Der 3. Absatz.

Von dem Schwalben und Spatzen.

[448] Der Schwalb ist ein aller Orthen gar wohlbekanter Vogel / der uns zur Sommers-Zeit täglich vor Augen schwebet / und also unnöthig ist seine Gestalt zubeschreiben.20 Er ist in vilen Häuseren / wo er sich einquartirt ein ungeladner Gast / offt auch ein nicht geringe Uberlast wegen seiner geschwätzigen Zungen und Geschnaders / mit dem er einem die Ohren voll anschreyt / am Morgen ehe die Sonn aufgehet / fangt er zu schwätzen an: zu Abends wann sie niedergeht /noch nicht aufhören kan. Er ist auch so scheu und wild / daß er sich nicht lasset zam oder heimisch machen / und zu nichts abrichten als wie andere Vögel. Doch ist er auch in so weit angenehm / weilen er durch seine Ankunfft uns den Frühling verkündet /und den verdrüßlichen Winter gleichsam ausbietet: (doch ist den ersten nicht zu vil zutrauen) dann die Kälte können sie nicht leiden / sondern wann diese herbey nahet / da begeben sie sich / wie bekant / von uns hinweg / obwohlen es nicht recht bewust ist wohin: zu Zeiten hat man vil derselben beysammen gefunden in faulen / hohlen Aeich-Bäumen / oder zwischen den Bergen / wo der Schnee und kalte Lufft nicht zukommen kan / oder auch zwischen dicken Wasser-Röhren / wohin sie sich über Winter retirirt haben / und aber gantz krafftlos gewesen seynd. Sonsten ist der gemeine Wohn / daß sie in andere warme Länder abfliegen.

Es werden aber insgemein dreyerley Art- oder Gattungen der Schwalben gezehlt in der Gestalt etwas unterschieden / nemlichen die gemeine Hauß-Schwalben / die in den Häuseren nisten / Spyren oder Maur-Schwalben / und Wasser oder Rhein-Schwalben / das ist / die auf der Erden an hohlen Wasser-Uferen / sonderlich in gewissen Orthen an dem Rhein nisten: und zu diesen werden auch die Meer-Schwalben gezogen.21 Es werden auch einige Schwalben Apodes, das ist / ohnfüßig genennt / nicht daß sie gar keine Füß haben / sondern weil selbe so kurtz und schwach seynd / daß sie auf dem Boden nicht fortkommen und nicht gehen können / auch sich nicht von dem Boden aufschwingen: deßwegen lassen sie sich nicht auf die Erden herab / sondern fliegen und sitzen immer in der Höhe / oder hencken sich mit den Kläulein an den Bäumen / Gebäu oder Bergen an.

Aber so schlecht die Schwalben in den Füssen und in dem Gehen seynd / so gut seynd sie hingegen in dem Fliegen / dann sie seynd gar ringfertig in dem Lufft / sie haben einen starcken / schnellen und daurhafften Flug / also daß sie nicht müd werden / und auch von den Raub-Vöglen nicht gefangen / weilen sie nicht grad sondern krumm oder hin und wieder fliegen / und also ihnen ausweichen.22 Auch auf dem weit- und breiten Meer können sie sich ein lange Zeit mit fliegen aufhalten / welches[448] ches ihnen nicht leicht ein anderer Vogel nachthut. Sie empfangen und genießen auch ihre Nahrung nicht auf der Erden / sondern in dem Flug oder in der Höhe essen sie / was sie bekommen haben.

