Das 34. (49.) Kühljubel. 1700. 4350.

[367] Darinnen er di Einwohner der sibenvereinigten Provintzen anredete/ um ihnen wahre Erkäntnis der Propheten/ Weisen/ Schriftgelährten der 6 und 7 schaale mitzutheilen; geistlich vor dem Baum bei Amsterdam/ leiblich zu Wesel/ im güldnem Löwen am Karrfreitage/ den 31. Mertz Mittwochs/ oder 16. 23. Aprill/ Freitags 1688.


1.

Niderländer ides schlags/ Mengel muß so viler Glauben/

Mit denen sich das Sechsgericht so überhäuffig vorgespilt!

Di ihr auch kreutzigtet stets Christum nach dem Geist/

Bis ihr vergingt/ wi heut neun Jahr eur schif Calvar!

Haltet inn eur kreutzigen/ und des Sechsgerichts Figuren/

Wo ihr mit Noah aus der Arch zur ersten Welt wollt übergehen!

Comen mit seiner Schaal ist recht der sechste Engel/

Von dem ihr viel auslegt nach eurem selbstverstand!

Mein Rothe geußt hernach/ als sibner/ in die Lüffte/

Mit meiner Zeugen hauf bis sibzehnhundert drei.


2.

Gott hat zu euch geschikkt so vil Propheten/ Weisen/

Di weit und breit Europa hat erzeugt.

Ihr seid von ihnen satt/ durch si von euch zertheilt/

Daß ihr nicht wisset mehr/ was ihr von ihnen wisset!

Ihr habt so allerhand der Wunder angesehen/

Bis ihr vergessungsvoll di Wunder habt vergessen!

Ihr mehrt von tag zu tag di Nahmreligionen/

Und geht stets stündlich mehr vom Christus leben ab!

Ihr kennt das Gottesvolk/ und kennt es doch nicht ferner/

Weil ihr in eurer Wüst und virtzig Jahren sterbet


3.

Wi vil sind unter euch/ di disem/ jenem folgten/

Durch lange Jahr und Zeit/ di si verschmähen heut?

Wivil sind selbsten nicht vom eignem Ruf gewichen/

Weil müde si von der Gelassenschafft?

Wivil sind Zeugen nicht von grössern Wunderwerken/

Als selbst di Schrift von ihren Heilgen zählt?

Wivil erhuben mich zum schoßkind meines Jesus/[368]

Di itzo schlimmer sind/ als wohl di ärgste Feind?

Bedenket Brüder/ Schwestern/ doch/ daß ewig Gutt/ was einmahl gutt/

Und daßnohtwendig ihr von Warheit abgewichen!


4.

Wacht/ wacht/ wacht auff/ fünff eingeschlaffne Mägde!

Greifft/ greifft zum öl/ eh eure Lampe lescht!

Wahr ist/ daß di Figur mit so vilfachen Rätzel/

Euch eingeschläfft in eurem wahrem Außgang!

Ob schon di fünff Jungfrauen der fünf Sinnen

Vil öl von euch zu ihren Lampen fodern:

Doch gebet keins/ daß ihr nicht selber mangelt/

Und Gott versucht zu eurem eignem Unglükk!

Ko it/ ko it entgegen/ ko it dem Breutigam mit freuden!

Was einmahl wahr/ bleibt wahr in Zeit und Ewikeit.


5.

Ko it/ Brüder! Schwestern/ ko it! bringt A.L.L.E.S gutts zuhauffen/

Ob es geschinen hat/ daß A.L.L.E.S. gutts hinweg!

Bringt fröhlichst/ bringt das kleinst und gröste der Figuren/

Weil Gottes feurdas Gold in seiner asch bewährt!

Was euch verdächtig war/ dis gebet auf di Probe:

Des Satans staub fleugt weg/ Tinctur bleibt doch Tinctur.

Vergebt einander A.L.L.S./ di ihr aus schwachheit filet:

Bekennt zur Gottes Ehr/ was ihr habt misgethan!

Helft/ helft mit Kühlmann helft di Kühlschrift aufzustellen!

Dann seid ihr haupt beglükkt mit Kühlmann auch erwachet.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 367-369.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

Napoleon oder Die hundert Tage. Ein Drama in fünf Aufzügen

In die Zeit zwischen dem ersten März 1815, als Napoleon aus Elba zurückkehrt, und der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni desselben Jahres konzentriert Grabbe das komplexe Wechselspiel zwischen Umbruch und Wiederherstellung, zwischen historischen Bedingungen und Konsequenzen. »Mit Napoleons Ende ward es mit der Welt, als wäre sie ein ausgelesenes Buch.« C.D.G.

138 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon