Der 6. Absatz.

Von dem Affen.

[338] Der Aff ist zwar ein schandliches / aber doch recht wunderliches / und dem Menschen in etlichen Dingen zimmlich gleichendes Thier / benanntlich / weilen er wider die Gewohnheit anderer Thieren ein ablanges Gesicht / und an den Datzen rechte Fingerlein hat /mit welchen er vil unterschiedliche Werck oder Arbeiten / die sonst denen Menschen gewöhnlich seynd /gar artig verrichten kan.40 Er ist in der Grösse ins gemein etwas kleiners als ein mittelmäßiger Hund (doch gibt es an gewissen Orten vil grössere und stärckere) braun in der Farb / mehrentheils mit dicken zotteten Haaren. In unterschiedlichen Länderen zwar seynd sie auch unterschiedlich gestaltet / an der Farb und Grösse ungleich.

Die Affen werden in hitzigen Länderen gezeuget /in Africa in grosser Menge / auch in Ost- und West-Indien (und absonderlich in Lybien.) Sie essen gern Obs / und trincken auch Wein / wann man ihnen gibt / biß sie Räusch bekommen. Die Nuß wissen sie gar geschickt aufzuthun und zu scheelen etc.[338] Auf den hinteren Füssen können sie gantz bequem gehen und sitzen / und alsdann brauchen sie die vordere an statt der Aerm und Händen / und springen können sie gar hurtig auf den Bäumen oder in denen Häuseren / wo sie gar zahm werden / auf den Bänck und Tischen herum. Einige seynd haarig und gebartet / andere ohne Haar und Bärt. Der Aff hat ein lächerliches Aussehen / im Gesicht ein gantz schwartze geruntzlete Haut (deßwegen ist es ihm sehr zuwider / wann er sich selbst in einem Spiegel siehet) aber ein Maul / Augen / Nasen /Ohren und Zähn hat er schier als wie ein Mensch. Er macht manche seltzame Sprüng / Gestus und Gebärden / und wann er sonsten nichts nutzet / dienet er zur Kurtzweil der Menschen. Ein berühmter Philosophus, Anaxarses mit Namen / ware ein garavitätisch- und ernsthaffter Mann: Dieser / als er sich neben anderen ansehnlichen Gästen bey einer fürnemmen Mahlzeit befunden hatte / wo man die Gäst zu erlustigen allerhand Spihl und Gespäß getrieben hat / da kunte er doch niemahl zum Lachen bewegt werden. Als aber endlich etliche Affen daher gebracht wurden / die auch ihre Gespäß und Possen machten / da hat er hertzlich darüber gelacht: und als man ihn um die Ursach dessen befragte / gab er diese Antwort: weilen die vorgehende Spihl nur lauter von der Kunst der Menschen erzwungne Gespäß gewesen seynd / diese aber / der Affen Gespäß / seyen von der Natur selber angestellt / und also wohl würdig / daß ein gescheider Mann darzu lachen thue.

Die Affen lieben ihre Junge sehr / und zwar also sehr / daß sie offt vor lauter Liebe selbe umbringen; dann sie umhalsen / umarmen sie / und druckens also starck an ihre Brust / daß ihnen der Athem und das Leben ausgehet.41 Eben also machen es die in ihre Kinder gar zu starck und närrisch / oder unmäßig verliebte Elteren: vor lauter Lieb (wann es doch eine Lieb / und nicht vilmehr ein wahrer Haß zu nennen ist) bringen sie offt ihre eigne Kinder um das zeitliche und ewige Leben / des Leibs und der Seelen; indem sie nemlich ihnen so vil schädliche Ding gestatten / ja selber darzu anhelffen / und sie nicht zu betrüben /um das Ubel nicht abstraffen wollen etc. mithin aber ihnen selbst ein so schwere Verantwortung auf den Halß laden / als grossen Schaden an Leib und Seel sie den Kinderen verursachen.

