Gewitter und Selma

Grevesmühlen. 1775.


Wetterträchtig Gewölk hänget vom Scheitelpunkt

Tief, und schwillet und sinkt. Berstend ergeußt sein Bauch

Ströme stygischen Schwefels

Auf die blumige Frühlingsflur.


Und die blumige Flur bebet, und, ach! der Halm

Senkt sein traurendes Haupt. Blumen, erst aufgeblüht,

Schlägt der wandelnde Orkan

Tief zurück in der Mutter Schooß.
[3]

So, ach! blühete mir Selma, wie Morgenroth,

Jung und lieblich und sanft. Aber ein Gräbersturm

Schlug das blühende Mädchen

Tief zurück in der Mutter Schooß.


Selma, Selma ist hin! – Dunkle Gewitternacht

Schwille, birste, und triff Fluren, Blum' und Halm,

Triff auch mich, und ich fliege

Hoch im Wetter hinauf zu ihr! –


Quelle:
Ludwig Gotthard Kosegarten: Dichtungen. Band 6, Greifswald 1824, S. 3-4.
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Gedichte
Anthologie aus den Gedichten von Ludwig Theobul Kosegarten