483.

[173] In Bockholt werden am Johannistag die Häuser mit Birken geschmückt, und große Feste, bei denen sich mehrere Familien vereinigen, gefeiert; die Zahl der letztern darf jedoch 20 Köpfe nicht übersteigen.


Mit den Gebräuchen dieser und der vorigen Nummer stimmen die englischen Gebräuche, welche Chambers (Edinburgh Journal, 2. Juli 1842) zusammenstellt. Am Abend vor Midsummerday geht man in den Wald und bringt Zweige heim, die über den Thüren befestigt werden, nachher werden bonfires angezündet, um die man tanzt, auch darüber fortspringt. In den Städten war es an diesem Abend und am Peter-Paulstage Sitte, daß Wachen der Bürger die Stadt während der Nacht durchzogen, sie hatten Blumenkränze auf und schwangen cressets and torches, carried in barred pots on the tops of long poles. Ein älterer Dichter sagt:


»While in the streets the sticklers to and fro,

To keep decorum, still did come and go,[173]

Where tables set were plentifully spread,

And at each door neighbour with neighbour fed.«


Dazu vergleiche man eine von Kemble (Die Sachsen, I, 296) aus einer Harley'schen Handschrift (ohne Angabe des Titels und Jahres) über den Johannisabend in barbarischem Latein angeführte Stelle: »Ejus venerandam nativitatem cum gaudio celebrabitis; non illo cum gaudio, quo stulti, vani et prophani, amatores mundi hujus, accensis ignibus per plateas, turpibus et illicitis ludibus, comessationibus et ebrietatibus, cubilibus et impudicitiis intendentes illam celebrare solent ... Dicamus de tripudiis, quae in vigilia Sancti Johannis fieri solent, quorum tria genera. In vigilia enim beati Johannis colligunt pueri in quibusdam regionibus ossa et quaedam alia immunda, et insimul cremant et exinde producitur fumus in aere. Faciunt etiam brandas et circuunt arva cum brandis. Tertium de rota, quam faciunt volvi: quod cum immunda cremant, hoc habent ex gentilibus. Antiquitus enim dracones in hoc tempore excitabantur ad libidinem propter calorem, et volando per aëra frequenter spermatizabantur aquae, et tunc erat letalis, quia quicunque inde bibebant, aut moriebantur aut grave morbum patiebantur. Quod attendentes philosophi, jusserunt ignem fieri frequenter et sparsim circa puteos et fontes, et immundum ibi cremari, et quaecunque immundum reddiderunt fumum; nam per talem fumum sciebant fugari dracones ... Rota involvitur ad significandum, quod sol tunc ascendit ad altiora sui circuli, et statim regreditur, inde venit quod volvitur rota.« Zu dem zuletzt besprochenen Gebrauch vergleiche man die von Grimm (Mythologie, S. 587) mitgetheilte Stelle aus Joh. Beleth, die sich eng an jene englische anschließt, aber insofern später zu sein scheint, als die heidnischen Gebräuche, gegen die der Engländer eifert, schon von der Kirche angenommen und in ihrem Sinne erklärt werden. Man wird nicht irren, wenn man einen großen Theil der hier und in den folgenden Nummern dieses Abschnitts mitgetheilten Gebräuche als aus der Verehrung des Freyr, des Gottes der Ehe und Fruchtbarkeit hervorgegangen ansieht; daher scheinen mir besonders die Befragung der Liebesorakel, die Liebesmahle der Freunde und Nachbarn und die feurigen Räder als Bilder der Sonne zu deuten; aber auch der Freyja muß mit ihm zugleich gedacht sein, da auch für ihre Verehrung am Johannistage deutliche Beweise sprechen, welche von Wolf (Beiträge, I, 190-192)[174] beigebracht sind. Da aber auch Erbsen am Johannisfeuer gekocht werden, Grimm, Mythologie, S. 585, diese aber als Donnerstagsgericht (vgl. Norddeutsche Gebr., Nr. 352, m.d. Anm.) deutlich auf Donar weisen, so mag auch dieser seinen Antheil am Johannisfeuer gehabt haben (so auch Simrock, Mythologie, S. 558), ebenso wie er am Osterfeuer mit Freyr gemeinsamen Theil gehabt zu haben schien; vgl. oben zu Gebräuche, Nr. 406. Für Freyja scheint auch noch der bereits von Grimm (Mythologie, S. 589) und Simrock (Mythologie, S. 557) auf sie gedeutete norwegische Name des Johannisfeuers »Brising« zu sprechen. Ausführliche Nachrichten über die Sunwendfeuer im südlichen Deutschland bei Panzer, I, 210 fg.; Leoprechting, S. 182 fg. Ueber die in unserer Nummer erwähnten gemeinsamen Mahle vgl. Montanus, S. 33. Am Johannistage selbst stand wie am Neujahrstage ein Festschmaus, das sogenannte Johanniseßen statt, das in vielen Gemeinden noch in der Erinnerung lebt und gewiß noch nicht abgestellt ist. In einigen Orten Belgiens ist die Anfertigung der Rosenkrone und die Entzündung des Feuers auf St. Pietersfeest (29. Juni?) übertragen. Wolf, Wodana, S. 104; Beitr., I, 87, wird angenommen, daß dies Pietersfeest die cathedra, St.-Petri (22. Februar) sei, dagegen scheint doch mindestens die Rosenkrone zu sprechen.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859, S. 173-175.
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