230. Der Mohriner See.

[246] In dem großen rings von steilen Ufern umgebenen Mohriner See, sagt man, liegt ein großer Krebs, der ist mit einer Kette an den Grund angeschlossen; reißt er sich aber einmal los, so muß die ganze Stadt untergehen. Oft genug hat man deshalb schon in Angst geschwebt, denn wenn der See heult, wie die Leute sagen, so tobt da unten der Krebs und will sich lösen.


Im See muß auch alle Jahr einer ertrinken, und wenn das ja einmal in einem Jahre nicht zutrifft, so müssen sicherlich im nächsten Jahre zwei dafür büßen. Man sieht auch oft einen Schimmel aus dem Wasser hervorkommen, besonders während der Nacht, der geht ruhig neben dem Wandrer her, der noch spät des Weges kommt, und begleitet ihn ein Stück Weges. Am Marientage aber zeigt sich auch eine weiße Gestalt, die lockt die Leute auf allerlei Weise herabzukommen, und wer sie einmal erblickt hat, der muß hinunter, mag er wollen oder nicht.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben. Berlin 1843, S. 246.
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