Die alte Affen thun nicht nur selbst ihre Junge so starck charisiren / sondern wollen haben / daß auch die Menschen ihnen also thun. Deßwegen / wann sie in einem Hauß erzogen werden / da tragen sie ihre Junge allen Haußgenossen für / und wollen haben /man soll ihnen schmeichlen und schön thun / Schlecker-Bißlein geben / man soll sie loben und lieben /und wann mans nicht thut / seynd sie unwillig: thut man aber den Jungen etwas Leyds / so seynd die Alte zornig / und begehren sich zu rächen: Mit einem Wort / sie meinen halt / es seye eben nichts schöners und nichts holdseeligers / als ihre junge Aefflein / wann sie schon noch so schwartz und schandlich wären. Eben also seynd vil Vätter und Mütter gegen ihre Kinder / die sie gar zu starck und unordentlich lieben / beschaffen / und eben darum vermeinen sie / es solle selbe jederman lieben und loben / wann sie schon weder Liebens- noch Lobens-würdig / sondern vilmehr mangel- und tadelhafft / unartig / ungeschickt und übel gezogen seynd. Sie nemmen selbe überall mit ihnen / führens jederman vor / als wie die Affen ihre Junge / auf daß mans charisiren und beschencken soll: sie gehen den gantzen Tag mit um / mit Däntlen und Aufbutzen / auch in der Kirchen / und gewöhnens mithin beyzeiten zu der Hoffart. Mit einem Wort / die närrisch-verliebte Elteren treiben ein rechtes Affen-Gespihl mit ihren Kinderen / und werden ihnen zu Lieb gleichsam selbst zu Kinderen.

Der Aff hat diese Natur / daß er schier alles / was er von dem Menschen sihet / ihm selbes nachthun will / aber bißweilen schlaget es übel aus. Es[339] sahe ein Aff öffters zu / wie die Säugamme ein kleines Kind aus der Wiegen nahm / und in einem lauen Wasser badete. Einstens / als er allein bey dem Kind in der Stuben war / wolte er es auch also machen / nahme also das Kind / trug es in die Kuchel / und tauchte es in einen Hafen voll sied-heisses Wasser / und also hatte er das arme Kind zu todt lieb.

Die Gleißner und Ehrgeitzige seynd gleich den Affen: massen / gleichwie die Affen sich offt und in villen Sachen stellen und anlassen als wie die Menschen / da sie doch in der Sach selbsten nichts als Affen seynd und bleiben / also stellen sich die Gleißner vor den Leuthen / als wann sie gerecht und aufrichtig / ja gottsförchtig wären / sie machen die schönste Contestationes ihrer aufrichtigen Freundschafft / sie frequentiren die Kirchen und offentlichen Gottesdienst / verrichten unterschiedliche Buß- und Tugend-Werck / sie zeigen ein Pharisäische Scheinheiligkeit / da sie doch in der Sach selbsten gantz falsch / ungerecht und gottloß seynd: und dieses Affen-Spihl wird hin und wieder nur gar zu starck getrieben.42 Ein solcher Aff ist unter tausend anderen Herodes gewesen / indem er sich bey den 3. Weisen so eyfrig gestellt hat / das Göttliche Kind anzubetten /dem er doch im Hertzen den Todt geschworen hat. Solche Gleißner hat Christus gar wohl beschrieben in dem Evangelio / da er sagt: Sie seyen gleich den Gräberen / welche auswendig schön weiß scheinen / aber inwendig seynd sie voller Todten-Beiner und alles Unflats.43

Die Ehrgeitzige aber gleichen den Affen / theils weilen sie schier allen alles wollen nachthun / was sie doch nicht können / und sich in frembde Händel und Geschäfft / ja Aemter mischen / die sie doch nicht verstehen / theils weilen sie / gleichwie die Affen / wollen / daß jederman ihre Junge sehen / lieben und loben solle. Also spieglen und proglen die Ehrgeitzige ihre Werck und Verrichtungen vor aller Welt / auf daß man selbe lobe / bewundere und hochachte. Dieses aber ist schnur-gerad wider den Rath Christi im Evangelio / da er sagt: Laß dein lincke Hand nicht wissen /was dein rechte thut:44 wie auch wider die Ermahnung des H. Greg. welcher anmercket / daß jener selbst wolle beraubet werden / nemlichen des Verdiensts / der seinen Schatz / das ist / seine gute Werck offentlich und gleichsam in den Händen daher traget.

An gewissen Orten sollen sich die Affen so häuffig / groß und starck befinden / daß die Inwohner förmlich wider sie Krieg führen müssen / und zu thun haben / daß sie das Land vor ihnen behaupten.45 Nicht weniger streiten sie auch offt selbsten wider einander / indem sie Aestlein von den Bäumen oder Stecken ergreiffen / und gegen einander anziehen / da sie dann offt blutige Köpff darvon tragen.

Von den Americanischen Affen lise ich für gewiß /daß sie täglich in dem Wald zusammen kommen: Einer setzt sich förmlich in die Mitte an ein höhere Stell / die andere etwas nideres rings herum: alsdann gibt der Obere einen respectivè Cantorem (wann es also zu reden erlaubt ist) oder Vorsinger ab / dieser singt oder schreyt dem gantzen Hauffen vor mit lauter Stimm / und gibt mit dem vorderen rechten Fuß den Tact oder das Zeichen darzu / und die andere schreyen ihm alle ordentlich nach / biß daß einer wiederum das Zeichen zum Aufhören giebt / da dann alle augenblicklich still seynd und schweigen.46

Wann nun der Aff einen Vorsinger agiren kan / so ist sich so vil nicht mehr zu verwunderen / daß er auch einen Schneider abgiebet. Ja / es ist einer in Holland also abgerichtet gewesen / daß / wann man ihm ein Stuck Zeug oder Leinwath / samt der Scheer /Nadel und Faden hat vorgelegt / da hat er seine Strich oder Zeichen gemacht / als wie ein Schneider / darnach geschnitten / und wiederum die Stücklein zusammen genähet. Fechten aber und tantzen / aufwarten / einschencken / das Hand-Wasser reichen etc. ist dem Affen auch nicht ungewohnt.[340]

Ubrigens ist es nichts neues / daß die HH. Vätter den Teuffel einen Affen GOttes nennen / als welcher sich anmasset / viles GOtt nachzuthun / und auch die wahrhaffte Miraclen mit falschem Schein-Wunder zu imitiren / und die Menschen dardurch zu betrügen.47 Ja er hat selber sich dörffen verlauten lassen: Similis ero Altissimo:48 Ich will dem Allerhöchsten gleich seyn.

Ein reicher und adelicher / aber gottloser Herr hatte in seinem Schloß für eine Kurtzweil vil Jahr lang einen Affen gehalten / der ihme hunderterley Gespäß und artige Possen machte / aufwartete / die Schuhe auszoge / die Tafel deckte / und vil anderes thäte.49 Einstens aber hat dieser adeliche Herr einen gewissen heiligmäßigen Bischoff in sein Schloß zu Gast geladen: Diser / obwohlen ihm um nichts wenigers als um Gastereyen ware / so hat er ihm gleichwohl (keine Gelegenheit eine Seel zu gewinnen / zu verabsaumen) zugesagt / und ist kommen. Vor dem Essen discutirte der Edelmann mit dem Bischoff / und erzehlte ihm auch von seinem curiosen Affen / und befahle ihn herbey zu bringen. Man hat ihn lang gesucht und endlich zu hinderst in einem Winckel verborgen gefunden /aus welchem er wider all seine Gewohnheit nicht wolte herfür kommen / biß er gezwungen / und dem H. Bischoff fürgeführt wurde. Dieser aber aus Göttlicher Eingebung erkannte gar bald / was dieses für ein sauberer Aff seye / und was darhinter stecke: Er fienge deßwegen an in Krafft GOttes ihn zu beschwören /er solle bekennen / wer oder was er seye / und was er in dem Schloß da mache. Auf diese Beschwörung fienge der Aff an mit deutlicher Stimm zu reden / und bekennte / daß er kein natürlicher Aff / sondern ein Teuffel seye / der schon 30. Jahr lang diesem Edelmann in Gestalt eines Affen gedienet / und nur immerdar auf das gepasset habe / ob er nicht einmahl das wenige Gebett / das er täglich zu Ehren der Mutter GOttes verrichtete / auslassen werde / dann / sagte er / wann er dieses ein einziges mahl hätte ausgelassen / so hätte ich schon von GOtt den Gewalt gehabt /ihne wegen seiner Sünden zu erwürgen / und die Seel mit mir in die Höll zu führen. Nachdem er dieses geredt hat / ist er verschwunden / und hat einen greulichen Gestanck / uns aber ein heilsame Lehr hinterlassen / wie so nutzlich und nothwendig es seye / die Himmels-Königin täglich und unaussetzlich mit einer gewissen Andacht verehren und anruffen.

Fast eben dergleichen hat sich zu Venedig begeben / allwo der Teuffel auch in Gestalt eines Affen einem vornehmen Juristen lange Zeit / als wie ein Cammerdiener gar fleißig aufgewartet / biß daß er endlich von dem gottseeligen Matthæo à Basso eben auch durch Beschwörung ist entdeckt / und zu bestehen gezwungen worden / daß er ein böser Geist seye / und daß es ihm nur um die Seel dieses Juristen zu thun gewesen seye.

