtlichen Maden-Sack dem Leib / auf alle Weiß seynd wir beflissen / daß ihme nicht wehe / oder kein Leyd geschehe / und lassen hingegen offtermahl die kostbare Waar / die eigne Seel Schaden leiden oder gar zu Grund gehen. Viel besser und weiser hat es gemacht der H. Apostel Paulus / wie er von ihm selbsten bezeugt: Castigo corpus meum & in servitutem redigo.36 Ich zähme meinen Leib und bringe ihn in die Dienstbarkeit. Dann gleichwie ein junges muthwilliges Pferd (absonderlich wann es wohl gefütteret / und eine weil müßig gestanden ist) den Reiter in grosse Gefahr zu stürtzen / ja in Gefahr Hals und Bein zu brechen setzet / also setzet das muthwillige Fleisch / wann es wohl verpflegt und ihme zu viel zugelassen wird / die Seel in die gröste Gefahr des Verderbens / wann es nicht von ihr mit Ernst in denen Schrancken der Gebühr gehalten und gebändiget wird.

Sonsten wird uns die Schwachheit und Blödigkeit des menschlichen Leibs vorgebildet durch jenen Kürbis / welcher über das Haupt des Propheten Jonä aufgewachsen ist / damit er bey heissem Sonnenschein unter desselben Schatten ruhen möchte / ab welchem er auch ein grosse Freud gehabt hat.37 Aber am Morgen frühe verschaffte GOTT ein Würmlein / das nagte den Kürbis ab / und er verdorret / da hatte all sein Freud ein End / und er war entrüstet. Ein solcher Kürbis / sage ich / ist der Leib des Menschen unter dessen Schatten die Seel ruhet: sie hat ein Freud und grosses Wohlgefallen darab / wann er schön aufgewachsen / proportionirt und wohl gestalt ist. Aber gehlingen schickt GOtt ein Würmlein / ich verstehe ein Kranckheit / ein gifftiges Thierlein oder tödtliche Wunden /dieses naget den Kürbis ab / und den Leib ins Grab stürtzt/ da ist die Seel des Schattens und des Schirms beraubt und entblößt. Ferners / gleichwie der Kürbis für sich selbst sich nicht aufrichten oder aufrecht stehen kan / sondern[161] er muß nothwendig unterstützt oder angehefft werden / also auch der menschliche Leib hat viel Stützen und Hülffs-Mittel vonnöthen / nemlich die Elementen / Speiß und Tranck / Wohnung und Kleyder etc. damit er aufrecht bleib und erhalten werde: und so bald eines dieser nothwendigen Dingen abgehet / da fallet er zu Boden / oder gar ins Grab / er erkrancket und stirbt.

So lang der Mensch frisch und gesund ist / da kan er wohl (wie ein gelehrter Scribent S.J. sinnreich anmercket) mit einer vesten Stadt verglichen werden: massen GOtt selber zu dem Propheten Jerem. gesprochen: dedi te in civitatem munitam:38 Ich hab dich gemacht zu einer vesten Stadt.39 Die Mauren seynd da Fleisch und Bein: die Cortinen / Wäll seynd die Schultern und Rucken: die Thürn aber Arm / Händ und Füß: die Spitzen der Mauren Finger und Zehen: die Pollwerck und Schantzen die Hüfft / Ruckgrad /Lenden und Bauch: die Stadt-Porten der Mund: das Proviant-Hauß der Magen: die Kriegs-Rüstung oder das Gewehr die Sinn und Organa: die Garnison oder Soldaten die Lebens Geister: das Hauptwerck ist der Kopff. O wohl ein herrliche Vestung! aber gehlingen kommt der General von Beinhausen als ein geschworner Feind des Menschlichen Lebens / der grimmige Todt / mit einem gantzen Heer unterschiedlicher Gepresten und Kranckheiten angezogen / und überfallt /belägert die Vestung des Menschlichen Leibs / daß er mit dem David zu seufftzen gezwungen ist: Circumdederunt me dolores mortis,40 Die Schmertzen des Todts haben mich umgeben. Es thut zwar der Todt / gleichwie auch andere erfahrne Kriegs-Leut / diese Vestung nicht auf einmahl mit allem Gewalt und von allen Seiten angreiffen / sondern bald da / und bald dort greifft er an / und sucht einzutringen: bald fällt er ein Thurn / bald ein Stuck Maur / da sprengt er ein Thor ein / dort übersteigt er einen Wall etc. bald greifft er an mit einem Fieber / bald mit dem Grimmen / bald mit Haupt-Schmertzen / bald mit Magen-Wehe / biß daß er endlich einen Haupt-Sturm vornimmt / und das Gebäudes menschlichen Leibs über einen Hauffen wirfft. Und also geschieht es / daß der armseelige Mensch / der mit fremden Sünden und Schmertzen auf die Welt gebohren worden / mit eignen beladen / darvon ausgehet.

