Zwölfte Szene


[342] Vorige – Graf tritt eben mit dem Schawl heraus, da der Kuß gegeben wird.


GRAF. So? Vortrefflich! Ernestine schreit und läuft davon; Adolph tritt etwas verlegen zurück, und reißt sich geschwind die linke Manschette ab. Ich dachte, du wärst schon im Prater?

ADOLPH. Ich wollte soeben –

GRAF. Ist das schicklich? – In des Vaters Vorzimmer?

ADOLPH. Verzeihen Sie, lieber Papa!

GRAF. Meinst du, daß bei mir solche Dinge vorgehen?

ADOLPH. Ich wollte nur –

GRAF. Deine Tante schickt das unschuldige Mädchen da herüber, weil sie weiß, bei mir geht alles anständig zu, und weil sie nicht vermuten kann, daß der Herr Windbeutel von Sohn nicht einmal seines Vaters Zimmer verschont.

ADOLPH. Ich hatte mir da eben eine Manschette zerrissen und wollte Tinchen bitten, sie wieder anzunähen.

GRAF. So? Allerliebst! Ein Kuß ist doch keine Nähnadel? Reißt ihm unwillig die Manschette aus der Hand. Ei, ei mein Sohn! Das ist nicht delikat, sich mit Kammermädchen abzugeben! Hast du jemals dergleichen von mir gesehen?

ADOLPH. Ich bitte um Verzeihung – ich werde mich in Zukunft hüten. – Vielleicht hatten der gnädige Herr Vater einen Auftrag an die gnädige Tante, – und nun ist das dumme Mädchen fortgelaufen – vielleicht wollten Sie ihr eben diesen Schawl übersenden?

GRAF verlegen. Nun freilich – freilich wollt' ich das.

ADOLPH. O so erlauben Sie, daß ich –

GRAF. Nein, nein, es hat Zeit.

ADOLPH. Ich bitte – ich würde untröstlich sein, – lassen Sie mich wenigstens meine Etourderie in etwas wiedergutmachen. Die gnädige Tante will ausfahren – es ist kühl, – sie wird den Schawl nötig haben. Ich fliege zu ihr!


Nimmt den Schawl halb mit Gewalt und läuft davon.


GRAF bleibt stehen und betrachtet die Manschette. Verdammter Bube! Küßt das Mädchen, – bringt den Schawl meiner alten Schwester, und läßt mir eine zerrissene Manschette!


Ende des ersten Akts.
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Quelle:
August von Kotzebue: Schauspiele. Frankfurt a.M. 1972, S. 342-343.
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