Die zwölf Gebote

[146] Ein Krieger-Codex.


Vernimm die zwölf Gebote,

Die Gott dem Kriegsmann gab,

Und füge dich dem Gotte,

Und folg' ihm bis ans Grab!


Du sollt von Herzen lieben

Gott und den Bruder dein;

Den Feind sollt du betrüben,

Dem Freunde freundlich seyn!


Du sollt auf Hut und Wache,

Auf Zahl und Zeug nicht bau'n;

Du sollt der guten Sache

Und deinem Recht vertrau'n!
[147]

Fürchten sollt du gar kindlich

Den Feldherrn, der gebeut.

Dem Feind' unüberwindlich

Ist, wer den Feldherrn scheu't.


Den Bürger und den Bauer

Sollt du in Ehren ha'n;

Und sollt wie Wall und Mauer

Vor Heerd und Altar stahn!


Heilig sey dir vor allen

Der Frau'n und Jungfrau'n Zucht;

Denn nichts mag Gott gefallen,

Was schamlos und verrucht!


Du sollt ein Leu mit Leuen,

Ein Lamm mit Lämmern seyn.

Ein Wetterstrahl im Freien,

Daheim wie Sonnenschein!
[148]

Du sollt kein Held im Prahlen,

Nicht keck seyn mit dem Maul!

Mit Thaten sollt du zahlen.

Wer schwätzt' wird hohl und faul.


Du sollt den Feind nicht lästern,

Baß kleiden Maß und Glimpf.

Der Feind ist nicht seit gestern

Geübt auf Ernst und Schimpf.


Du sollt den Feind nicht richten!

Ihn richten darf nur Gott!

Dir ziemt ihn zu vernichten,

Magst du's, mit Kraut und Loth.


Du sollt in frommen Sprüchen

Nicht sprudeln Gift und Gall;

Gebet stimmt nicht zu Flüchen,

Christ nicht zu Belial!
[149]

Trag nicht das Kreuz im Munde,

Trag's nicht auf Hut und Latz;

Heimlich ins Herzens Grunde

Trag den verborg'nen Schatz!


Und gilt es nun, ihr Brüder,

Zieht hin dann! Schaut nicht um!

Wer's Leben wagt, kommt wieder,

Wer's Leben spart, kommt um.


Dieß sind die zwölf Gebote,

Gegeben von dem Gott.

So du nun folgst dem Gotte,

So schadet dir kein Tod.


Quelle:
Ludwig Gotthard Kosegarten: Dichtungen. Band 7, Greifswald 1824, S. 146-150.
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