319.

[103] Am ersten Weihnachtstag war es sonst Sitte, einen großen Block ans Feuer zu legen, ihn dann, sobald er ein wenig angebrannt war, zurückzuziehen und dann aufzubewahren; man legte ihn aber wieder an, wenn ein Gewitter heranzog, weil man glaubte, der[103] Blitz schlage dann nicht ein. Weidenhausen. Diesen Block nennt man nach einer Mittheilung des Lehrers Kuhn den Christbrand. Dieselbe Sitte und Benennung in Girkshausen.


Die älteste Erwähnung des Christbrandes aus Westfalen und Deutschland überhaupt hat schon Grimm (Mythologie, S. 594) aus einer münsterschen Urkunde gegeben, wo es vom Pfarrer zu Ahlen heißt: »Et arborem in nativitate domini ad festivum ignem suum adducendam esse dicebat.« Zur wettervertreibenden Kraft vgl. Panzer, Beitr., II, 533: »Am Charsamstage wird auf dem Kirchhof in Dinkelscherben Feuer angezündet, der Chrisam hineingelegt, gebetet und das Feuer vom Priester geweiht. Man nimmt Brandstücke nach Hause und legt sie bei schweren Gewittern an das Herdfeuer, damit der Blitz nicht einschlage.« Aehnliches wird noch im Verfolge von Osterfeuern, die an andern Orten entzündet wurden, berichtet. Eine gleiche wettervertreibende Kraft haben auch die geweihten Kräuter. »Am Krautweihtage, Mariä Himmelfahrt, 15. August, oder am darauffolgenden Sonntage wird in den katholischen Landgemeinden ein Bündel gewißer, fest bestimmter, am vorhergehenden Donnerstage ohne Meßerschnitt abgepflückter Kräuter während des Hauptgottesdienstes in der Kirche gesegnet. Jede fromme Haushaltung liefert ihren Krautbündel zu dieser Segnung, und derselbe wird neben der am Palmsonntage gesegneten Palme (Buchs) u.s.w. aufbewahrt. Naht nun ein Gewitter, so legt die Hausfrau eine dürre Dolde oder einen Stengel des Krautbündels unter dem frommen Spruche ›Gott walt's‹ auf den Kohlenherd, schließt alle Thüren und Fenster und sucht den Dampf, soviel sie kann, im Hause zu verbreiten. Dies, so glaubt man, wende den Gewitterschaden von Haus und Feld und hemme den schon auf die Wohnung zuckenden Strahl.« Montanus, Volksfeste, S. 39 fg., wo auch die neunerlei Kräuter genannt werden. Gleichen Gebrauch vom Lechrain berichtet Leoprechting, S. 190, der noch eine größere Anzahl Kräuter aufzählt.

Noch genauer schließen sich aber an unsere Sitte die folgenden Nachrichten an: »Auch andere auf die ferne Heidenzeit deutende Gebräuche altgläubiger Landleute begegnen uns noch in Gebirgsgegenden. So an Sieg und Lahn die Neuanlage des[104] Grundblocks am Feuerherde. Ein schwerer Klotz aus Eichenholz, gewöhnlich ein Erdstummel wird entweder in dem Feuerherde eingegraben oder in einer dafür bestimmten Mauernische unterhalb des Hehlhakens (Kesselfang) angebracht. Wenn das Herdfeuer in Glut kommt, glimmt dieser Klotz mit, doch ist er so angebracht, daß er kaum in Jahresfrist völlig verkohlt. Sein Rest wird bei der Neuanlage sorgfältig herausgenommen, zu Staub gestoßen und während der dreizehn Nächte auf die Felder gestreut. Dies, so wähnte man, befördere die Fruchtbarkeit der Jahresernte.« Montanus, S. 12. Am Tage vor Christtag legte man in Carl und an an dern Orten einen Holzstamm auf den Feuerherd, »Christbrand« genannt, und was davon bis Heilige Dreikönige nicht verbrannt, sondern blos verkohlt war, davon wurden Kohlen in den Kornbahr gelegt, damit die Mäuse das Korn nicht beschädigen möchten. Schmitz, S. 4. Auch in der Gegend von Berleburg ist es Sitte, den Christbrand in die letzte Garbe einzubinden; vgl. unten Nr. 523. In England herrschte die Sitte des Christbrandes ebenfalls: » Yuleclog a large block or log of wood laid on fire on Christmas-eve and kept burning all the following day or longer if possible. A portion of the old clog of the preceding year is sometimes saved to light up the new block at the next Christmas and to preserve the family from harm in the mean time. Herrick a minute describer of the superstitions of his time, in allusion to this custom, says,


Part must be kept wherewith to teend,

The Christmas log next yeare,

And where 't is safely kept, the fiend

Can do no mischiefe there.


Ceremony of the Candlemasday.«


Brockett. Der Block wird in einigen Gegenden auch Ubak, Yubatch genannt. »In farmhouses the servants lay by a large knotty block, for their Christmas fire, and during the time it lasts, they are entitled, by custom, to ale at their meals.« N. Aus den Niederlanden berichtet dieselbe Sitte, Wolf's Wodana, S. 106, doch von anderer Zeit: Am Kirmesabend wird zu Gerardsbergen das Wurzelende einer Tanne oder Buche ins Feuer gelegt, ein anderes Licht darf man nicht brennen. Im Zusammenhange mit dem brennenden Block stehen auch wol die Lichter, welche an[105] diesem Abend angezündet werden; an einer Stelle in »Mirror« heißt es:


The yule candle is lighted and high on the cheerful fire,

Is blazing seen th' enormous Christmas brand.


und: Brays says: »On the night of this eve our ancestors were wont to light candles of an enormous size, called Christmas candles.« Ueber die Jullichter in Schweden vgl. Wolf, Beiträge, I, 120; Liebrecht zu Gervasius v. Tilbury, S. 60. Auch bei den Römern war es Sitte, daß die Clienten an den Saturnalien ihren Patronen Wachskerzen schenkten. Hartung, Religion der Römer, II, 126. Bemerkung verdient noch eine ebenfalls im »Mirror« mitgetheilte Sitte: »In Gloucestershire and Herefordshire, there is a custom, on Twelfth-Day, of having twelve small fires made, and one large one, in many parishes of that country, in honour of the day.«

Da der Block von einer Eiche genommen wird, vor dem Einschlagen des Blitzes bewahrt und die Fruchtbarkeit der Felder sichert, so scheint er eher dem Donar, als, wie Wolf, Beiträge, I, 117, will, dem Fro zu Ehren gebrannt zu haben; doch deutet der Umstand, daß der Block für den Christbraten hergegeben wird (Wolf, Beiträge, I, 118), vielleicht darauf, daß beide Götter auch hier, wie ich es unten zu Nr. 406 wahrscheinlich zu machen versucht habe, in enger Verbindung gestanden haben mögen. Anderes über die Feuer zu Mittwinter sehe man bei Grimm, Mythologie, S. 594 fg.

Quelle:
Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859, S. 103-106.
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