Dritte Scene.


[176] Hans aus der andern Seitenthür. Malchen.


HANS im Jagdkleid mit der Flinte. Guten Morgen, liebe Cousine.

MALCHEN. Guten Morgen, Vetter. Wissen Sie schon, daß Ihr Bruder gleich hier sein wird?

HANS. Mein Bruder? wirklich? o, das ist schön!

MALCHEN. Unsere Eltern sind schon hinunter ihm entgegen.

HANS. Wie wird die gute Mutter sich freuen! O, das ist recht schön! Nun darf sie nicht mehr klagen, daß sie keine Stütze hat, weil ich so dumm bin, und nichts lernen kann.

MALCHEN. Ei, Vetter, das hat sie nie gesagt.

HANS. Gesagt wohl nicht, aber es ist doch wahr. O, ich fühle es recht gut, daß ich nur ein simpler Mensch bin. Ich meine es wohl gut, aber ich kann es nicht so von mir geben. Wenn zuweilen ein Brief von meinem Bruder vorgelesen wird, und ich verstehe kein Wort davon, da muß ich manchmal fortgehen und mich schämen.

MALCHEN. Sie sind ein braver Mensch, Vetter, Sie brauchen sich nicht zu schämen.

HANS. Ach, liebe Cousine! ich kann ja so gar nichts für meine alte Mutter thun! Die Jägerei hab' ich freilich gelernt, aber was hilft das? Alle Dienste sind besetzt; ich verstehe mich auch nicht zu präsentiren; schwatzen kann ich vollends gar nicht, und so bleib' ich sitzen. Ach! Sie glauben nicht, wie mich, das schmerzt, daß ich meiner Mutter und dem Oheim so auf dem Halse liege. Nun, Gottlob! Der Bruder ist wieder da! der wird Geheimde-Rath werden,[177] oder so etwas; der wird der Mutter ein sorgenfreies Alter verschaffen; und da werde ich ihn recht lieb haben. Alle werden ihn lieb haben, weit mehr als mich, aber ich will ihn nicht beneiden, er ist ja mein guter Bruder, und nun werden Sie ihn heirathen, nicht wahr?

MALCHEN. Vermuthlich.

HANS. Sehen Sie, das ist ein großes Glück, denn sind gar ein wackeres Mädchen. Was man doch glücklich ist, wenn man Verstand hat!

MALCHEN. Nicht immer.

HANS. Ja, wenn ich auch so ein gescheiter Kerl geworden wäre, wahrlich, liebe Cousine, Sie hätte ich mir nicht nehmen lassen.

MALCHEN. Mich?

HANS. Werden Sie nur nicht böse, daß ich es so gerade heraussage; ich habe Sie sehr lieb – sehr lieb!

MALCHEN. Ich Sie auch.

HANS. Ja. Sie sind mir wohl gut, Sie haben Mitleid mit mir; aber ich – mein Leben könnt' ich für Sie lassen.

MALCHEN. Guter Vetter.

HANS. Nun, es ist nun einmal so. Wir können ja nicht alle klug sein, und der Klügste muß die Beste haben, von Rechts wegen. In Zukunft werde ich Sie Schwester nennen, nicht wahr?

MALCHEN. Lieber Bruder!

HANS. Und Sie und Karl werden mich noch ein wenig zustutzen, was sich so eben hinein bringen läßt; viel wird es nicht sein, aber freuen werde ich mich über Ihr Glück, das brauchen Sie nicht erst hinein zu bringen, das ist schon hier in meinem Herzen.[178]

MALCHEN. Sie müssen dann auch ein gutes Mädchen heirathen.

HANS. Beileibe nicht! wenn ich nur immer mit Ihnen sein kann, bei Ihnen bin ich am liebsten. Jetzt muß ich gehen. Der Fürst jagt in unserm Forste. Es thut mir leid, daß ich meinen Bruder nicht empfangen kann. Sagen Sie ihm das. Es thut mir recht leid. Er soll d'rum nicht denken, daß ich ihn weniger liebe, oder daß ich etwa gar – neidisch auf ihn wäre. Nein, der Oheim hat's befohlen. Ich muß in den Wald. Adieu, liebe Cousine! – Bewegt. Adieu, liebe Schwester! Ab durch den Garten.

MALCHEN allein – ihm nachsehend. Guter Mensch! wer weiß, ob Karl mich liebt, wie du. Ab durch die Seitenthür, aus welchger Hans kam.


Quelle:
August von Kotzebue: Theater. Leipzig und Wien 1840, S. 176-179.
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