Klage um Lotte von Platen

[212] 1782.


Rose, Rose, wie dem Sturm gefallen!

Wie so plötzlich! Duft – und lebenleer

Schmachtest du im Staube. Traurig wallen

Deine welken Blätter um dich her.


Und du warst so lieblich! warst so milde!

Herrlich perlt' auf dir der Morgenthau!

Keine Rose glich dir im Gefilde!

Keine Blum' auf weiter Blumenau!


Dein Düfte wallten durch den Garten,

Hauchten Wohlgerüche durch die Luft.

Wandrer, die vorübergingen, harrten,

Athmeten der Blume süßen Duft.
[213]

Freundlich that der Sonne Strahl ihr kosen,

Und Aurora weine früh und spat

Auf die schönste, rötheste der Rosen,

Die der Sturm nun abgebrochen hat.


Wild und grausam hat er sie entblättert,

Ihre Krone hat er abgerast.

Alle ihre Zier ist abgewettert.

Alle ihre Farb' und Frisch' erblass't.


All' ihr süßer Duft ist ausgegossen.

Ihre Blätter wehn im Wind' einher –

Zwar den Mutterstamm, dem sie entsprossen,

Schmücken noch der edeln Knospen mehr;


Aber von den zarten Knospen allen,

War die frühste, reifste, liebste sie!

Und die Eine ist dem Sturm gefallen!

O du Wüther, warum? warum die?
[214]

Zwar, es ist das Loos der Erdenschöne,

Zu verfliegen, wie der Thau verfliegt,

Den die Sonne weg leckt, wie die Thräne

In den Staub, darein sie sank, versiegt.


Und was wegwelkt aus den Erdenthalen

Schwindet darum nicht aus Gottes Welt.

Nicht des Morgenroths verstrahlte Strahlen,

Nicht die Blume, die zu Staub zerfällt,


Nicht die Asche ausgebrannter Sonnen,

Nicht die Düfte, die der Ros' entwehn,

Nicht das Fädchen, das vom Wurm gesponnen

In der Luft verflattert, mag vergehn!


Mag nicht schwinden aus dem großen Alle!

Geht nicht gar verlohren! – Klein und groß,

Hauch des Würmchens, Staub der Weltenballe

Wahret Gott in seinem treuen Schooß.
[215]

Und o Wonn'! o Tröstung! Jedes Staubes

Harrt ein großer Wiederbringungstag!

Frischer Saft durchströmt des welken Laubes

Eingeschrumpfte Röhren. Dürr Gebein wird wach!


Morgenröthen, welche hier verstrahlen,

Blüh'n in schöner'n Welten schöner auf!

Lieder hie erstummter Nachtigallen

Weckt ein ew'ger Mai in Eden auf – –


Und du Blume, die wir heut beweinen,

Die du daliegst, deiner Zier beraubt,

Schöne Blume, hebst in Edens Hainen

Herrlicher als hier dein sonnig Haupt.


Ach es war dir in der Erde Lüften

Viel zu rauh! Drum welktest du so früh.

Hoch im Himmel sollst du blüh'n und düften,

Darum pflückte dich der Tod so früh.
[216]

Schlummr' in Frieden! Wehmuth, Sehnsucht, Kummer

Blickt dir unser weinend Auge nach.

Schlummr' in Frieden! Und erwach' vom Schlummer

An der Allvollendung großem Gottestag.


Quelle:
Ludwig Gotthard Kosegarten: Dichtungen. Band 6, Greifswald 1824, S. 212-217.
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