15. Szene.

[56] Weigelt. Mielisch.


Weigelt tritt durch die Mitte ein, Mielisch folgt ihm.


WEIGELT. Na, Mielisch, kommen Sie herein. Haben Sie die Sache besorgt?

MIELISCH. Alles bestens besorgt.

WEIGELT. Sie haben also das Geld?

MIELISCH überreicht Weigelt ein geschlossenes Couvert. Wohlgezählte 6000 Mark. Die Abrechnung vom Bankier liegt dabei.

WEIGELT. 6000 Mark? Da verliere ich ja beinahe die Hälfte! Sieht das Couvert flüchtig durch und steckt es dann ein.

MIELISCH. Es ist traurig, aber wer verliert heutzutage nicht! Die Zeitung nehmend. Soll ich Ihnen die Börsennachrichten vorlesen?

WEIGELT. Nee, das neuste Politische. Ich komme heute ausnahmsweise in gebildete Gesellschaft – wenn ich sage, ausnahmsweise, denn meine ich, sehr gebildete, wo viel von Politik gesprochen wird. Da muß man Bescheid wissen Setzt sich links.

MIELISCH. Gewiß. Bei Seite. Es kitzelt mich, den alten Schwachkopf einmal ordentlich anzuführen. Warum auch nicht? Da ich mich doch morgen aus dem Staube machen muß –

WEIGELT. Na, was gibt es Interessantes?

MIELISCH scheinbar aus der Zeitung lesend. »Die Reise des Papstes nach Berlin ist nunmehr beschlossene Sache; derselbe wird am 13. künftigen Monats hier eintreffen.«

WEIGELT. Was? der Papst kommt nach Berlin?

MIELISCH. Wissen Sie denn das nicht? Sie waren gestern sehr beschäftigt, als ich kam, Sie wollten die Zeitung selber lesen?

WEIGELT. Richtig, ich erinnere mir, es stand gestern schon was davon d'rin. Also er kommt wirklich?

MIELISCH. Es werden ja schon Vorbereitungen getroffen. Liest. »Zu den in Aussicht genommenen Festlichkeiten dürfte in erster Reihe eine großartige Parade auf dem Tempelhofer[56] Felde gehören; außerdem soll die erste Aufführung des neuen Ballets bis zur Ankunft des Papstes aufgeschoben werden.«

WEIGELT. Nee, das hätte ich aber nich gedacht!

MIELISCH. Ich auch nicht. Beide Seite. Dummkopf!

WEIGELT. Sonst noch was Interessantes?

MIELISCH. Nicht viel, außer der Affäre mit Bebel2.

WEIGELT. Was is denn mit Bebel los?

MIELISCH. Wie? Herr Weigelt, das wissen Sie nicht? Es scheint, als ob Sie die gestrigen wichtigen Nachrichten ganz übersehen haben?

WEIGELT. Ich war allerdings ein bischen zerstreut. – Aber lesen Sie man.

MIELISCH lesend. »Es bestätigt sich, daß bei der engeren Wahl zwischen Herrn Bebel und Singer Ersterer den Sieg davongetragen hat.«

WEIGELT. Wie denn? Für den Reichstag?

MIELISCH. Aber Herr Weigelt! Bebel ist doch für den französischen Thron in Aussicht genommen.

WEIGELT verblüfft. Was?

MIELISCH. Nun ja, die Wiederherstellung des Kaiserreichs ist doch beschlossene Sache.

WEIGELT. Und Bebel soll –?

MIELISCH. Kaiser von Frankreich werden.

WEIGELT rutscht vor Schreck vom Stuhl herab und setzt sich auf die Erde. Nu bitt' ich aber zu grüßen.

MIELISCH eilt zu Weigelt. O, Sie haben sich doch nichts weh getan?

WEIGELT. Nichts? Na, das will ich grade nich sagen, aber bedeutend ist es nich.

MIELISCH hilft ihm auf. Haben Sie heute sonst noch etwas für mich zu tun?

WEIGELT. Ja, hier haben Sie ein Pack Rechnungen, die könnten Sie mal durchsehen und zusammenziehen, wie viel es im ganzen macht. Gibt ihm die Rechnungen.

MIELISCH. Sogleich.

WEIGELT im Abgehen. Also Bebel Kaiser von Frankreich? Nee, wer hätte das gedacht? Ab rechts.


Quelle:
Adolph L’Arronge: Gesamt-Ausgabe der dramatischen Werke. Berlin 1908, S. 56-57.
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