Ubrigens wird an den Schwalben absonderlich in 2. Stucken ein sonderbare Klug- und Fürsichtigkeit verspührt / nemlich in Erbauung ihrer Nester und in Auferziehung ihrer Jungen: dann die Nester bauen sie so nett oder ordentlich vest und Commod, daß es kein Bau-Meister besser machen kunt: ja man hält billich darfür / daß die Menschen die Kunst oder Weiß Häuser zu bauen von den Schwalben abgesehen und erlernt haben. Die Bau-Materialia tragen sie gar emsig in den Schnäbelein zu / nemlich den Letten / oder wann sie keinen haben können / Koth oder angenetzte Erden / Sand und Stroh oder Spreuer / mit welchen Dingen sie den Letten oder Koth untermengen und bevestigen: innerhalb aber thun sie das Nest gleichsam ausfütteren mit etwas lindes / mit Woll / Haar oder Mieß von den Bäumen etc. Ja wie Ælianus bezeugt /so sitzen sie auch zu Zeiten den Schaafen auf den Rucken / und rupfen ihnen einige Flocken-Woll aus /ihren Jungen ein warm- und lindes Bettlein darvon zumachen.23 In ein baufälliges Hauß machen sie wohl kein Nest aus Antrib der Natur / vermerckend /daß auch ihr Häußlein oder Nest da nicht sicher stehen wurde.

Die Aetzung aber ihrer Jungen belangend / stellen sie selbe also fürsichtig an / daß keines mehr oder öffter als das andere / keines zu vil oder zu wenig bekommt.24 Zu disem End setzen sie selbige in dem Nest nach der Ordnung ihrer Geburth / und also geben sie ihnen auch zu essen / zu erst dem Aeltisten oder Erstgebohrnen / hernach dem Anderten / Dritten etc. und wann das Letzte bekommen hat / da fangen sie widerum beym Ersten an: Wann aber eines seine Stell veränderen thäte / daß es zweymal bekomm / so wurden sie ihm nichts geben / biß es widerum in seinem gehörigen Oertlein ist.

Durch dise Art zu handlen / erinneren dise Vögelein die Hauß-Vätter und Obrigkeiten / wie sie gegen ihre Kinder / Haußgenossen und Untergebnen die Justitiam distributivam, das ist / die Gerechtigkeit im Austheilen halten / und einem jeden / was ihm gebührt / geben sollen. Die Elteren sollen die Erbschafft ihren Kinderen / und die Obere ihren Untergebnen die tägliche Favores oder Günsten (nach Proportion und Erheischung der Umständ) fein gleich austheilen / und nicht aus Privat-Affection oder Parteylichkeit (ohne andere billiche Ursach) dem einen vil / und dem anderen wenig geben. Sie sollen beobachten die Weiß / so die HH. Apostel in der ersten Christenheit beobachtet haben / von welchen geschrieben steht: Dividebatur singulis prout cuique opus fuerat:25 Man theilte aus / und gab einem jeglichen / was ihm noth ware. Eben dise Justitiam distributivam, oder austheilende Gerechtigkeiten haben die Ægyptier vor Zeiten in ihren Hierogliphicis durch die Abbildung einer Schwalbenvorgestellt.

Ferners die junge Schwalben werden blind gebohren / oder erblinden auch sonst zu Zeiten: da wissen aber die Alte trefflich wohl zu helffen; dann sie thun ihnen mit der so genannten Schell-Wurtz oder Schwalben-Kraut zum öffteren die Augen schmieren /und also werden sie sehend.26 Widerum wie Ælianus schreibt: Wann die Schaben oder Motten in die Schwalben-Nester kommen / und ihre Eyer oder Junge beschädigen wollen / da nimmt die Mutter etliche Blätter von Eppich oder Epheu / und legt selbe in das Nest / wordurch dise schädliche Thierlein darvon vertrieben und abgehalten werden. (Mercke Christlicher Leser / wie GOtt / als ein Urheber der Natur so wunderbarlich würcket in disen und anderen kleinen Geschöpfen) Endlich thun auch die alte Schwalben ihre Junge sorgsam zum Fliegen anweisen und lehren: und wann sie noch schwach / mitten im Flug verliegen wollen / thun sie ihnen[449] gleichsam unter die Arm greiffen und fort helffen.

