Ein Narr und ein Weiser

[209] Mit Steinen warf ein Narr nach einem weisen Mann.

Der kehrt sich jenem zu. »Mein Freund,« spricht er ihn an,

»Das hast du gut gemacht; nimm diesen Taler hier!

Wer so wie du sich müht, gewinne nach Gebühr,

Denn jede Mühe ist, so heißt's, des Lohnes wert.

Sieh dort den Herrn, er soll gar großen Reichtum haben,

Er zahlt dir's glänzend, zeigst auch ihm du deine Gaben.«

Verlockt durch den Gewinn, beehrt

Der Narr auch ihn mit losen Steinen,

Doch Geld erhält er diesmal nicht.

Der Reiche ruft empört nach seinen

Bedienten, und es regnen dicht

Die Hiebe auf den Narren nieder.

Der warf sein Lebtag nicht mehr wieder.


Bei Hof sind manche, die's gleich jenem Narren machen.

Auf eure Kosten machen ihren Herrn sie lachen.

Sie abzuwehren, wär nicht klug,

Ihr habt vielleicht nicht Macht genug;

Doch hetzet sie an den heran,

Der sich gehörig rächen kann.[210]

Quelle:
Lafontaine, Jean de: Fabeln. Berlin 1923, S. 209-211.
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