Fünfter Auftritt.

[18] Cathrine, Peter.


PETER für sich. Ich soll Cathrinen noch heute Abend die Ehe versprechen? eine freye Hochzeit?[18] 100 Rthlr? das ist ganz gut. Aber: Ich habe Cathrinen, – – es ist eine Zote. Ich will ein Schelm seyn, das ist ein Pastorstückgen, da steckt was anders hinter; ich muß Cathrinen ausfragen.

CATHRINE. Nun, Peter, was fehlt dir? was murmelst du bey dir selbst? Verdrießt es dich, daß du mich heyrathen solst? oder hast du dich auf ein Lied bedacht? Ich singe gewiß nicht mit, Peter, das sag ich dir.

PETER. Mein allerliebstes Cathringen, ich bin vor Freuden ausser mir. Dich, und 100 Rthlr. dazu? bin ich nicht glücklich? Aber wie ist denn unser Herr auf einmahl so freygebig geworden? heut war ich sein lieber Peter, sonst Flegel und Tagedieb.

CATHRINE. Dazu hat er seine ganz besondre Ursachen, er muß wohl.

PETER. Du weißt doch wohl, was er für Ursachen dazu hat?

CATHRINE. Ich weiß es so gut, als er selbst.

PETER. So wirst du sie mir doch auch offenbahren.

CATHRINE. Warum nicht? aber du mußt warten, bis nach der Hochzeit.

PETER. Ich bin zu neugierig, so lange kan ich unmöglich warten.

CATHRINE. Die Ursachen sind aber nicht so angenehm, daß sie dich erfreuen werden.

PETER. Sie mögen seyn, wie sie wollen; ich muß sie wissen, Cathringen, oder ich sterbe vor Ungedult.[19]

CATHRINE. Verlange sie nicht zu wissen, sie werden dich verdriessen.

PETER. Ey zum – – desto eher muß ich sie wissen.

CATHRINE. Desto weniger kan ich sie dir aber sagen.

PETER. Ich mußte ja ein rechter Pinsel seyn, wann ich nicht mit allem Ernste darnach forschte.

CATHRINE. Und ich müste allen Verstand verlohren haben, wenn ich sie dir sagte.

PETER. Nun, so mag ich dich mit samt den Ursachen, und den 100 Thalern nicht wissen.


Will abgehen.


CATHRINE. Hertzallerliebstes Petergen, ich will dir alles sagen, Peter kehrt wieder um. aber du must auch ja nicht böse darüber werden.

PETER. Je nun! rasend werd ich doch wohl nicht darüber werden.

CATHRINE. Du must mir auch nicht feind werden, Peter.

PETER. Nein! ich will gar nichts werden, mache nur einmahl ein Ende aus deinem ewigen Gewäsche.

CATHRINE. Du wirst doch noch wohl wissen, daß unser Herr einmahl Abendbetstunden mit mir auf meiner Kammer gehalten?

PETER. Ja, das weis ich.

CATHRINE. In diesen Betstunden ist er mir so gut geworden, daß er mich mit dir zusammenbringen, daß er uns eine freye Hochzeit geben, und mir 100 Thaler zum Brautschatze schenken will. Aber, Peter, da ist nun noch ein Umstand dabey, ich bringe[20] noch etwas anders zu dir, darüber du dich wundern wirst.

PETER. Was ist denn das, Cathringen, kanst du mir es nicht weisen?

CATHRINE. Nein, das kanst du nicht eher, als erst eine Zeit nach unsrer Hochzeit zu sehen bekommen.

PETER. Ey! zum Henker! alles wilst du mir erst nach der Hochzeit sagen, alles wilst du mir erst nach der Hochzeit zeigen. Ich will aber alles vor der Hochzeit wissen, ich will alles vor der Hochzeit sehn.

CATHRINE. Das kanst du aber nicht, Peter! laß einmahl recht vernünftig mit dir reden. Gesetzt unser Herr schenkte dir heute noch einen grossen Butterkuchen von dem feinsten Mehle?