Dergleichen Fleiß und Fürsichtigkeit sollen auch die Elteren in Auferziehung ihrer Kinder / und die Obere in Besorgung ihrer Untergebnen anwenden: Alle Menschen werden sittlicher Weiß blind zur Welt gebohren / das ist / gantz unwissend und unerfahren: Nun sollen die Elteren und Seelsorger derselben Augen / das ist / ihren Verstand zum öffteren mit dem Kraut heilsamer Lehr und Unterweisung bestreichen /und ihnen also das Gesicht geben / daß sie sehen was recht oder unrecht ist / was sie zu thun oder zu lassen haben. Sie sollen auch die Schaben oder Motten / ich will sagen / die böse Begierden und schädliche Gewohnheiten aus dem Nest / das ist / aus dem Hertzen der ihrigen vertreiben und abhalten durch den Eppich oder Epheu der guten Ermahnung und Bestraffung. Endlichen auch sie zu dem Fliegen gewöhnen und anweisen / das ist / zu GOTT und himmlischen Dingen sich erheben und aufschwingen lehrnen: oder zum Fliegen / das ist / zum Arbeiten / zum Studiren etc. anweisen / und wann sie erliegen wollen / ihnen fort helffen / mit Rath und That an die Hand gehen.

Was aber oben ist gemeldet worden / daß einige so kurtze / ja schier keine Füß haben / nemlich die Apodes oder Speir-Schwalben / und im Gehen nicht fortkönnen / aber desto besser fliegen können / durch dises werden uns angedeutet die gottseelige und geistreiche Männer / die schier keine Füß / das ist / schier keine irrdische Anmuthungen haben / und auf der Erden nicht wohl fort kommen / das ist / in weltlichen Händlen und Geschäfften wenig geübt und erfahren seynd: aber sie können desto stärcker und schneller fliegen / sie verstehen sich desto besser auf die himmlische Ding und göttliche Sachen.27 Deßwegen halten sie sich gar nicht gern auf der Erden / oder bey irrdischen Dingen auf / sondern sie schwingen sich in die Höhe mit den 2. Flüglen der Reinigkeit und Liebe GOTTES: Ihre Nahrung suchen sie in dem Lufft / als wie die Schwalben. Ihren Trost und Hertzens-Freud haben sie in der Höhe / und gantz nicht bey den irdischen Wollüsten. Dise sittliche Schwalben nisten wohl nicht ein in den baufälligen Häuseren / das ist /die steiffen und steuren sich gar nicht auf das unbeständige Glück / auf die Gunst und Gewogenheit grosser Herren / oder auf Guth und Geld / wohlwissend / daß dises alles ein zerbrechliches baufälliges Weesen ist.

Die Schwalben thun keinem anderen Vogel kein Leyd / und bleiben auch selbst von den Raub-Vöglen befreyt / sie wissen ihnen also aus zu weichen / daß sie von ihnen nicht erdappet werden. Eben also fromme Seelen beleidigen und beschädigen niemand / sie fangen keinen Streit an. Von den Raub-Vöglen den Teuflen und Bösen werden sie zwar angefochten und verfolgt / aber sie können ihnen nicht zu / und in der That nicht schaden. Dise geistliche Schwalben halten sich auch gern auf / wo es warm ist / ich will sagen /bey denjenigen / bey denen sie ein Inbrunst und Eyfer / ein Hitz der Lieb GOTTES und des Nechsten verspühren. Widerum die natürliche Schwalben seynd schwartz und weiß: Auch die Sittliche seynd schwartz wegen der Reu und Demuth / weiß aber / wegen der Unschuld und Reinigkeit.

