Treu bis in den Tod

[20] Sie diente ihm getreu beflissen

Als Weib und Magd an fünfzig Jahr.

Sie schob ihm zu die besten Bissen,

Nahm seine kleinsten Wünsche wahr.


Sie hat zehn Kinder ihm geboren

Und hielt sie seinem Unmut fern.

Sie hat sich ganz in ihn verloren

Und ihm gehorcht als ihrem Herrn.


Nun starb er ihr. Noch lebenskräftig

Bleibt sie zurück verwaist und fremd.

Zum letztenmal für ihn geschäftig,

Bereitet sie sein Totenhemd.


Mit ihren Fingern welk und hager

Wäscht sie den kalten starren Leib

Und dient ihm an dem stillen Lager

Zum letztenmal als Magd und Weib.

Quelle:
Hedwig Lachmann: Gesammelte Gedichte. Potsdam 1919, S. 20-21.
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