25. Der alte Husar.

[266] Ein alter Husar, der schon lange Jahre gedient hatte, war endlich des Dienstes müde, ging zu seinem Rittmeister und bat ihn um den Abschied, den er auch sofort ohne viele Umstände erhielt. Da ging er fort und schlug den ersten besten Weg ein, der ihn endlich, als es schon Abend war, in einen großen Wald brachte, aus dem er nach langem Umherirren keinen Ausweg finden konnte. Da er müde zu werden begann, stieg er auf einen Baum, um zu spähen, ob er nicht irgendwo ein Licht erblicken könnte, und alsbald sah er in der Ferne ein solches schimmern. Nun stieg er von dem Baume herunter und ging der Richtung nach, fand auch bald ein einsam stehendes Haus, in dem er nur ein altes Mütterchen antraf. Diese bat er um Eßen und Nachtquartier; sie gab ihm ein Stück Brot, sagte ihm aber, daß er hier nicht bleiben könne. »Und wenn der Teufel selber hier wohnt«, sagte er, »ich gehe nicht weiter.« Dem Mütterchen gefiel seine Dreistigkeit, deshalb versteckte sie ihn in einer Kammer, warnte ihn aber: »Halte dich ruhig, sonst bist du verloren, denn hier wohnt eine Räuberbande, die wird bald eintreffen.« Wie sie sagte, so geschah's; die Räuber kamen an, setzten sich um den Tisch, aßen und tranken und entfernten sich dann wieder. Alles das sah er deutlich durch eine Thürspalte mit an, und als sie fort waren, kam die[266] Alte, setzte auch ihm Eßen und Trinken vor und sagte: »Du scheinst viel Courage zu haben.« – »Ja, daran fehlt's mir nicht.« – »Dann kannst du dein Glück machen. Zwei Stunden von hier kommt alle sieben Jahre ein unterirdisches Schloß zum Vorschein, und morgen sind's gerade sieben Jahre, da steigt es wieder herauf. Du mußt alsdann rasch hineingehen und durch das erste Zimmer rasch hindurchschreiten, da wirst du in dem zweiten einen Mann finden, der sitzt auf einem Stuhle an einem Tische, auf dem ein Buch liegt neben einem Leuchter; beides mußt du nehmen und schnell wieder hinauseilen, denn das Schloß sinkt alsbald wieder in seine unterirdische Lage zurück.« Der Husar bedankte sich bestens und machte sich sogleich auf den Weg und als er an der bezeichneten Stelle am andern Tage noch nicht lange geharrt hatte, siehe! da stand mit einem male ein prächtiges Schloß vor ihm. Rasch ging er hinein, öffnete die Thür zum ersten Zimmer und fand dasselbe ganz mit großen Fäßern angefüllt, in welchen das blanke Kupfergeld bis zum Rande hinauflag; darauf öffnete er die zweite Thür und sah sogleich den Mann an dem Tische mit Buch und Leuchter sitzen; an den Wänden herum aber standen große Fäßer, die waren alle mit blanken Gulden und Thalern gefüllt. »Auf Silber folgt ja wol Gold«, dachte er, öffnete die dritte Thür und fand, was er erwartet hatte; da war aber guter Rath theuer, denn Beutel zu Goldstücken gab's da nicht, darum steckte er seine weiten Reithosen so voll davon, als es nur immer gehen wollte, ging zurück, nahm Buch und Leuchter und verließ eiligst das Schloß. Kaum hatte er dasselbe hinter sich, so hörte er ein fürchterliches Krachen, daß die Erde bebte und – das Schloß war verschwunden. Nun wanderte er mit seinem Leuchter, dem Buche und den Goldstücken lustig weiter und[267] kam bald in eine große Stadt; da fragte er einen Knaben: »Heda! Junge! wo mag wol hier das beste Gasthaus sein?« Der sah ihn an, betrachtete seine zerlumpte Kleidung und sagte: »Meinst wol das schlechteste?« Aber der Husar zog ein Goldstück aus der Hose, warf's ihm hin und sagte: »Das beste! nun mach' und bring mich hin!