Absonderlich ist noch an den Schwalben zu bemercken und zu bewunderen / daß sie aus Antrieb der Natur ihr Nest so sauber halten / und ihr Excrement, ihr Koth alles fleißig übers Nest hinaus werffen: Und durch dises erinneren sie uns / wie daß wir allen Koth oder Unflath der Sünden durch die Beicht und Buß von dem Nest unsers Hertzens und Gewissens sollen auswerffen / selbes rein und sauber zu halten. Billich wird das menschliche Hertz mit einem Vogel-Nest verglichen; dann gleichwie in disem die Eyer geleget /und junge Vögel ausgebrutet werden / also werden in jenem die gute und böse Gedancken und Vorsätz empfangen und ausgekochet etc.[450]

Der Heil. Chrysostomus macht ein Gleichnus zwischen den Prediger und Schwalben / und sagt: Gleichwie die alte Schwalben mit ihrem Mund die Speiß den Jungen in den Mund legen / also legt der Prediger mit seinem Mund die geistliche Lehr in die Ohren und in die Hertzen seiner Zuhörer: Jene speissen den Leib /diser die Seel / jene Speiß ist zerstöhrlich / dise unzerstöhrlich. Es werden auch unterschidliche Artzneyen von den Schwalben præparirt: absonderlich solle der so genannte Schwalben-Stein / den man zu gewissen Zeiten in ihnen findet / ein grosse Krafft haben.

Bißher hab ich Löbliches von den Schwalben gemeldt / doch ist es auch gewiß / daß die unnütze müßige Schwätzer und Plauderer / die jederman ein Klämperlein anhencken / die Leut ausrichten / und andere mit ihrem unruhig und geschwätzigen Maul vom Guten verhinderen / den Kopf und die Ohren anfüllen etc. daß / sage ich / dise füglich durch die Schwalben verstanden werden / als welche auch so manche Zeit müßig auf einem Balcken oder unter dem Fenster sitzen / und offt zu nicht wenigem Verdruß eines nach der Länge herab schwätzen.28 Wann mans von Weitem höret / so möcht einer vermeinen / sie hätten weiß nicht was für wichtige Zeitungen aus der neuen Welt zu erzehlen / wann mans aber recht in der Nähe höret / da ist es halt nichts als ein leeres Geschwätz / sie wissen selbst nicht was sie sagen. Es heißt da gemeiniglich bey solchen Schwätzeren: Multum clamoris & parum lanæ, viel im Maul und weniger in dem Hirn /vil Wort und wenig Werck. Absonderlich seynd die geschwätzige Plauderer denjenigen verdrüßlich und überlästig / welche mit wichtigen Geschäfften oder ernstlichen Gedancken umgehen. Gar recht hat Nicostratus gesprochen / wann vil und geschwind schwätzen ein Zeichen der Klugheit wäre / so wären gewiß die Schwalben vil gescheider als die Menschen. Zeno aber sagte zu einem geschwätzigen Jüngling: Deine Ohren haben sich in deine Zungen herab gesetzt / und wiederum die Natur hat uns darum zwey Ohren geben und nur einen Mund / auf daß wir mehr anhören als reden sollen. Die Laconier haben den Cresiphontem verworffen und abgeschafft / weil er sich gerühmt hat / daß er einen gantzen Tag lang von einer Sach reden könne. Hingegen Apolonius ein Welt-Weiser / als er gefragt wurde: Quinam hominum essent optimi, welches die beste Leuth seyen? gab er zur Antwort: Qui in dicendo sunt brevissimi, die es im Reden kurtz machen / die Geschwätzige aber / sagt er / wann sie das Reden so hart ankäme / als anderen das Zuhören /so würden sie gewiß nicht so vil Wort machen. Ein eitles Geschwätz ist ein Anzeichen eines eitlen Gemüths / sagt Hugo lib. de ani. Seneca aber / ex multiloquio pleráque oriuntur incommoda. Aus der Geschwätzigkeit kommen die mehriste Ubel und Unglück her. Ja endlichen der weise Salomon: In multiloquio non deerit peccatum, qui autem moderatur labia sua, prudentissimus est.29 Wo vil Wort seynd / da gehts ohne Sünd nicht ab / wer aber seine Lefzen mäßiget / der ist sehr klug.