PETER. Er sollte bey mir nicht verschimmeln.

CATHRINE. Er hätte aber noch einen kleinen Butterkuchen, den du auf seine Gesundheit verzehren soltest, und davon du ohnfehlbar ein starkes Kopfweh bekämest?

PETER. Den könnte er für sich behalten.

CATHRINE. Gesetzt aber, daß du den grossen ohne den kleinen auf keine Weise geniessen könntest?

PETER. So ließ ich ihm alle beyde.

CATHRINE. Wann er dir aber 100 Rthlr. dabey in die Hand drückte.

PETER. Der Teufel hohle mich, ich ässe Kuchen, und Kopfweh, und alles hinunter, von dem Kopfweh stirbt man ja nicht.[21]

CATHRINE. Verstehst du mich nun, Peter?

PETER. O ja. Ich soll heute zwey Kuchen essen, einen grossen und einen kleinen; und wenn ich sie gegessen habe, so soll ich 100 Thaler und das Kopfweh bekommen.

CATHRINE. Einfältiger Tropf! ich habe nur den Fall so gesetzt. Der grosse Butterkuchen ist ein ganz ander Ding. Der kleine Butterkuchen wird zwar auch wohl Kuchen essen lernen, aber sein Lebestage nicht dazu werden. Das Kopfweh ist auch eine andre Krankheit, aber nur der gesunden.

PETER. Hole dich der Henker mit deinem Fallsetzen; wenn die Butterkuchen keine rechte Butterkuchen sind, so versteh ich dich ganz und gar nicht.

CATHRINE. Höre, Peter, ich will dir das ganze Rätzel mit einem Worte auflösen: wann du mich dann nicht verstehst, so must du warten bis nach unsrer Hochzeit. Ich, ich bin der grosse Butterkuchen.

PETER. Puh! nach gerade werde ich dich verstehen lernen. Du bist der grosse Butterkuchen und kanst schon Butterkuchen essen, und der kleine wird auch Kuchen essen lernen, und wann ich dich haben will, so muß ich den kleinen Butterkuchen auch nehmen. Aber höre doch, Cathringen; hat nicht der Herr Pastor Muffel das Mehl zu dem kleinen Butterkuchen hergegeben?

CATHRINE.Recht, Peter, du kanst gut rathen.[22]

PETER. Aber mit dem allen begreife ich doch noch nicht, was du mit dem Kopfweh sagen wilst.

CATHRINE. Was werden die Männer, wann sie andrer Leute Kinder wiegen?

PETER. Also wird mich der kleine Butterkuchen zum Hahnrey machen?

CATHRINE. Das machen die 100 Thaler aber wieder gut. Du kanst noch wohl unverschämter fordern. Denn seine Ehre und sein Amt zu retten muß er dir alles eingehen.

PETER. Aber mit allem dem, so ist doch die ganze Historie von dem Herrn Pastor Muffel, und von dem kleinen Butterkuchen, recht lustig. Ich hätte wohl zusehen mögen. Wie machte es denn der Herr Pastor, als er dir seine Liebe antrug? sah er denn auch so geistlich dabey aus, als wenn er aus der Sacristey auf die Cantzel geht?

CATHRINE. Freylich, er ist in seinem ganzen Liebeshistorie recht theologisch verfahren. Ohngefehr vier Wochen zuvor, ehe ich ihn genauer kennen lernte, kam er alle Tage zu mir in die Küche, bald, wann ich kochte, bald, wann ich das Essen anrichtete, bald, wann ich das Zinn abwusch, bald, wann ich Holz klein machte, und zuweilen traf es sich, daß ich eben Feuer anzündete.

