Empörung

[87] Es freuen sich die Schergen und die Schächer,

Dass man die Unschuld peinigt und verhöhnt,

Gebunden steht das Opfer, dran ein frecher

Tyrannendünkel seiner Willkür frönt.


So muss zu Fluch und ewigem Verderben

Der Schwache dulden die metallne Faust,

Die, ihm ihr Schandmal in das Fleisch zu kerben,

Auf den gebeugten Nacken niedersaust.


Zu seinem mörderischen Handwerk rüstet

Sich auf dem Markte der gedungne Knecht,

Der Menschenwohnungen zu Staub verwüstet,

Vom Boden tilgt ein wehrloses Geschlecht.


Wie von bekränzten Stieren, an Altären

Dem frommen Opfertod geweiht, raucht warm

Das Menschenblut zu einer Gottheit Ehren

Und keiner fällt den Henkern in den Arm.


Einst tönte eine Botschaft in die Lande,

Die in Erbarmen wandelte die Gier

Und schlug um alle Menschen Liebesbande:

Was ihr den Ärmsten tut, das tut ihr mir![88]

Wo wächst die Kraft, dass sie die Flammen schüre,

Den Mordgeist wie ein Spukgebild verscheuch',

Mit Allgewalt an alle Herzen rühre:

Was diesen hier geschieht, das tut man euch!


Wann schwillt zu solch zerstörerischer Welle

Getretner Menschengeist, dass er sich bäumt,

Wild überflutet seine eigne Schwelle

Und dann gelassen wieder weiterschäumt?

Quelle:
Hedwig Lachmann: Gesammelte Gedichte. Potsdam 1919, S. 87-89.
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