Dem Frommen alten Tobias hat ein geschwätzige Schwalb einen groben Possen gethan / indem er ihm in dem Schlaff sein Koth auf die Augen hat herab fallen lassen / worvon er verblindet ist: aber nicht weniger schaden offt die geschwätzige Plauderer und Zungen-Trescher einem ehrlichen Mann / indem sie einen bald mit Schmeichlen und Heuchlen / bald mit Lügen und Betrügen verblenden und verführen / daß er nicht mehr siht / oder weiß woran er ist.30

Als einstens der Heil. Franciscus zu dem Volck ein Predig gehalten / da haben die Schwalben / die sich in der Nähe aufgehalten / ein solches Geschnader und Geschrey verführt / daß er nicht fortkommen kunte. Er hat sie also offentlich angeredt und gesprochen: Meine Schwesteren (er pflegte aus Demuth auch die unvernünfftige Thier seine Brüder oder Schwesteren zunennen / dahingegen[451] einige Herren und Frauen zu ihren Knecht- und Mägden / einem Eben-Bild GOttes / du Hund du Besti etc. Sagen dürffen) meine Schwesteren sagte er / ihr habt schon lang genug geschwätzt / lasset jetzt mich auch reden / und schweiget ein wenig still / biß daß ich das Wort GOttes vorgetragen: und siehe Wunder! auf einen Augenblick seynd sie alle still worden / und ruhig da gesessen /biß die Predig vollendet ware. Ein andermahl begab es sich / daß als ein gar erbarer Student zu Pariß emsig dem studiren oblage / da hat ihm eine Schwalb die Ohren also voll geschryen / daß er nicht fortkommen kundte / er sagte deßwegen zu seinen Gesellen: dieses ist einer von denjenigen Schwalben / die einstens den Heil. Franciscum vom Predigen verhinderet haben / biß daß er ihnen das Stillschweigen gebotten hat: Nun sagt er zu dem Schwalben / mit grossem Vertrauen / gebiet ich dir auch im Nahmen des Heil. Francisci schweige still / und komm zu mir her / welches auch der Vogel / als hätte er es verstanden / gehorsam vollzogen hat.

Der Spatz ist theils wegen seiner diebischen Art /massen er sich listig in die Scheuren und Traid-Kästen eintringt / und da in den Früchten vil schaden thut / theils wegen seinem schändlichen Geschrey oder Pfeiffen bey den Menschen zimmlich verhaßt und verachtet / auch anderen Vöglen nicht angenehm /absonderlich aber bey dem Schwalben verfeindet.31 Er ist von Natur ein gar unruhiger / gailer und gefräßiger Vogel / und lebt deßwegen gar nicht lang / nemlich insgemein nicht über 1. oder 2. Jahr (und diese Laster kürtzen auch dem Menschen das Leben mercklich ab) er pflegt so wohl im Sand als im Wasser sich zubaden oder zuschwaderen / und ist gar fruchtbar /hat in einem Jahr 2. oder 3. mahl junge. Der Spatz ist so listig / daß er nahe bey den Leuthen nistet an den Häusern und Thürnen / um desto sicherer zu seyn von Nachstellung unterschidlicher Thier: aber er macht ihm kein Bedencken auch in einem fremden Hauß /daß er nicht gebaut hat / nemlich in den Schwalben-Nestern sich eigenmächtig einzuquartiren / deßwegen auch die Schwaben und Spatzen öffters miteinander kriegen. Ein glaubwürdiger Scribent erzehlet / daß er einstens einem solchen Streit zugesehen habe: als einige Schwalben / sagte er / in dem Frühling ankommen / und ihr altes Nest beziehen wolten / da haben sie sehen müssen / daß selbiges von den Spatzen occupirt und eingenommen seye.32 Daß schmertzte sie sehr / sie bemüheten sich äuserist die Spatzen abzutreiben und zuverjagen: weil sie aber nichts ausrichten kunten / so haben sie durch ihr Geschnader vil andere Schwalben versammlet und herbey geruffen / dise haben einhellig in ihren Schnäblen Koth oder Letten zugetragen / und den Eingang an demselben Nest also verkleibt / verstopfft und verschlossen / daß die Spatzen auf keine Weiß haben mehr heraus können / sondern darinn haben crepiren müssen. Uber ein Zeitlang haben die Schwalben das Nest wiederum eröffnet /haben die todte Spatzen heraus gezogen / und seynd als rechtmäßige Besitzer wiederum eingezogen. Also nemhlich gereicht das ungerechte Gut / so man besitzet / einem manchen zu dem Untergang / der vermeynt hat / sein Aufkommen darmit zubeförderen.

