Vierter Auftritt


[20] Baronin in Männerkleidern, tritt von der entgegengesetzten Seite auf.


Nr. 3. Arie


Auf des Lebens raschen Wogen

Fliegt mein Schifflein leicht dahin,

Keine Wolk' am Himmelsbogen

Trübet mir den heitern Sinn;

Denn mein Heute gleicht dem Gestern,

Fessellos sind Herz und Hand,[20]

Darum, meine trauten Schwestern,

Lob' ich mir den Witwenstand.


Mein Gemahl, Gott hab' ihn selig,

War zuerst so übel nicht,

Fein, galant, jedoch allmählich

Zeigt er sich in anderm Licht.

Stolz, gebietrisch, eifersüchtig,

Liebt' er Pferde nur und Jagd;

Darum hat die kurze Ehe

Wenig Freuden mir gebracht.

Auf des Lebens raschen Wogen usw.


Zwar mag es im Ehstand geben

Oft auch hellen Sonnenschein,

Ja, bei ein'gen soll's ein Leben

Wie im Paradiese sein.

An der Hand des liebenden Gatten

Durchs Leben eilen, die Sorgen teilen

So wie die Lust, an seiner Brust

Das ganze Dasein ihm nur weihn –

Oh, es muß schön, muß herrlich sein!

Herz, gib dich zufrieden, solch Glück wär' zu groß!

Ward mir doch beschieden ein ruhiges Los!

Ja, auf des Lebens raschen Wogen usw.


Quelle:
Albert Lortzing: Der Wildschütz oder Die Stimme der Natur. Nach Kotzebue frei bearbeitet, Stuttgart 1969, S. 20-21.
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