Leinenführig

[413] (8. September 1907.)


Es zog ein Mann im Rathaus ein,

Als Hecht im Karpfenteich,

Die Waden drückte er stramm durch,

Sein Rückgrat war nicht weich.


Verwundert sah der Magistrat

Sich an das Ungetier

Und lächelte und sprach bei sich:

»Wie kommst du uns bloß für!«


»Stoppt ihn 'mal in die Kommission,

In die kein andrer will,

Schluckt er erst Zahlen Tag für Tag,

Das macht ihn schon bald still.«


»Und wenn er Männertöne red't,

Quetscht man ihn an die Wand,

Bis daß er nicht mehr quietschen kann,

So kommt er zu Verstand.«


Und wie gesagt, so auch getan,

Nach einem Vierteljahr

Der stramme Hecht im Karpfenteich

Ein braver Karpfen war.


Er schwänzelte bescheidentlich,

Hört' er den Tritt des Herrn,

Und warf der ihm ein Bröslein hin,

So nahm er's liebendgern.

Quelle:
Hermann Löns: Sämtliche Werke, Band 1, Leipzig 1924, S. 413.
Lizenz:
Kategorien: