Februar

[135] Schneeflöckchen flattern in der Luft,

Schneeglöckchen dir am Busen,

Mein Herz durchquillt ein Weiheduft,

Die Quintessenz der Musen;

Mit Sang, Geschrei und Schellenklang

Zieht Mummenschanz die Stadt entlang,

Heut lärmt das rohe Volk wie toll

Und wirft sich morgen reuevoll

Im Beichtstuhl auf die Kniee!


Uns strahlt ein höh'res Geisteslicht,

Wir brauchen nicht bereuen,

Wir wollen uns mit Asche nicht

Die freie Stirn bestreuen;

Uns stört die Reue nicht die Lust,

Wir sind uns keiner Schuld bewußt,

Wir hassen und wir lieben frei,

Wir kennen keine Heuchelei

Und kennen keine Sünde!


Die Maske fort, das Antlitz bloß,

Die Lippen frei zum Küssen!

All unsre Lust kann schleierlos

Die ganze Menschheit wissen.

Solang dein Herz für mich noch warm,

Umschlingt dich fest mein starker Arm,

Du wirst mein ehlich Treugemahl,[135]

Trotz Priesterfluch und Kirchbannstrahl,

Zum Hohn der großen Lüge!


Münster 1890


Quelle:
Hermann Löns: Sämtliche Werke, Band 1, Leipzig 1924, S. 135-136.
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