PETER. Und dann half er dir das Zinn abwaschen und das Holz – – –

CATHRINE. Das läuft ja nicht in die Theologie, du Narr. Nach meinen beslondern verschiedenen[23] Arbeiten hielt er mir verschiedene Erbauungsstunden. Wann ich eben Erbsen beym Feuer hatte, so verglich er die ganze Gemeine mit dem einzigen Topfe Erbsen, und beschwerte sich über die Hülsen, welche sie vor den Ohren hätten, weil dieselben seinen Vermahnungen und Drohungen alle Kraft und allen Zugang benähmen. Traf er Schweinefleisch in den Töpfen an, so seufzete er über die Hartnäckigkeit des Jüdischen Volkes. Ach! der Himmel erbarme sich über dich, du verstocktes Volck, rief er aus; wann wirst du einmahl anfangen Schweinefleisch zu essen? Wann ich Fische in der grossen Schüssel anrichtete, so machte er mir die uneinige Einigkeit der Kirche dabey begreiflich. Gleichwie ietzund der Kopf von dem Mittelstücke und das Mittelstück von dem Schwanke abgeändert ist, und doch alle drey einen Fisch ausmachen, eben so, sagte er, ist der Lehrstand, der war der Kopf, von dem Wehrstande, hier wieß er auf das Mittelstück, und der Wehrstand von dem Nährstande, nemlich vom Schwanze abgesondert, und doch machen alle drey eine Kirche aus. Bey den letzten Worten rührte er mir aus blindem Eyfer alles in der Schüssel unter einander, das ich Mühe hatte, es wieder zusammen zu finden. War ich bey dem Schauerfasse, so gab er mir die Ermahnung, daß ich nicht, wie die Pharisäer, das äussre nur rein halten[24] sollte. Bey dem Holzspalten predigte er mir von der Zerknirschung des Herzens, und bey dem Feuerzeuge von dem Feuer geistlichen Liebe vor, wobey ich aber die andre Liebe allezeit aus seinen Augen lesen konnte.

PETER. Da könnte man ja ein ganzes Buch von der theologischen und in Gott andächtigen Köchin schreiben. Aber warum hat ihn denn der Henker mit seinen Predigten nur immer zu dir geführt? zu mir ist er weder in den Pferdestall, noch in den Holzstall, noch auf den Hexelboden, noch auf den Heuboden gekommen, und ich dächte, da könnte es ihm auch nicht an Materie und an Gelegenheit zu Erbauungen fehlen. Mir dünckt aber er hat ganz etwas anders, als deine Bekehrung bey dir gesucht.

CATHRINE. Du sagst die Wahrheit, Peter. Als er auf diese Weise nicht an mich kommen konnte, so versuchte er es auf eine andre Art. An einem Montagabend, ich weiß mir noch alles so vorzustellen, als geschäh es eben ietzo, faß ich eben auf meiner Lade, welche vor dem Gartenfensterchen steht, und nähete mir ein neues Hemde. Ich nähete mit aller Macht, weil ich gern bald fertig seyn wollte und war mir eher den Tod, als unsern Herrn vermuthen. Ehr ich michs versah, hörte ich Pantoffeln auf der Treppe scharren, aber so leise, als wenn es Geisterpantoffeln gewesen wären.[25]

PETER sieht sich ganz furchtsam um. Nun komm ich mein Lebestage nicht wieder auf deine Kammer, das wird gewiß der Magister gewesen seyn mit dem langen Barte. In den Pfarrhäusern geht es doch niemals richtig zu.

CATHRINE. Du darfst dir ja nur den Mantel umhängen, so grauet dich nicht.

PETER. Spotte nur nicht. Was wurde denn aus den Geisterpantoffeln endlich?

CATHRINE. Weil ich sonst nichts hörte, so nähete ich weiter fort. Aber kaum eine Minute drauf, hörte ich in der Nähe was rasseln. Ich sah mich darnach um, und fieng zugleich aus vollem Halse an zu schreyen, weil ich ein langes schwarzes Gespenst mit einem weissen Kopfe auf mich zukommen sahe.

PETER sieht sich wieder furchtsam um. Es ist doch wohl nicht was hinter mir.

