Scena II.

[18] Lucifer, Satan, Athanatus, Rapax, Happa.


LUCIFER.

Heran, ir lieben gsellen, hran,

und hört, was ich werd zeigen an!

SATAN.

Hie kommen wir nach deim geheiß

und wolln dich hören all mit fleiß.

LUCIFER.

Hört fleißig, was ich sagen wil,

es ist uns dran gelegen vil.

weil wir nun han versehn die schanz

und seind hieher verstoßen ganz,

am himmel haben keinen teil,

uns widerfaren mag kein heil,[18]

sondern hie ewig bleiben müßen

samt allen unsern mitgenoßen

und anfangen ein neues reich,

so wolt ir raten allzugleich,

wie im doch wol zu helfen wer,

das unser würden mer und mer

und wir nicht dürften gar allein

erleiden solche schrecklich pein;

dann es ser tröstlich ist fürwar,

gesellen haben in gefar.

darzu so gebs vil ungemach,

wann unser reich solt bleibn so schwach;

man möcht uns stürmen unser schloß,

so stünden wir mit schanden bloß.

es ist doch nun geschehen schon,

das keiner in den himmel kan.

drumb ratet zu das aller best,

wie unser reich bestünde fest.

RAPAX.

Ei, all ding wil ein anfang han;

laßts uns aufs beste greifen an.

im himmel seind der engel vil,

und wanns anfiengen solches spil

als wir, so müsten sie zu uns;

villeicht gets an durch unser kunst.

LUCIFER.

Vom himmel wird uns keiner mer,

als die mit uns seind kommen her.

SATAN.

Ho, Rapax! kanst nicht beßer raten?

vom himmel wird uns mer kein braten.

jedoch sol unser reich besten

und nicht so bald zu trümmern gen,

so müßen wirs vil anders machen.

ir etlich solln das schloß bewachen,[19]

du, Lucifer, must könig sein,

uns alln gebieten in gemein,

was jederman verrichten sol;

darzu so stünd es leiden wol,

das richtig ordnung wird gehalten,

könt niemand unser reich zerspalten.

gehorsam muß auch sein darbei,

das unser aller wille sei,

was Lucifer gebieten tut,

das muß sein alles recht und gut,

und keiner sich dawider legn,

als treue knecht zu tune pflegn,

eins teils die helle fein warm heizen;

den menschen wil ich wol anreizen,

das er tu wider Gotts gebot;

so bring ichs all in dise not.

Got hat den menschen und sein weib,

die er im schuf aus seinem leib,

gesetzet in das paradeis,

und in verboten, ich wol weiß,

ser hart, das er bei leibe nicht

etwas vom baum des lebens bricht,

viel weniger darvon sol eßen.

so könt ich mich noch wol vermeßen,

das ichs weib dahin bringen wolt,

vom selben baum sie eßen solt.

und Got sprach, wann sies würden tun,

solt sein der ewig tot ir lon.

ich wil versuchen meine list,

dann das weib sonst fürwitzig ist,

und hoff, es sol mir wol gelingen,

das ich sie mög zum abfall bringen.

wil an mich nemen schlangen gstalt

und sie bereden manigfalt,

wie süß die frucht sei von dem baum,

so wird sies unterlaßen kaum,

das sie nicht ißet nach meim wort,

zuvoraus wann sie von mir hort,[20]

das diser baum hab große kraft,

dem menschen große klugheit schafft,

wer davon ißet, werd Got gleich.

wann ich mit solcher red herschleich,

sprech, es sei Got kein ernst gewest,

fürwar sie sich bereden leßt;

und wann ich solches ausgericht,

so seinds dem ewign tot verpflicht,

als wir, und kommen nicht zu gnaden,

han Gottes zorn auf sich geladen;

dann Got der vater ist gerecht,

zu uns muß das ganz menschlich gschlecht

und ewig mit verdammet sein;

so wer das reich gemeret fein,

und wann es euch also gefiel,

ich ließ mich brauchen zu dem spil.

