26. Die zwölf Soldaten.

[272] Es waren einmal zwölf Brüder, von denen mußten sechs Soldaten werden, und hernach wurden's die andern auch, da waren die ersten sechs schon Offiziere geworden. Die sechs jüngsten aber brachten es so weit nicht, denn sie waren Trunkenbolde, und so machten alle zwölf einen Vertrag miteinander, wenn sieben von ihnen etwas wollten, das mußte geschehen. Endlich gefiel den sechs jüngsten das Soldatenleben nicht mehr, und sie beschloßen zu desertiren, indeß ließen sie sich diesmal doch noch von den sechs ältesten wieder zureden und blieben; nach einiger Zeit aber wollten sie wieder fort und hatten nun auch einen der ältern auf ihre Seite gebracht, denn es wurde nun beschloßen abzuziehen. Darum bewickelten sie die Hufe ihrer Pferde mit Stroh, daß man ihre Tritte nicht hören konnte, und machten in der folgenden Nacht auf und davon. Nun war es zwar im Sommer, aber als sie in ein Thal kamen,[272] dort ein wenig auszuruhen, war's doch kühl, und sie wollten deshalb ein Feuer anmachen, sich zu wärmen. Aber es war kein Holz in der Nähe, daher wurde beschloßen, der älteste sollte hingehen, welches holen. Da ging er und wie er so suchte, kam ein schwarzer Mann auf ihn zu und fragte ihn: »Mein Sohn, was machst du hier? wenn du mir nicht stille bist, sollst du sehen, was ich dich haue.« Sogleich riß er ein Bäumchen aus und schlug ihn dermaßen, daß er unverrichteter Sache wieder umkehrte. Als er nun zu seinen Brüdern kam und erzählte, wie es ihm gegangen sei, da schalten sie ihn einen Feigen, der keinen Muth habe, und sogleich wurde der zweite fortgeschickt. Dem ging's aber gerade so wie dem ersten, und so wurden sie alle von dem schwarzen Mann geprügelt und fortgejagt bis auf den jüngsten. Zu dem kam der Mann auch und fragte, was er hier wolle. Da sagte er: »Ich soll Holz holen, meine Brüder haben alle keins gebracht und es ist ihnen hier schlecht ergangen.« Der Mann aber sprach: »Bekümmere dich nicht, ich will schon Holz kriegen. Dort ist ein Schloß, darinnen sind zwölf verwünschte Prinzeßinnen, dahin reitet; wenn ihr da ein Jahr und vier Wochen bleibt, könnt ihr sie erlösen; der Weg dahin führt durch einen langen, dunkeln, unterirdischen Gang.« Nachdem er das gesagt hatte, verschwand er. Sie setzten sich aber sogleich zu Pferde und ritten dem Schloße zu, der älteste voran und die andern ihrem Alter nach hinterdrein. In dem Gange war's aber so grausig, daß der älteste zuletzt gar umkehren wollte, der jüngste aber, der mehr Muth hatte als alle übrigen, sagte: »So will ich voranreiten.« Das that er, und sie kamen bald an einen prächtigen Pferdestall, wo Hafer und Heu für die Pferde schon bereit waren. Von da kamen sie in ein schönes großes Zimmer, wo die Tafel mit allerhand[273] schönen Speisen und gutem Weine gedeckt war. Sogleich setzten sie sich an den Tisch, aber im selben Augenblick kamen auch schon die zwölf schönen Prinzeßinnen in schwarzen seidenen Kleidern und setzten sich auch an den Tisch, die älteste neben den ältesten Bruder und so der Reihe nach. Nachdem sie nun gegeßen hatten, stand die älteste auf und winkte dem ältesten Bruder, ihr zu folgen, um sich schlafen zu legen, und ebenso machten es alle übrigen. Den ältern Brüdern wurde es aber leid auf dem Schloß, sodaß sie wieder fort wollten, der jüngste aber wollte bleiben; als sie indeß darüber beriethen, waren sieben fürs Fortgehen, und so brachen sie denn heimlich auf. In einem Wirthshause, in welchem sie unterwegs einkehrten, blieb der jüngste aber heimlich zurück, denn er hatte Geld genug, während die andern weiter zogen. Endlich als sie lange umhergereist waren, kamen sie wieder in demselben Wirthshause an, ohne Pferde und ganz zerlumpt, und wollten wieder auf das Schloß. Dem jüngsten, der ihnen Pferde gekauft und neue Kleider machen laßen, gefiel das zwar nicht, aber er mußte mit. Als sie ins Schloß gekommen waren, ging's wieder wie früher; nachdem sie aber gegeßen hatten, winkte die älteste Prinzeßin dem ältesten der Brüder, und als sie mit ihm in die Kammer kam, hieb sie ihm den Kopf ab, und so machten es alle übrigen Schwestern bis auf die jüngste, die sagte: »Ich will dir das Leben schenken, wenn du in einer Stunde elf Gräber machst und die Köpfe deiner Brüder begräbst.« Darauf gab sie ihm Hacke und Schaufel und wies ihm im Garten einen Platz an. Da dachte er an das schwarze Männchen und augenblicklich war es da, und weil es seine Verlegenheit merkte, wollte es ihm auch diesmal helfen und befahl ihm nur, die Köpfe herbeizuholen. Sogleich ging er,[274] es zu thun, als er aber damit zurückkam, waren die Gräber schon fertig, obgleich noch keine Stunde verfloßen war. Als die Prinzessin kam und sah, daß alles gethan war, zeigte sie sich zufrieden, gab ihm indeß noch eine Arbeit auf. Er sollte nämlich ans rothe Meer reisen und hinüberfahren, aber dem Fährmann kein Pfand geben, dann den Glasberg ersteigen, aber den Trank, welchen ihm ein Weib bieten würde, so sehr ihn auch dürste, nicht annehmen; denn das sei ein Schlaftrunk. Habe er das alles gethan, so würde sie auch dorthin kommen, und wenn er dann wachend wäre, sei sie erlöst. Da machte er sich denn auf, und als er ans rothe Meer kam, war da ein Riese in einem Schiff, der wollte ihn mit hinübernehmen, wenn er ihm ein Pfand gäbe; als er ihm dies indessen abschlug, nahm er ihn nach vielem Bitten endlich mit hinüber. Auf der andern Seite war nun der Glasberg, und als er den hinanstieg, kam das Weib und bot ihm zu trinken; er nahm ihr Anerbieten aber nicht an, denn die Prinzeßin hatte ihm drei Flaschen Wein mitgegeben, davon trank er von Zeit zu Zeit ein wenig. Noch zweimal kam das Weib und wollte ihn trinken laßen, und als er endlich beim dritten male keinen Wein mehr hatte und vor Durst nicht mehr sprechen konnte, da nahm er ihren Trunk an und schlief augenblicklich ein. Aber kaum war er eingeschlafen, so kam eine Kutsche durch die Luft gefahren, darin saß die älteste Prinzessin. Er schlief aber fort, bis endlich die jüngste kam, da erwachte er allmählich, die Kutsche hielt vor ihm, sie nahm ihn in dieselbe und war nun erlöst.


Schriftlich vom Lehrer Kuhn in Hemschlar. Vgl. Pröhle, Oberharzsagen, »Die drei Brüder von Zellerfeld«, S. 93 mit der Anmerkung; Pröhle, Märchen für die Jugend, Nr. 36;[275] Wolf, Deutsche Hausmärchen, S. 340; Baader, Badische Sagen, Nr. 116.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859, S. 272-276.
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