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[178] In der Gegend von Werl herrscht die Sitte, daß, wenn der Roggen gemäht ist, man einen grünen Baum, sei es nun Weide oder Birke oder dergleichen, auf dem Felde aufrichtet, den man den Håkelmei nennt; ist dies geschehen, so ziehen die Mäher zum Hofe des Bauern, stellen sich dort mit ihren Sensen auf und fangen an sie zu streichen. Alsbald muß die Wirthin ihnen ein Maß Branntwein entgegenbringen, denn geschieht dieses nicht, so ziehen sie in den Garten und mähen dort den Kohl oder Kappes. Darauf ziehen sie wieder hinaus aufs Feld. Haben nun die Mädchen die letzte Garbe gebunden, so müßen sie den Baum umreißen, wobei sie sich aber keiner Werkzeuge, sondern nur der Hände bedienen dürfen. Ist dies geschehen, so ziehen auch sie zum Hofe des Bauern und zwar voran eines, welches[178] einen grünen Kranz an der Harke trägt. Sie schleichen leise, wie dies auch die Knechte thun, heran; allein die Wirthin erwartet sie schon und hat zu ihrem Empfange einen Eimer Waßer bereit, welches sie ihnen entgegenspritzt; sie suchen jedoch vorzudringen, und namentlich bemühen sie sich ihr den grünen Kranz überzuwerfen; gelingt ihnen dies, so dürfen sie ihr mit der Harke das Haar kämmen. Beim letzten Fuder wird dann der Wagen geschmückt, der Håkelmei wird hinten angebunden und muß nachschleifen und so geht's heim; bei der Ankunft am Hofe muß ihnen der Wirth ein Maß Branntwein entgegenbringen. – Zu Weihnachten aber, auch oft viel später bis gegen Fastnacht, geschieht es oft, daß sich mehrere Bauern zusammenthun und einen Pickenick machen; das nennt man den Håkelmei verzehren, wie man überhaupt von allem, was auf die Neige geht, die Redensart hat: »Jetzt geht's auf den Håkelmei«. Gegend von Werl.


Wenn die umziehenden jungen Leute am Zimbertstage aus den Häusern waren, goß man ihnen Eimer Waßer nach, Woeste, Volksüberlieferungen, S. 23, hier wird es ihnen entgegengegoßen. Oben, Gebräuche, Nr. 389, ist das Begießen gegenseitig und nimmt ganz den Charakter der Lustration an, auch dem Todten wird Waßer nachgegoßen, oben Gebräuche, Nr. 136. Auch am Maitag werden die Umziehenden begoßen, siehe oben, Gebräuche zu Nr. 428. Montanus, S. 29.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859, S. 178-179.
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