LUCIFER.

Ich sag es euch fürwar gewiss,

das ich mit einem langen spieß

den rat bei dir nicht het gesucht.

richt aus, so ist der mensch verflucht.

du bist der aller beste man,

den wir in unserm reiche han,

on dich wir gar nichts könten schaffen;

du solt die andern alle strafen,

wer nicht wird tun was dir gefellt,

darzu wil ich dich han bestellt.

ATHANATUS.

Ich bin ja auch der schlimmste nicht;

so schlecht mich einer hie ansicht,

kan ich noch zelen mer als drei;

laß sehn, wer noch der beste sei.

wo einer komt in mein gewalt,

den laß ich nicht entgehen bald.

er muß herhalten, wie ein bock,

und geh er mir gleich tausent schock.[21]

LUCIFER.

Du bist fürwar ein tapfrer helt,

der seinen dienst recht wol bestellt.

an dir uns allen wol genügt;

hilf weidlich, das die sach sich fügt.

HAPPA.

Ich wil noch einem bieten trutz,

der unserm reich schafft so vil nutz,

als ich, mein lieber Lucifer!

SATAN.

Ei, tülpel, kanstu nicht sprechen: herr?

und weist, das er der könig ist,

dem er gebürt zu jeder frist.

HAPPA.

Ich kan nicht vil kramanzens machen

und rede gleich zu von der sachen,

ein postbot kan nicht reverenz;

darzu bin ich bestellet ganz,

zu laufen hin und wider her

und euch zu bringen neue mer,

welchs ich ausricht aufs aller best,

und bin kein mal noch seumig gwest,

sondern das mein gar wol bestellt,

und was gschicht in der ganzen welt,

das kan ich alles fein erfaren,

drumb halt mich keiner für ein narren.

SATAN.

Hei, welcher teufel schilt dich dann?

halts maul und sag nichts mer darvon.

man hat zu reden solche ding,

die nicht zu schetzen seind gering,

daran uns allen ist gelegen;

unnötig red laß unterwegen.[22]

nun, könig und herr Lucifer,

wil ich nach deinem ernsten bger

hin zu Adam und Eva gan;

laß sehn, was ich ausrichten kan.

der tot muß sein von mir nicht weit,

aus das wann uns geriet die beut,

und kemen beid in sein gewalt,

er sie alsdann herfüret bald.

LUCIFER.

Athanate, ge mit im hin.

wann ir beid bringet den gewin,

solt ir nechst neben mir hie sitzen,

an disem ort kan man fein schwitzen,

solt mit mir haben gleiche er.

ATHANATUS.

Gar gern ichs tu, mein lieber herr;

die sach wir wollen wol verrichten.

SATAN.

Mit falscher list und lügen dichten

werd ich ein meister billich gnant

und wil fürbringen solchen tant,

als niemals ist erhöret wordn,

das ich sie bring in unsern ordn.


Satan und Athanatus gen weg.


LUCIFER.

Der Satan ist ein treuer knecht,

er weiß es anzugeben recht,

was unserm reiche nötig ist;

sein list ist über alle list.

du, Rapax, must auch wacker sein,

dich tummeln wie die andern fein.

RAPAX.

Wann ich nur wist, was anzufangen,

dadurch ich möchte er erlangen,

ich wolt mich gern gebrauchen lan![23]

HAPPA.

Ich kan mich halten wie ein man.

das müst ein fauler teufel sein,

der nichts brecht in die hell herein!

LUCIFER.

Hui, Happa, lauf bald hinter her

und bring uns eilends neue mer,

was Satan und der tot geschafft.

HAPPA.

Des Satans wort hat große kraft;

es schlegt im gar kein handel feil.

bewaret ir die hell dieweil.


Leuft damit weg und bleibt Rapax bei Lucifer sten.


Quelle:
Schauspiele aus dem sechzehnten Jahrhundert. Leipzig 1868, S. 18-24.
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