Besser gelingt einer gewissen Art Spatzen ihr Arglistigkeit in den Occidentalischen-Indien in den Wälderen wider die wilden Katzen / welche den Vögel-Nesteren begierig nachstellen / und ihnen die Junge oder Eyer wegfressen. Selbe Katzen halten sich mehrentheils auf den Bäumen auf / und springen von einem Baum auf den anderen als wie die Eichhörnlein / die Spatzen aber vor solcher Gefahr sich zuschützen nehmen in Obacht / wo ein Baum stehe / der nit so nah bey dem anderen ist / daß die wilde Katzen darauf springen möchten / sondern etwas entfernet / auf selben bauen sie ihre Nester folgender Gestalt / sie richten es zu in einer langlächten Form / unten weit /obenher[452] aber so eng / daß nur der Vogel kömmentlich aus und ein kan: dise Nester hangen sie an rauchen stechenden Aesten an / damit so etwann die Katz von unten hinauf klimmen wolte / die Stachel oder Dörner sie in die Füß stechen und vom Angriff verhinderen: und wann auch dieses nicht genug wäre / so ist doch daß Nest samt den Jungen so tief im Sack darunten /daß die wilde Katz selbe mit den Tatzen und Klauen nicht erreichen kan / und also bleiben die belagerte Spatzen sicher / ihr Feind aber / die wilde Katz muß mit lerem Bauch wieder abziehen.

Noch ein andere Art Spatzen gibt es in selben Länderen / welchen auch die wilde Katzen nachstreben: aber diese Vögel seynd ihnen vil zugescheid; dann sie machen ihre Nester auf den Baum-Aesten / die ober einem Wasser hinein hangen: wann dann die Katz kommt / den Baum besteigt / und sich auf den Ast oder das Zweig hinaus lasset / da trucket sie mit ihrer Schweere den Ast nider / er biegt sich samt dem Nest biß in das Wasser hinab / welches der Katz gar nicht anständig ist / und lieber das Vogel-Essen bleiben lasset / als daß sie sich in das Wasser hinein ließ /wann sie aber widerum fort / ist da schwingt sich der Ast oder Zweig samt dem Vogel-Nest von sich selbsten wiederum in die Höhe / und die Spatzen bleiben in salvo.

Wer hat nun diesen Thierlein solchen List und Fürsichtigkeit gelehrt? Tua est Providentia Pater, niemand anders als die Göttliche Fürsorg des Erschaffers / der alle seine Geschöpf so klug und liebreich regirt.

Wie ich lise / so soll es in Holland wegen denen Früchten / die da zum Bier-Sieden gewidmet werden /ein solche Menge Spatzen geben / daß öffters in einem Tag nur in einem Korn-Hauß etliche Hundert gefangen werden. In Medien aber haben sie einstens also überhand / und so vil Getreyt oder Saamen auf dem Feld gestohlen / und aufgefressen / daß die Inwohner genöthiget worden / dasselbe Land zuverlassen / und einen anderen Wohn-Sitz zusuchen. Sonsten seynd die Spatzen sehr forchtsam / also / daß sie zum öffteren auch vom Schlaff auferwachen / wohl erkennend / daß sie mit keinen natürlichen Waffen sich zu beschützen / versehen seynd.33 Aber billich sollen sich die Menschen derowegen schämen / daß sie so sorglos und unfürsichtig seynd in Bewahrung ihrer Seelen-Heil vor den ewigen Gefahren / indem sie sehen / daß diese Vögelein ihre Nester und Junge so sorgfältig und fleißig vor ihren Feinden zubeschützen wissen.