In dem Reich des grossen Mogols gibt es weisse Affen in grosser Anzahl / welche grösser seynd als die grosse Jagd-Hund.50 In dem Königreich Sina aber findet man eine Art Affen / die man Singfin nennet /aus deren Blut man ein schöne Purpur-Farb machen soll. Wann man selbige fangen will / da setzt man ein Geschirr voll Wein (oder solches Getränck / das dem Wein gleichet und räuschig macht) in den Wald / den sie gar gern / und sich räuschig darinn trincken / als dann aber / wann sie voll und toll seynd / werden sie leichtlich gefangen. Ein solches anfüllendes Getranck / oder vilmehr ein tödtliches Gifft der Seelen ist im sittlichen Verstand der fleischliche und anderer Sünden Lust / welches Getranck uns die höllische Jäger in dem Wald dieser Welt vorsetzen / uns darmit beräuschen und bethören / und also in ihren Gewalt bringen. Sonsten ist auch eine Art die Affen zu fangen /daß die Jäger an einem Ort / wo sie von den Affen gesehen werden / ein Geschirr mit Wasser angefüllt auf die Erden nidersetzen / und darauß das Gesicht / die Augen waschen / hernach fort gehen / und ein anderes Geschirr mit Leim oder bichiger Materei angefüllt[341] füllt stehen lassen / oder Stiefel anlegen / und andere kleinere Stiefelein / die innerhalb gantz bichig und harzig seynd / stehen lassen und fort gehen. Alsdann kommen die Affen / so es von weitem gesehen haben /herbey / und weil sie dem Menschen schier alles wollen nachthun / so waschen und bestreichen sie auch ihre Augen mit dem Leim / und legen die härtzige Stiefelein an / und werden also zu fliehen verhinderet und gefangen.

In den obigen Begebenheiten hat sich der Teuffel in einen Affen verstaltet / hingegen aber in der nachfolgenden hat sich der Aff in einen Gott verstellt / und wollen Cupido, das ist / ein Gott der Lieb werden.51 Dann als Cupido bey einem Wasser-Teich eingeschlaffen war / da ist ein alter Aff hinein geschlichen /hat ihm seinen Kocher / Pfeil und Bogen heimlich hinweg gestohlen / auch die Binden um den Kopff gebunden / und eine Larven / die einen schönen Jüngling vorstellte / für das Gesicht genommen; und als ein schöne Nympha oder Wasser-Göttin dahin kommen / da hat er alsbald einen Liebs-Pfeil ihr in das Hertz geschossen / worauf sie gleich den Affen / als wäre es der Cupido, hefftig zu lieben und zu ehren angefangen hat. Dieses gefiel dem hoffärtigen Affen üder die massen wohl. Als aber der wahre Cupido vom Schlaff erwachet / den Raub und den Betrug des Affen vermerckt hat / da hat er sich hefftig über diese Vermessenheit erzürnt / ihm den Bogen und Pfeil wieder hinweg genommen / auch die Larven von dem Gesicht abgerissen / und da stunde halt ein wüster alter Aff mit seinem schwartzen geruntzleten Gesicht vor der schönen Nympha da / und schämte sich schier gar zu todt. Cupido aber gabe der Nymphen einen höflichen Verweiß / daß sie sich zu geschwind und unbehutsam in den Affen verliebt hat / mit dieser kurtzen Lehr und Ermahnung: Non omne quod splendet, aurum est: Nicht alles was glantzet ist Gold: man soll nicht auf den äusserlichen Schein alleinig gehen / sondern auch die innerliche Beschaffenheit der Sachen fleißig betrachten. Aber was ist es Wunder / daß diese Nympha also ist betrogen worden / sie ware halt von dem Liebs-Pfeil getroffen. Die Lieb aber ist blind /und macht blind / oder doch so übel sehend / daß man schwartz für weiß / und klein für groß ansihet. Dahin hat abgezihlt der Poet / als er gesungen:


Quisquis amat ranam, ranam putat esse Dianam:

Quisquis amat cervam, cervam putat esse Minervam.


Wer hefftig liebt ein kleines Ding /

Dem machts all Müh und Arbeit ring:

Er sieht das Klein für sehr groß an /

Und sich nicht gnug vergaffen kan.


Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 338-342.
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