27. Wie der Teufel das Geigenspiel lernte.

[276] Ein Soldat, der nach zurückgelegter Dienstzeit von seinem Regimente entlaßen war, kehrte auf seiner Heimreise spät abends ganz ermüdet in einem Wirthshause ein und bat um Herberge. Der Wirth entgegnete, daß er ihm diese Bitte auch bei dem besten Willen nicht gewähren könne, weil alle Zimmer dergestalt besetzt seien, daß er auch nicht eine einzige Person mehr unterzubringen im Stande sei. Der Soldat überzeugte sich alsbald davon, daß der Wirth die Wahrheit gesprochen habe, sagte aber auch: »Weiter kann ich nun einmal heute nicht; ist denn gar kein Rath zu schaffen, Herr Wirth?« – »Ja«, sagte der Wirth, »wenn du den Muth hast, da unten in dem schönen Schloße zu schlafen. Eßen und Trinken kannst du bei mir so viel bekommen als du willst, aber ich muß dir nur sagen, daß mehr als einer hinuntergegangen, jedoch keiner wiedergekommen ist. Dies Schloß mit einem herrlichen Rittergute gehörte einem meiner Verwandten, der es aus Bosheit dem Teufel verschrieben hat; dieser treibt nun da unten, hauptsächlich des Nachts zwischen 11 und 12 Uhr, sein Wesen, und weder ich noch andere, die es versucht haben, können sich dort aufhalten. Hast du aber Muth, da zu bleiben und gelingt es dir, den Bösewicht zu vertreiben, so sollst du die Wahl unter meinen drei Töchtern haben und das Schloß und Rittergut dazu.« – »Will's versuchen«, sagte der Soldat, aß und trank sich erst satt, nahm dann zwei gut geladene[276] Pistolen, schnallte sich einen großen Säbel um und wanderte mit zwei Wachskerzen hinab ins Schloß. Hier suchte er sich das beste Zimmer aus, in dem ein prächtiges Bett, Sofa, Tische und Stühle vom feinsten Holze und blank polirt standen, und da ließ er sich nieder. Darauf sah er sich auch noch anderweitig im Schloße um und fand auch eine vollständig eingerichtete Schreinerwerkstatt mit einer Hobelbank und allem dazu gehörigen Geräth; auch waren viele Schloßerwerkzeuge darin, wie Feilen, Schraubstöcke und anderes der Art. Als er sich darauf im Schloße umgesehen hatte, kehrte er wieder auf sein Zimmer zurück und da ihm die Zeit lang wurde, nahm er eine Geige, die neben der Wanduhr hing, herunter und fing darauf an zu spielen, nachdem er den blanken Säbel und die geladenen Pistolen auf den Tisch neben die Wachskerzen gelegt hatte. Kaum aber hatte die Glocke elf geschlagen, als über ihm auf dem Boden ein solches Getöse entstand, daß das ganze Schloß erbebte; er horchte einen Augenblick auf, ließ sich aber nichts weiter stören und spielte wacker seine Violine. Das Getöse aber kam immer näher und näher, und mit einem male ward die Thür sperrangelweit aufgerißen und der Teufel mit Pferdefuß und Bockshörnern stand vor ihm und schnaubte ihn an, was er hier mache. »Ich logire hier«, sagte lachend der Soldat, »das siehst du ja wol!« – »Aber das ist hier mein Eigenthum«, schnaubte der Böse weiter, »und ich werde dir den Hals brechen.« – »Nun, nun, so rasch ist das auch nicht gethan«, sagte der Soldat, »und wenn es dein Eigenthum ist, so ist's mir auch gleichgültig; mein Schlafgeld bezahle ich dem Wirth, der hat mich hier angewiesen, und willst du's dir von dem holen, so ist dir das unbenommen.« Diese Unerschrockenheit gefiel dem Teufel so sehr, daß sich sein Zorn nicht nur ganz legte, sondern[277] daß er den Soldaten sogar bat, er möge doch noch einige seiner lustigen Stücke spielen, die er vorher schon gehört. »Das kann wol geschehen«, sagte der Soldat; »hast du aber solch Vergnügen am Spiel, so gib genau Acht, wie ich's mache, dann lernst du's auch und kannst dir nachher selber was vorspielen.« Nachdem er ihm darauf eins seiner besten Stücke vorgespielt, gab er ihm die Geige in die Hand und sagte: »Nun mach's nach!« Der Teufel nahm die Geige, war aber so ungeschickt, daß er bei jedem Griff eine Saite zerdrückte; da rief der Soldat: »Halt, so grausam darfst du nicht drücken, da lernst du's im Leben nicht.« Der Teufel aber sagte: »Ich drücke ja gar nicht, sieh doch nur her; ich fühle ja kaum etwas unter den Fingern.« – »Das ist's eben«, sagte der Soldat, »du hast Schwielen unter deinen Krallen, so dick wie ein Bret, damit sollst du wol etwas fühlen! Doch weil ich sehe, daß du wirklich Lust hast, das Geigenspiel zu lernen, so will ich mir die Mühe nicht verdrießen laßen und dich tüchtig dazu vorbereiten. Komm mit in die Schreinerei, da sind Raspeln und Feilen, mit denen ich dir die Schwielen etwas von den Fingern nehmen kann, dann fühlst du die Saiten und sollst wol noch ein tüchtiger Spielmann werden.« Darüber war der Teufel ungemein erfreut, und sogleich gingen sie in die Schreinerei, wo der Soldat eine kleine Feile nahm und an den Schwielen etwas zu feilen begann, dann aber zum Teufel sagte: »So geht's nicht recht, so haben die Finger keinen rechten Halt, und wenn ich mit der Feile darauf drücke, geben sie immer nach; du mußt sie hier in den Schraubstock stecken; zunächst die beiden Zeigefinger, auf die kommt es beim Spiel am meisten an.« Auch das that der Teufel gern, und der Soldat schraubte nun zu, und wie er erst merkte, daß sie fest saßen, da drehte er es aus Leibeskräften,[278] daß der Teufel laut aufbrüllte vor Schmerz und rief: »Schraub los, schraub los, ich habe mich anders besonnen, das Geigenspiel ist mir leid, will's gar nicht lernen.« Aber je mehr er schrie, je fester schraubte der Soldat zu und sagte endlich: »Du Bösewicht! nun und nimmer sollst du hier wieder loskommen; dies Schloß mit allem Zubehör besitzest du mit Unrecht, und ehe du es nicht gutwillig wiedergibst, laße ich dich nicht frei!« Da schrie und heulte der Teufel ganz jämmerlich, versprach Beßerung, schenkte dem Soldaten das Schloß sammt Zubehör und versprach sich auch in Zukunft so wenig als möglich auf der Erde sehen zu laßen und auch nur dann, wenn er gerufen werde. Da erbarmte sich der Soldat endlich seiner und schraubte los; fort war er und hat sich nie im Schloße wieder sehen laßen; der Soldat aber heirathete des Wirths jüngste Tochter, und sie lebten noch lange vergnügt in dem Schloße.


Schriftlich vom Lehrer Kuhn in Hemschlar. Vgl. den Schraubstock bei Pröhle, Märchen für die Jugend, Nr. 28. Aehnliches bei Grimm, Nr. 8, wo dem Wolf, der das Geigenspiel lernen will, die Pfoten in einen Eichbaum geklemmt werden.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859, S. 276-279.
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