Man hat auch von den Spatzen ein Exempel der brüderlichen Liebe zunehmen: dan sie seynd also genaturt / daß sie auch der Fremden oder ihrer Nachbaren Jungen hülffreich beyspringen / sie speisen helffen / ja auch neben ihren älteren sie begleiten / wann sie anfangen auszufliegen / um ihnen zu helffen / wann sie etwann nicht solten fortkommen können.34 Sie seynd nicht so eigennützig als wie offtermahls die Menschen / sondern sie gönnen einander etwas gutes. Als einstens ein Baur einen Sack voll Haber auf einem Esel über Feld führte / der Sack aber ein Loch bekam / und vil Haber verschüttet wurde / da hat ein Spatz / der solches gesehen / diesen Zufall ihm nicht allein zu Nutz gemacht / oder allein ihm die Haut voll gefressen / sondern er ist eilends in das nechst-gelegene Dorf geflogen / und hat mit seinem pfeiffen und schreyen den anderen Spatzen ein Zeichen geben / sie sollen ihm eilends nachfolgen / es gebe da etwas zuschmausiren ab: er hat ein gantze Schaar Spatzen mit ihm gebracht / und da haben sie erst insgesamt ab dem verschütteten Haber Mahlzeit gehalten. Ein mancher geitziger Mensch hätte dieses wohl nicht gethan /sondern wann er einen Schatz gefunden hätte / wäre er froh / wann es nur niemand sehen thät / mit dem er theilen müst.

Ubrigens ist der Spatz kein so schlechter Vogel /als etwann einer ihm einbilden möchte / es wird fleißig seiner in der Heil. Schrifft gedenckt / dann aus Göttlichem Befehl haben[453] im alten Testament bey der Reinigung eines Aussätzigen zwey Spatzen in dem Tempel müssen geopfert werden.35 In dem Evangelio aber wird austrücklich gemeld / daß die Spatzen in gutem Angedencken seyen bey GOtt / und daß keiner auf die Erden fallen werde ohne Willen und Verordnung des himmlischen Vatters.36

Es mögen auch freylich die Seelen der Gerechten mit den Spatzen verglichen / und von diesen verstanden werden / was David in den Psalmen gesprochen: Passer invenit sibi Domum.37 Der Spatz hat ihm ein Hauß gefunden. wann der Spatz etwann ein Loch oder Höhle in einer Maur find / da hat er ein grosse Freud / die er mit pfeiffen und schreyen zuverstehen gibt / er wohnt mit Lust darinn / weilen er sicher zu seyn glaubt vor denen Raub-Vöglen / und vor den Schlangen. Eben also die sittliche Spatzen /die Seelen der Gerechten / wann sie durch anmuthige Betrachtung finden foramina petræ, cavernam maceriæ, die Felßen-Löcher / die Stein-Ritzen das ist /die H.H. Wunden Christi / da haben sie die gröste Freud darab / welche Freud sie mit lauter Stimm des Wort GOttes erklären: da wohnen sie mit Trost und Freuden / weil sie wissen / daß sie sicher seynd vor denen höllischen Raub-Vöglen und Schlangen etc. Noch grösser wird die Freud seyn / wann es heisset: Passer invenit sibi Domum. Der Spatz / die Seel des Gerechten / hat ihm ein Hauß gefunden. Und zwar dasjenige Hauß / welches nicht von irrdischen Händen aus Stein und Holtz nicht auf der Erden erbaut ist / sondern auf den ewigen Bergen gegründet.38

Quelle:
Kobolt, Willibald: Die Groß- und Kleine Welt, Natürlich-Sittlich- und Politischer Weiß zum Lust und Nutzen vorgestellt [...]. Augsburg 1738, S. 448-454.
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