CATHRINE. Aber den Augenblick drauf wurde ich gewahr, daß Herr Muffel mit seiner weissen Mütze das Gespenste gewesen war. Mein liebes Kind, fieng er an, wie steht es um eure arme Seele? hier griff er mir an den Ort, wo er sagte, daß das Herz sässe. Ihr habt ein böses Gewissen, fuhr er weiter fort, euer Herz schlägt sehr geschwinde und ängstlich. Ey, ey lasset eure Gewissenswunden von mir, eurem Seelenarzte, heilen. Eure Seele ist mir viel zu lieb, als daß ich sie sollte lassen verlohren[26] gehen. Und nach einigen andern dergleichen geistlichen Reden fieng er die erste Abendbetstunde mit einem Liede an. Mit diesen Betstunden fuhr er bis auf den Sonnabend auf einerley Weise fort. Ausser daß er sich in jeder Betstunde eine Freyheit mehr herausnahm. In der ersten blieb es dabey, daß er mir ans Herze fühlte. In der andern drückte er mir die Hände, streichelte mir die Backen, aber immer auf solche Art, als wenn es sein Eyfer für meine Bekehrung so mit sich brächte. Dieses währete weiter so fort, bis er mich den Donnerstag küssen, und ich ihm still halten, lernte.

PETER. Welchen Tag habt ihr denn für den kleinen Butterkuchen aufbehalten?

CATHRINE. Dazu hatte er den Sonnabend ausgesetzt.

PETER. Den Sonnabend? wie hat er denn da die Zeit übrig gehabt? da hat er ja auf den Sonntag studiren müssen?

CATHRINE. Dafür hat er auch die Abendbetstunde mit mir nur halb gehalten. Denn als wir eben niederknien wollten, so that er mir seinen Liebesantrag, über welchen ich anfänglich nicht wenig erschrack. Ich suchte ihn auch theils durch Bitten, theils durch Anführung seiner eigenen Worte davon abzubringen; aber vergebens. Er antwortete ganz trotzig; Ein Geistliche könne nicht sündigen, sein Amt mache alle[27] Schandthaten heilig. Ueberdem fuhr er fort, so haben wir uns ja durch die eine Helfte der Betstunde zu unserm Vorhaben geheiliget, und wann ihr meinen Wunsch werdet erfüllet haben, so wollen wir in der andern Helfte der Betstunde alles wieder gut machen. Hier wurd ich endlich mehr von meiner Schwäche, als von der Stärke seiner falschen Beredsamkeit, überwunden ja hier – – –

PETER. Hier hätt ich nun eben mit einer Runge aus dem Holzwagen sollen dazu gekommen seyn. Mein Herr Muffel hätte seines Sieges nicht froh werden sollen.

CATHRINE. Endlich gieng er ohne ein Wort zu sagen, die Treppen wieder hinunter, und ließ Betstunde Betstunde bleiben. Ich selbst hätte die übrige Zeit lieber mit dir, Petergen, zubringen wollen.

PETER. Du bist mir also sehr günstig, Cathrine, du hättest mir zum wenigsten doch die Neige gegönnt. Ich bin indessen dein gehorsamer Diener für den umständlichen Bericht. Herrn Muffeln wird der Kopf von dem kleinen Butterkuchen nicht weh thun, denn es ist sein eigenes Machwerk. Er mag dich und seine 100. Rthlr. nur behalten, ich bedanke mich dafür.

CATHRINE. Ums Himmels willen, liebster Peter, strafe doch an mir einen Fehler des ganzen weiblichen Geschlechts nicht. Die[28] Verschwiegenheit fehlet uns freylich, aber ich bin einmal zu treuherzig – –

PETER. Ich mag keine hundert Thaler für ein solches Kopfweh kaufen, welches an den Männern unheilbar ist.


Quelle:
Johann Christian Krüger: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt und Leipzig 1743, S. 18-29.
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