« Das machte dem Jungen Beine, sodaß der Husar kaum so rasch folgen konnte und nur immer die Taschen zuhielt, daß seine Goldstücke nicht heraussprängen. Nun kamen sie im Wirthshaus an, und sogleich forderte er sich eine Flasche vom allerbesten Wein, und als der Wirth fragte, ob er ihn auch bezahlen könne, ward er gar böse, griff in die Tasche und warf eine Hand voll Friedrichsdor auf den Tisch, daß der Tisch knackte. Da lief der Wirth schnell hinaus, holte zwei Flaschen vom besten und setzte sie vor den Husaren auf den Tisch, darauf ließ er ihm auch Braten und Kuchen auftragen, und der Husar ließ sich alles wacker schmecken. Nun waren in dem Wirthshaus auch viele Kaufleute, die hatten sich zum Spiel gesetzt und fragten ihn, ob er mitspielen wolle. »Ei warum das nicht, ihr Herren? Euer Geld ist so rund wie das meine!« und damit setzte er sich an den Tisch und zog ein paar Hände voll Goldstücke aus der Hose; aber bald war alles verloren, und soviel er auch seine Taschen umkehrte, es wollte nichts herausfallen, als einige Krümlein Commißbrot, die noch vom vorgestrigen Tage darin saßen. Da lachten ihn die Kaufleute aus, er aber stand ruhig auf, ging auf seine Schlafkammer, schlug das Buch auf und fing an zu lesen. Sogleich klopfte es an die Thür, er rief: »Herein!« und ein großer Mann trat ein, der sagte: »Ich bin der große Eugenius, was befehlen Euer Majestät?« – »Erstens will ich einen großen Beutel voll Geld haben«, antwortete der alte Husar, »und[268] zweitens wünsche ich all mein verlorenes Gold wiederzugewinnen.« – »Wie Euer Majestät befehlen«, antwortete Eugenius, entfernte sich und kam sogleich mit einem großen Beutel voll Gold wieder, welchen er auf den Tisch legte. Nun ging der Husar wieder hinab zu den Kaufleuten, stellte seinen Geldbeutel vor sich auf und fing jetzt von neuem an zu spielen. »Nun soll's erst Ernst werden«, sagte er und besetzte jede Karte doppelt und dreifach, und die Kaufleute sahen mit langen Gesichtern das Häuflein Goldes, das sie ihm abgenommen hatten, immer mehr zusammenschmelzen; bald hatte er es alles wieder und gewann noch alles, was die Kaufleute hatten, dazu. »Ja ja«, rief er lachend, »wer zuletzt lacht, lacht am besten.« Aber die Kaufleute jammerten und wehklagten, daß es einen Stein hätte erbarmen mögen; da sagte er: »Ich habe an dem Meinen genug!« und schenkte ihnen alles das Ihre wieder; darauf bedankten sie sich und gingen eiligst fort. Dem Husaren war das aber gar nicht recht, er wollte gern noch mehr spielen, drum rief er sich den Wirth und sagte: »Heda, Herr Wirth! wir wollen drei Spiele miteinander machen; wer zwei davon gewinnt, der soll des andern ganzes Vermögen haben.« Das war der Wirth zufrieden, sie setzten sich und bald hatte der Wirth verloren; da war er gar betrübt und wußte nicht aus noch ein; der Husar aber sagte: »Noch geht's euch ja nicht an den Hals und außerdem läßt sich das Ding auch noch anders machen: seht einmal, ihr habt drei schöne Töchter und ich bin unverheirathet, gebt mir eine davon, so mögt ihr euer Vermögen behalten.« Das war der Wirth gern zufrieden und stellte seinen Töchtern sogleich die Sache vor; aber die älteste und mittelste von ihnen rümpften die Nasen, wandten sich ab und sagten, einen so zerlumpten Kerl wollten sie nicht[269] heirathen, der jüngsten aber hatte er gefallen und die gab sogleich ihre Einwilligung. Darauf gab ihr der Soldat die Hälfte eines goldenen Ringes auf die Treue, indem er sagte: »Ich will erst noch die Welt bereisen; bin ich aber in Jahr und Tag nicht wieder hier, dann bist du los und kannst heirathen, wen du willst.