Der 8. (68. 143.) Kühlpsalm

[335] Als er gleich völlig sahe di zeit des Kühlpsalters verkürtzet, und über alle Werners und Badhorse, Grosse und Kleine, di feurigen gerichte wesentlich angehen, nach zeichen, figuren, wesen, hauptwesen? verwundernd ausgesprochen im Nordcrith den 16 Mertz 1687, vir Monden nach Avglicanens Erblassung.


1.

Nun hat di welt, was si gesucht!

Si erndtet ein, was si so reich gesäet!

Elendig stehen aller sachen,

Di Gott so haüfiglich in seinen Knechten schmähten!

Wi wird nun das Gericht entbrennen unbekand?

Si meinen, si sind wohl, und sind vom abgrund trunken!

Was vorgespilt, empfängt sein wesen!

Es ist die eigne schuld, was gross und klein erwekkt.


2.

Si wusten wohl, das Gott allein selbständig,

Und alles seine gab, was si von ihm empfangen!

Si hatten die vernunfft, das ihrer Herrn Gesandten

Der Herren bildnüss trugen.

Was ist ein sterblich Printz zurechnen gegen Gott?

Ist dann ein Gottesknecht um Gottesrecht zuschimpffen

Sol das Geschöpff vorschreiben seinem Schöpffer,

Was vor Gesandten er zu ihnen wählen solte?


3.

Ach jämmerlicher stand, darein si nun gerathen!

Si libten Gott um Gold und nur ihr eignes glükk!

Ein ides wort des Knechts war schaden seinem Herren,

Als wann di eusre Welt vertrüge solche schmach!

Si waren Sündenvoll und wolten reine Menschen!

Ja dis war reinikeit zuthun nach eignem sinn![335]

Drum sind si gantz ins netz gefallen,

Und worden endlich blos Figuren Gottesgrimms!


4.

Imehr demüttiger mit ihnen man umging,

I mehr leichtfertiger erschin ihr gantzes Wesen!

Was heimlichst ihnen ward geoffenbahret,

Dis mus verrathen sein nach ihrem unverstand

Als auf di straff des Schöpffers si gewisen,

So musten si zu trutz verhöhnen und verhindern!

Wer war geringer doch als ihres Schöpffers Libling?

So fahr auch zorn und Rach nun ewigst auf si wider.


5.

Alle di Center di müssen nun wütten,

Grimmige straffen stets stündlich ausschütten!

Alle di Rachen di müssen erwachen,

Ihnen das ende nun greulicher machen!

Alle di ärgernis stehe belohnet!

Grosse und kleine bei ihnen enttrohnet!

Alle di halfen den Höchsten entehren,

Müssen ohn büssen di flüche vermehren!


6.

Was habt ihr angezündt, O höchstverfluchtste Schaaren!

Verderbet tausende, di Gott noch wolt bewahren!

Eur heilig aug in eures hertzens sinn

Erlange nun auch seinen Höllgewinn!

Lebet in schanden und banden auf Erden!

Erndtet mit heulen und beulen beschwerden!

Liblichste Freunde! Unschuldige Leute!

Scheidet di trauben vor rauben auch heute!


7.

Wart ihr sattsam nicht von uns gebeten?

Musten wir vor guttes sein vertreten?

Solte der becher im sakke uns stekken,

Das er uns ewigst hir solte beflekken?

Ob Christus wis mit uns, das wir sein eigner Sohn,

Dem zu dem erbnis kam von ihm bald thron und kron:

Doch waren die straffen vor dise behalten,

Di Gottes vorspile so teuflisch verstalten.


8.

Wir gehen höchsterlöst zum Gottes Wunder auf

Voll freuden, Wonne, Zir!

Der Feind und falsche Freund verbleibet in dem lauf!

Es kostet theuer hir![336]

Alle di Himmel erfüllen mein schreien!

Zu langsam ist der Heuchler Bus!

Nun triffet si der hauptverdrus!

Ewig und ewig verbleibet ihr reuen.


Zweiter Theil,

Darinnen er aller seiner Gegenfiguren Endabschid, unter 10 Nahmen, nemlich Rothens, Tannekens, Höllgrafens, Brecklings, Meschmanns, Gichtels, Cuperens, Voogts, Magdalenens, Catharin-Benjamins, nach den 10 Gestalten in Amsterdam den 10 Mertz 1685 vorgefallen, bekräfftigte, der Prophetin Christinen Americanischmagellanischen Gog und Magog zugleich betrachtend im Nordcrith eben den 17 Mertz 1687.


1. 9.

Ja, ja, verführtes zehn, ihr bildt di zehngestalt

Des höchstverfluchtesten, des letzten Gogs und Magogs!

Als Jesus uns erwählt zu seines Reichs Figur,

So wart ihr unsre Feind von aussen und von innen!

Wir waren gantz verrükt! verzükkt im Gottes ruf!

Ihr waret höllenvoll zu unserm spott und schertz.

Als wir gelassen in A.L.L.E.S, stunden,

So ging ihr geitzig fort im lauterm Satanstrib.


2. 10.

Wahr ist, das Gott nicht mehr verlihen dem Kühlpsalter

Als di vollkommene Figur von seinem Schlus!

Wahr ist, das alle Feind in ihm sind Gottes Feinde!

Wer Gott im kleinstem schertzt, schertzt Gott im gröstem auch.

Wahr ist, das wir in Gott aus Gott durch Gott geführet,

Und Gott nicht mehr zulis, als was er selbst befahl!

Wahr ist, das wir gleich still nur auf ein Wort auch stunden!

Drum worden wir auf aller seit behüttet.


3. 11.

Es solt dis Gottesspil noch gantzer fünff Iahr tauren:

Allein es ward ausgnad verkürtzt.

Gott konte nicht den spott, der uns zufil, mehr dulden:

Er sihet drein und werden wir erlöst.

Anglicana mus di thür zuschlüssen,

Wi dort Comen zuschlos in Amsterdam.

Constantinopel! Dein Segen beginnet!

Das wesen kommt zu dir mit dem Kühlsalomon.


4. 12.

Rothe wirfft sich auf zum Fürsten

Durch Falschgesicht-geticht des letzten Gogs und Magogs,[337]

Als er Americam mit dem Europ zu seinem Königsstuhle siht.

Tanneke lässet uneigene Wunder:

Vergisset Gotteswerks, zu dem si mich gekleidt.

Höllgrafe wird ein Graf der Höllen;

Schwärt eide über eid, das dis noch jens nicht sein,

Was er bezeugt zu mir so hoch in Gottes nahmen.


5. 13.

Brekkling wird zum kreutzfuchs unverschämet;

Wirffet weg, was er einst gutt bekennet;

Fladdert gegen wissen und gewissen.

Mesmann vermisset gehirne und sinnen:

Schändlich und schädlich wird ides beginnen,

Gichtel hat di gicht in Gotteswegen,

Weist sehrwenig vom gerechtem regen:

Trittet unter füssen heilgen segen.


6. 14.

Cuperus wird zum Teufelsadvocat;

Kennt vor di Höll vor Gottes Rath schon Rath;

Verzaubert sich und andre voller that.

Voogt wird ein Voogt von falscher Judasart:

Beleugt und treugt, bis Judas straff ihm ward.

Magdalene wil gehorsam lassen,

Vasthi folgen, Esthers sitten hassen:

Vasthi straffe mus si recht umfassen.


7. 15.

Catharinen-Benjaminen

Werden kinder ihres sinns, gehen aufdemeignem weg:

Was Gottes Libe gab, heist eine Schuldikeit,

Und ist der zorn zuhart, wann er zur Busse ruffte.

Solche Wasser, solche Fische:

Solche Gäste, solche Tische.

Abrams Kinder, Sodoms Sünder, Satans Rinder;

Höllen finder, nichtsreimt minder.


8. 16.

Was wird aus disem zehn entspringen vor ein zehn?

Drum schreiet di Christin:Sol es so weit dann kommen!

Si schrenkte ihre hand gantz rükkwärts, als nimals,

Bis auf den Todt betrübt um dann di Kirch zubilden.

Erschrekkbar ist ihr Einundzwantzig!

Kein Helfer war mehr dar! Di Lucifers sind los.

Wehwehwehwehwehweh! Weh, bis selbst Christus kommt!

Di virdt und letzte kunft macht nur dis letzt aufstehen.

Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 335-338.
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