89. Der betrogene Tetzel.
Mündlich.

[90] Zwischen den Städten Jüterbogk und Baruth zieht sich eine lange Kette von bewaldeten Hügeln hin, deren[90] höchste Spitze der Golm bei dem Dorfe Stülpe ist, von wo nach Süden hin sich ein großes Hochland, der hohe Flemming, ausdehnt, die aber auch nach Norden zu, obwohl sie da steiler zu einem großen Bruch abfällt, noch mancherlei Hügeläste entsendet. Ein solcher aus Sand bestehender Rücken erhebt sich dicht hinter dem Dörfchen Holbeck an dem dabei gelegenen See und führt den Namen der Mordberge, den er folgender Begebenheit verdankt.

Als der Ablaßkrämer Tetzel in der Mark sein Wesen trieb, hielt er sich namentlich auch lange Zeit in Jüterbogk auf, wo man noch heute das der Nicolaikirche gerade gegenüber gelegene Haus zeigt, in welchem er seine Wohnung und eine eigne Kapelle zur Lesung von Messen und Austheilung des Ablasses hatte. Hier kam einst ein Ritter von Hake, der in dem oben genannten Stülpe am Fuße des Golm wohnte, zu ihm und verlangte Ablaß für eine schwere Sünde, die er erst begehen wolle. Tetzel wollte ihm denselben zuerst nicht ertheilen, als jener ihm aber eine große Summe Geldes gab, wurde er bereitwilliger und Hake erhielt zuletzt, was er wünschte. Wenige Tage darauf verließ Tetzel mit all seinen Schätzen Jüterbogk, um sich von da nach Berlin zu wenden. Als er aber in die Berge bei dem Dorfe Holbeck kam und die Pferde den schweren Wagen im tiefen Sande kaum von der Stelle bringen konnten, ward er von geharrnischten Männern, an deren Spitze ein Ritter stand, überfallen und diese nahmen ihm, ungeachtet er die gräßlichsten Flüche über den[91] Ritter aussprach, seinen gewaltigen mit Eisen beschlagenen und ganz mit Geld angefüllten Kasten ab, denn jener Ritter war der von Hake, dem er seine Sünde bereits im Voraus vergeben hatte. Die Knechte aber, welche Tetzel hatte, wollten sich den Reisigen zur Wehre setzen, und suchten das geraubte Gut wieder zu gewinnen, wurden jedoch leicht in die Flucht geschlagen und viele fanden im Kampfe ihren Tod. Davon erhielten dann die Hügel, wo sich diese Begebenheit zutrug, den Namen der Mordberge; der große Kasten aber kam später, seines Inhalts entblößt, nach Jüterbogk, wo er noch heute hinter dem Altar in der S. Nicolaikirche zu sehen ist.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 90-92.
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