« So ging er am andern Morgen fort und reiste weit in der Welt umher; da kam er eines Tags auch in eine königliche Residenzstadt und hörte hier, daß der König eine sehr schöne Tochter hätte; sogleich ging er ins Schloß, um sie zu sehen, und sie gefiel ihm so gut, daß er sie gar gleich verführen wollte; als das aber der König sah, wurde er sehr böse und steckte ihn ins Gefängniß. Kaum aber saß er drinnen, so nahm er sein Buch zur Hand, und sogleich erschien der große Eugenius, der ihn alsbald hinausbrachte, und nun lief er spornstreichs aus der Stadt. Aber bei der großen Eile hatte er sein Buch im Gefängniß gelaßen und konnte nun weder den großen Eugenius rufen, noch sich Goldstücke von ihm bringen laßen, darum ging er ganz traurig weiter. Als er aber auf eine große Heide kam, begegnete ihm Lucifer, der fragte ihn, ob er in seine Dienste treten wolle, und dazu war er gern bereit. So ging er denn mit ihm fort, aber er machte seine Sachen immer nicht recht, und Lucifer hatte seine liebe Last mit ihm, sodaß er ihn endlich fortjagen wollte, aber der alte Husar sagte: »Erst meinen Lohn, dann will ich gehen!« Da warf ihm Lucifer ein Paar alte Hosen zu und sagte: »Das sei dein Lohn«; die wollte er zwar anfangs nicht nehmen, als ihm aber Lucifer sagte, daß in ihnen eine Tasche sei, aus der er so viel Geld nehmen könne als er wolle, griff er hinein und zog eine Hand voll Gold heraus. Da war er zufrieden und ging seiner Wege. Nicht lange danach kam er in eine große Stadt und[270] hörte, daß hier ein prächtiges Schloß verkauft werden sollte; das kaufte er sich sogleich, und nun schaffte er auch Kutsche und Pferde an und kleidete sich wie ein königlicher Prinz. So fuhr er nun zu seiner Verlobten und kam abends in dem Wirthshause ihres Vaters an; hier erkannte ihn aber wegen der Pracht, mit welcher er auftrat, niemand, und die beiden ältesten Schwestern thaten bald ihre Staatskleider an und waren bald hier bald da um ihn beschäftigt, weil jede dachte, vielleicht heirathet er dich. Als er nun zu Nacht gegeßen und auf seine Schlafkammer gehen wollte, da rief er sich noch den Wirth herbei und sagte: »Herr Wirth, ich gehe auf Freiers Füßen, wolltet ihr mir wol eine von euern Töchtern zur Frau geben?« Das war der Wirth gern zufrieden und holte sogleich die beiden ältesten herbei, aber an denen hatte er allerlei auszusetzen und sagte endlich rund heraus, von denen möge er keine. Nun holte der Wirth die jüngste herauf, die fand er ganz nach seinem Gefallen und sagte, die wolle er haben. Aber soviel ihr auch der Vater zuredete, sie weigerte sich hartnäckig, sagend, sie sei schon verlobt und möge keinen andern. Da freute sich der Husar und holte endlich die Hälfte des Ringes hervor, den solle sie an ihre Hälfte halten, denn er sei der rechte. Aber sie sagte, sie wolle wol glauben, daß das der echte Ring sei, ob er aber der rechte Mann, das sei eine andere Frage, denn so habe ihr Bräutigam nicht ausgesehen, und der Ring könne ja wol gestohlen sein. Da ließ er seine alten Husarenkleider, die er mitgenommen, aus dem Wagen holen und zog sie an, und sogleich erkannten sie ihn nun, und alsbald wurde die Hochzeit veranstaltet. Die beiden ältern Schwestern ärgerten sich aber darüber so, daß sie hingingen und sich erhängten; der alte Husar aber fuhr mit seiner[271] jungen Frau auf sein Schloß und lebte dort vergnügt und heiter mit ihr. So lag er denn eines Tags in seinem Fenster und rauchte eine lange Pfeife, da kam ein großer Schwan dahergeflogen, das war aber Lucifer, der rief ihm zu: »Guten Tag, Schwager!« – »Schwager«, fragte der Husar, »wie so?« Und Lucifer antwortete: »Nun, ich habe die zwei bekommen und du die andere, darum sind wir Schwäger. Adieu Schwager!« Und damit flog er wieder davon.


Schriftlich vom Lehrer Kuhn in Hemschlar. Viele Züge vom Spielhansl, Grimm, Nr. 82.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859, S. 266-272.
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