8. Szene.

[104] Hasemann. Dann Albertine.


HASEMANN nachdenklich sich den Kopf kratzend. Ei, ei, das ist eine unangenehme Verlegenheit. Ich soll mich da in Dinge mischen, um die ich mich eigentlich gar nicht gern bekümmere. Aber es hilft nichts, ich habe es mal versprochen. Rosa würde auch gar keine schlechte Partie machen – Körner ist ein sehr honetter Mann – ich werde gleich mit ihr sprechen, damit ich die Sache aus'm Kopf kriege. Geht an die Tür rechts und ruft. Albertine! Setzt sich wieder an den Tisch und blättert in dem Kursbuch. Wie war denn das mit der neuen Tour? Richtig, hier – Oels-Gnesen.

ALBERTINE von rechts. Hast du mich gerufen?

HASEMANN. Dich? ich dächte, ich hätte Rosa gerufen?

ALBERTINE. Was willst du von Rosa?

HASEMANN lesend. Oels – Militsch – Krotoschin – aha!

ALBERTINE lauter. Was du von Rosa willst?

HASEMANN ruhig. Das kann ich ihr ja selber sagen, nicht wahr?

ALBERTINE. Ach, mach' dich doch nicht niedlich, als ob du Geheimnisse hättest. Jedenfalls bitte ich mir aus, daß du ihr keine Unannehmlichkeiten machst, das Kind ist sowieso heute sehr aufgeregt.

HASEMANN. Warum ist sie denn aufgeregt?

ALBERTINE. Weil – na, eigentlich wollte ich nicht eher mit dir darüber reden, als bis die Sache abgemacht ist; aber wenn es dich ausnahmsweise mal interessiert, über die Zukunft deiner Tochter zu sprechen –?[104]

HASEMANN beiseite. Sieh mal, das paßt ja. Laut. Jawohl, Alte, setz' dich her.

ALBERTINE setzt sich zu Hasemann an den Tisch. Ich meine, es wäre Zeit, daß Rosa sich verheiratet.

HASEMANN. Richtig, das ist eine sehr gute Meinung.

ALBERTINE. Von den vielen Bewerbern, welche sich bis jetzt gemeldet haben, hat Röschen noch keiner gefallen.

HASEMANN. Das ist wieder richtig. Sie hat an jedem was zu mäkeln und auszusetzen, und Wilhelm hat ganz recht, wenn er sie Mäkel-Röse nennt.

ALBERTINE. Wilhelm ist ein roher Patron, und ich möchte mich für einen zweiten Schwiegersohn von dem Kaliber bedanken.

HASEMANN. Das ist nun wieder nicht richtig, mir gefällt Wilhelm sehr gut.

ALBERTINE. Natürlich, weil du dich wohl fühlst im Umgang mit gewöhnlichen Naturen und nicht begreifst, daß deine Tochter Rosa andere Ansprüche machen kann.

HASEMANN. Na, weißt du, davon wollen wir lieber nicht sprechen.

ALBERTINE. O ja, denn du vergißt, daß Rosa eine feine Erziehung genossen hat. Du hast es freilich nie bemerkt, daß sie ein elegisches Gemüt hat und Anlagen, die ausgebildet werden mußten; aber ich habe dafür gesorgt, durch die höhere Töchterschule und das Konservatorium. Darum sehe ich auch mit Stolz, daß Rosa eine Bildungsstufe nach der andern erklimmt.

HASEMANN hat inzwischen wieder sein Kursbuch zur Hand genommen. Wenn sie bei den Kletterstudien nur nicht ins Purzeln kommt.

ALBERTINE. Aber, Anton, hast du denn gar kein Verständnis für edle Frauencharaktere?

HASEMANN. Nee.

ALBERTINE. Laß doch das abscheuliche Kursbuch und studiere lieber das weibliche Herz von Julie Burow.

HASEMANN. Mir ist Oels-Gnesen lieber.

ALBERTINE steht auf und geht zum Klavier. Es kann dir doch nicht gleichgiltig sein, daß unsere Rosa eine Virtuosin auf dem Pianino ist: sie spielt die schwierigsten Stücke, den Karneval von Venedig.

HASEMANN. Von Venedig 10 Uhr nachts – 9 Uhr 48 in Wien.[105]

ALBERTINE nimmt ein Notenblatt vom Klavier. Hier wieder etwas neues, was sie spielt: Reverie von Hünten.

HASEMANN. Es ist mir ganz egal, ob sie die Reverie von hinten spielt, oder –

ALBERTINE. Mann, deine Gleichgültigkeit bringt mich zur Verzweiflung.

HASEMANN klappt das Kursbuch zu und steht auf.

ALBERTINE heftig. Wo willst du hin?

HASEMANN. Du weißt, ich bin nicht gerne dabei, wenn du anfängst zu toben; im übrigen habe ich dir ja schon vorhin gesagt, daß ich mit Rosa was zu reden habe.

ALBERTINE. Was? Vielleicht Dinge, die ich nicht wissen soll?

HASEMANN. Bewahre, ich habe einen Mann für sie.

ALBERTINE erstaunt. Du – du hast einen Mann für Rosa?

HASEMANN. Einen sehr respektablen, an dem nicht das geringste auszusetzen ist.

ALBERTINE. Und darf man vielleicht wissen, wer dieser Wundermann ist?

HASEMANN. Mein Freund Körner. Er liebt Rosa und hat mich gebeten, ihr seinen Antrag zu machen.

ALBERTINE. So, dein Freund Körner? Hahaha! Das ist wirklich sehr komisch.

HASEMANN. Ich finde gar nichts Komisches dabei. Wendet sich nach links.

ALBERTINE. Anton, tue mir den Gefallen und bekümmere dich nicht um Sachen, von denen du nichts verstehst. Ich will gar nichts gegen Herrn Körner sagen – er mag meinetwegen ein sehr achtbarer Mann sein, auch gebildet und wohlhabend; aber bedenke, daß Rosa 20 Jahre jünger ist, als er.

HASEMANN. Das ist kein Fehler, ich hätte z.B. gar nichts dagegen, wenn du um 20 Jahre jünger wärst, als ich.

ALBERTINE. Ich bitte dich, nimm die Sache ernsthaft.

HASEMANN. Gewiß, das tue ich auch. Will durch die Tür links abgehen.

ALBERTINE. Weißt du, was dir Rosa antworten wird?

HASEMANN stillstehend. Nun?

ALBERTINE. Sie wird dich auslachen.

HASEMANN tritt ein paar Schritte vor, ruhig. Ich will dir 'mal was sagen, Tine. Es ist richtig, daß ich mich nicht gern[106] um Frauenzimmersachen bekümmre, und daß ich mich mit meinem Vierteldutzend Töchtern besser verstehen würde, wenn es Jungens wären. Ich lasse dir darum auch gern das Hausregiment und nehme es dir weiter nicht übel, wenn du manchmal was komisch an mir findest und lachst. Wenn das aber meine Tochter dir nachmachen wollte, dann würde ich –

ALBERTINE heftig. Nun? Was würdest du? Was würdest du?

HASEMANN. Dann würde ich ihr, trotz der Bildungsstufen, welche du ihr beigebracht hast, eine ganz gehörige Backpfeife verabreichen. Links ab.


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 104-107.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Gellert, Christian Fürchtegott

Geistliche Oden und Lieder

Geistliche Oden und Lieder

Diese »Oden für das Herz« mögen erbaulich auf den Leser wirken und den »Geschmack an der Religion mehren« und die »Herzen in fromme Empfindung« versetzen, wünscht sich der Autor. Gellerts lyrisches Hauptwerk war 1757 ein beachtlicher Publikumserfolg.

88 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon