Anhang

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Zu denen menschlichen Gliederen ins gemein.

[278] Obwohlen der menschliche Leib ein sonderbares und verwunderliches Kunststuck des himmlischen Werckmeisters ist: obwohlen die menschliche Glieder so viel unterschiedlich- und fürtreffliche Eigeschafften haben / wie bißhero gemeldet worden / so bleibt es halt gleichwohl darbey / daß wir den kostbaren Schatz der unsterblichen Seel in diesem Leib / als in einem zerbrächlichen irdenen Geschirr / in vasis victilibus, wie der Apostel redet / herum tragen / welches Geschirr gar leicht durch eine Kranckheit gespalten /oder durch den Todt gäntzlich zerbrochen wird / und zu Trümmeren gehet.51 Der menschliche Leib wird uns angedeutet durch den Wasser-Krug / oder das irdene Geschirr ober dem Bronnen / von welchem der weise Ecclesiastes redet und ermahnet: Memento Creatoris in diebus juventutis tuæ etc. antequam conteratur hydria super fontem, & confringatur rota super cisternam:52 Gedencke an deinen Schöpffer in deiner Jugend etc. ehe der Eymer an dem Brunnen / und das Rad an der Cistern verbreche. Der gottseelig- und gelehrte Franc. Titelmannus Ord. FF. Min. verstehet gar füglich durch den irdenen Hafen oder Krug den zerbrechlichen menschlichen Leib / welcher / als ein Topff oder Hafen / von GOtt durch die Scheiben seiner Allmacht aus dem Leim der Erden / das Wasser des Lebens / das ist / die menschliche Seel aufzufangen / und zu behalten ist gemacht worden: welcher gleichwohl zu seiner Zeit wiederum in die Materi / in Koth und Erden / aus welcher er ist genommen worden / solte verkehrt / und mithin der Krug oder das irdene Geschirr / das ist / der menschliche Cörper zerstossen und zertrümmeret werden: und zwar bey dem Bronnen / dann / wie der Author Catenæ Græcæ bey P. Benig. Kibler glossiret / ut hydria ad fontem fractâ aquâ rursus fontem recurrit, sic solutum corpus in terram revertitur, Opisici rerum omnium paratum, ut formetur: Gleichwie das Wasser / wann der Schöpff-Krug bey dem Bronnen verbrochen wird / wiederum in den Bronnen hinab laufft / also der Leib / wann er in die 4. Elementen /aus welchen er zusammen[278] gefügt ist / resolvirt oder aufgelößt wird / da kehrt er wiederum in die Erden /und wartet auf den allgemeinen Schöpffer / biß er ihne an dem Jüngsten Tag wieder reformire und erneuere. Das Wasser aber der unsterblichen Seel gehet nicht zu Grund / wann schon der irdene Krug des Leibs zerbricht / sondern dieses Wasser / die menschliche Seel gehet wiederum zuruck in den Bronnen /oder vilmehr in den Abgrund / aus welchem sie ist geschöpfft worden / das ist / in GOTT / wie abermahl Salomon bezeuget / indem er sagte: Der Staub kehre wiederum zu seiner Erden / darvon er ware / und der Geist zu GOTT / der ihn gegeben / und dem Leib mitgetheilt hat.53 Der Krug zwar muß leiden /er gehet zu Trümmeren / und bleibt gleichwohl bey dem Bronnen ligen: inmassen auch der Leib nicht völlig verschwindet / oder zernichtet wird / sondern / wie gemeldet / nur aufgelößt und zertrümmeret / die Trümmer aber werden an der allgemeinen Auferstehung wieder zusammen gefügt und ergäntzet.

Es erinneret uns da auch der weise Mann / wie das Rädlein des menschlichen Lebens allgemach ablauffe / indem der Mensch von einer Schwach- oder Kranckheit in die andere verfalle / biß daß er endlich gar zu Boden ligt / er durchgehet und lustriert die meiste Theil oder Glieder des menschlichen Leibs / als wie hernach der seelige Alcuinus, oder wie Albinus gethan / indem er folgende Frag- und Antworten von sich hat vernemmen lassen. Was ist / sagt er / das Haupt des Menschen? Es ist der Spitz und Gipffel des Leibs: Was ist der Leib? Ein Herberg / ein Behausung der Seelen: Was seynd die Haar? ein Zierd und Kleid des Haupts: Was das Hirn? ein Behaltnuß und Rüst-Kammer der Gedächtnuß: Was die Augen? Wächter und Wegweiser des Leibs / ein Gefäß des Liechts /und Zeiger der Anmuthung: Was die Nasen-Löcher? Windfang und Läden des Geruchs: Was die Ohren? Richter über die Music und Stimmen: Was die Stirn? ein Sitz der Schamhafftigkeit und Abbildung des Gemüths: Was der Mund? Ein Dollmetsch der Gedancken / und Zufuhr der Lebens-Mittel: Was die Zähn und Leffzen? eine Mühle / Balisaten und Bollwerck der inneren Vestung des Leibs: Was die Händ und Füß? Tagwercker und Botten des Menschen: Was die Finger? Instrument oder Werckzeug gar unterschiedlicher Verrichtungen: Was die Lungel? ein Blaß-Balck und Abkühlung des Hertzens? Was die Leber? ein Schatz-Kammer des Bluts und der Wärme: Was das Hertz? ein Brunnquell und Aufenthalt des Lebens? Was der Magen? ein Speiß-Gewölb und Proviant-Hauß: Was die Gall? ein Lermenblaser und Waffentrager des Zorns: Was die Füß? Säul und Grundveste des Leibs: Was die Aderen? Gräben und Canäl des Geblüts: Was das Blut? ein Speiß der Glieder / und ein Oel des Lebens: Was endlichen der gantze Leib? Hydria supra fontem, wie schon gemeldet worden /ein irdener Krug / Topff oder Hafen: und wann man recht hinein schauet biß auf den Grund oder Boden /ich will sagen / biß auf das End / da heißt es: Mors in olla! Der Todt ist im Hafen! aller Menschen Ende.54

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 278-279.
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