Gar wohl und recht derowegen hat der Heil. Ambrosius den menschlichen Leib genennt ein Krancken-Bett der Seel / ein Bett des Schmertzens.41 Ægra jacet anima & quasi quodam decumbit in lecto. Ja schon vor ihme der Königliche Prophet David / da er den krancken Leib oder die Kranckheit ein Bett des Wehetags benamset. Es ist zwar das Bett dahin angesehen / daß es die Schmertzen dem Menschen lindere / und daß er seine ermüdete Glieder darinn erquicke und ruhen thue: aber dieses armseelige Bett des Schmertzens / der armseelige Leib / thut die Ruhe der Seel nicht beförderen / sondern vielmehr verstöhren / nicht erquicken / sondern abmatten; dann es ist mit Dörneren umgeben und besetzt / die hefftige Paßiones stechen überall hervor / die unordentliche Begierd und Anmuthungen des Fleischs thun die Seel immerdar quälen und belästigen. Nicht weniger die leibliche Kranckheit und Schmertzen; dann bald leiden wir an dem Haupt / bald in dem Magen / bald in denen Augen / bald in den Nieren / bald an den Händen / bald an den Füssen etc. Aber wann es disem also (möchte einer sagen) warum GOtt die Seel mit dem Leib verbunden habe? daß der Leib so armseelig / und der Seel so beschwerlich ist / warum hat dann GOtt zwey so unterschiedliche und widrige Ding mit einander in dem Menschen vergsellschafftet und so eng verbunden? Antwort / es erforderte das decorum universi, die Zierd und der Unterschid der Geschöpffen / daß gleichwie es einige Creaturen gibet / welche gar nicht materialisch / sondern ein pur lauterer Geist seynd / nemlich die Engel; und hingen andere die gantz materialisch seynd / als wie die[162] Thier und Pflantzen: also solte es auch ein mittlere Gattung der Geschöpffen geben / welche in dem Geist und in der Materi zugleich bestunden.

Die anderte Ursach gibt der Heil. Laurentius Justin und sagt: Es seye darum geschehen / auf daß der Mensch gedemüthiget / und in Ansehung seines armseeligen Leibs / in der Niderträchtigkeit erhalten werde. Dann wann er ein pur lauterer Geist wäre /wurde er sich leicht übernemmen und hochmüthig werden.

Die dritte Ursach mag seyn / daß der Leib der Seel Gelegenheit zu der Gedult gebe / und für ein Instrument viel leibliche gute Buß- und Tugendwerck zu üben diene / als da seynd / wachen / fasten / den Leib casteyen / um Glaubens willen die Marter leiden /welches alles ein purer Geist nicht kunte.

Endlichen die vierte Ursach ist / daß auch das Fleisch durch die Krafft und Beywürckung der Seel zur ewigen Seeligkeit gelangen möchte / deren es für sich selbsten allein nicht fähig wäre.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 157-163.
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