Fünfter Auftritt


[21] Baronin. Nanette, ebenfalls in Männerkleidern.


NANETTE. Der Kutscher hat ausgespannt und füttert die Pferde.

BARONIN. Er mag sich Zeit nehmen, denn ich bin entschlossen, zu Fuße nach dem Schlosse zu wandern.

NANETTE. Und werden wir dort unsere Mummerei ablegen?

BARONIN. Das kommt darauf an – sobald wohl noch nicht.

NANETTE. Ach, gnädige Frau, es wird nicht lange[21] währen, so entdeckt man, daß wir keine Herren der Schöpfung sind.

BARONIN. Gesetzt auch, man argwöhnte, ich sei ein Frauenzimmer, so weiß man doch immer nicht, welches. Mein Bruder hat mich seit meiner Kindheit nicht gesehen.

NANETTE. Erwartet aber Ihre Ankunft.

BARONIN. Gelingt es mir nur, einen Tag ihn zu täuschen, nur bis ich den mir bestimmten Herrn Bräutigam gesehen.

NANETTE. Aha! Sie wollen ihn unerkannt prüfen.

BARONIN. Prüfen? Wozu? Die Männer gleichen sich alle auf ein Haar, und heiraten werde ich ihn auf keinen Fall.

NANETTE. Ei, wenn Sie wirklich so fest entschlossen waren, ihn zu verschmähen, warum blieben Sie nicht zu Hause und erklärten ihm schriftlich Ihre Willensmeinung?

BARONIN. Das Verlangen, meinen Bruder an seinem Geburtstage zu überraschen, meine Schwägerin kennenzulernen, und dann – ein wenig Neugier: man macht so viel Rühmens von diesem Baron Kronthal.

NANETTE. Oh, wenn Sie neugierig sind, so darf ich auch noch hoffen. Warum wollten Sie auch bei Jugend, Schönheit und Reichtum sich in den Witwenschleier wickeln, bloß weil Ihr verstorbener Gemahl nicht liebenswürdig war?

BARONIN. Nicht deswegen, sondern weil die Männer meines Standes heutzutage alle nichts taugen.

NANETTE. Dann nähme ich mir einen Bürgerlichen.

BARONIN. Nimmermehr! Du kennst meine Grundsätze.

NANETTE. Wenn es sich aber einmal träfe, daß ein Bürgerlicher einen adligen Eindruck auf Sie machte –

BARONIN. Genug davon, laß uns unsere Wallfahrt antreten.

NANETTE. Aber es wird bald dunkel, wenn wir nur den Weg nicht verfehlen –

BARONIN. Da kommen Leute, die wir fragen können.[22]


Quelle:
Albert Lortzing: Der Wildschütz oder Die Stimme der Natur. Nach Kotzebue frei bearbeitet, Stuttgart 1969, S. 21-23.
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