Siebenter Auftritt

[105] Rittersaal auf dem Rathaus zu Landau. Der Saal ist mit Fahnen und Schilden ausgeschmückt. Im Hintergrund eine Estrade, zu deren beiden Seiten dichtgedrängte Reihen der Ritter bis in den Vordergrund stehen. Unter ihnen Graf Wilhelm von Fürstenberg, Philipp von Dalberg, Philipp von Rüdesheim, Heinrich von Dhan, Heinrich von Schwarzenberg, Wilhelm von Waldeck, Hilchen Lorch, von Venningen, Balthasar von Falkenstein, Wolf von Türkheim und andere. Zwischen den beiden Reihen Sickingen, welcher sich im Augenblicke des Szenenwechsels, wie die Ritter gleichfalls, dem Vordergrunde ganz nähert.


FRANZ.

Das ist es, edle freie Männer, was

Mit treuem und wahrhaftigem Gemüt

Ich euch schon lang ans Herz hab legen wollen.

Das sind die Mittel, diese Not zu heben.

Durch diesen Bund wird die geeinte Kraft

Das Fürsten- wie das Pfaffenjoch zerbrechen,

Abtun die Willkürherrschaft, die mit ihren

Ehernen Ketten jeden Stand erdrückt.

Vor allen andern nennt ihr euch die Freien

Des deutschen Landes! – ihr vor allen müßt,

Nicht achtend eurer eigenen Gefahr,

Wenn ihr zu Schranzen nicht zusammenschrumpfen wollt,

Vorangehn, um dem Land die alte Freiheit,

Die unterdrückte, wieder zu erobern!

Selbst die Gefahr, sie schwindet, wenn wir einig –

Drum, wollet ihr, so wie ich's euch verkündet,

Schließen den Bund –

DHAN.

Wir wollen ihn!

DALBERG.

Wir alle!

ALLE.

Den Bund! Den Bund!

RÜDESHEIM.

Geschlossen ist er schon in unsren Herzen,

Die Lippe nur hat noch den Schwur zu sprechen.

FRANZ.

Gut! Wollt ihr ihn, sei dies sein erst Gesetz:

Wir wollen fürder keine Satzung anerkennen,

Die nicht im strengen Recht gegründet ist

Und die des Landes Freiheit widerspricht.

SCHWARZENBERG.

Als ein Verräter an uns allen sei

Behandelt jeder, welcher anders denkt.[106]

FRANZ.

Gemeinschaftlich von allen sei bekriegt,

Wer unsern Satzungen zu widerstreben wagt.

ALLE.

Er sei's! Wir alle wollen es! Er sei's!

FRANZ.

Wenn einer der Genossen unsres Bundes,

Von wem es immer sei, befehdet wird,

So sind wir alle in den Krieg verwickelt.

Wir wollen stehn mit unsrer ganzen Macht,

Mit unsrer Habe, unsern Sippen, alle

Für einen, bis auf unser letztes Blut.

Einer für alle, alle auch für einen!

Und Glück und Unglück sei gemeinschaftlich.

TÜRKHEIM.

Das sei Gesetz! Das wollen wir beschwören.

ALLE.

Alle für einen, einer auch für alle!

Als meineidig sei aus der Männer Zahl

Gelöscht, wer dies nicht hält!

FRANZ.

So sei's! Man bringe

Das Evangelium, daß wir die Treue

Dem Bündnis schwören, will'gen Dienst dem Haupt,

Das wir dem Bunde jetzt erwählen wollen.

Dem Oberhaupte steh es zu, zum Krieg

Die Macht des ganzen Bundes aufzubieten.

Für Krieg wie Frieden sei die Leitung sein.

DALBERG.

So sei's! Wir wollen folgen seinem Ruf,

Hold und gewärtig in der frei gewählten Pflicht.

ALLE.

's ist unser aller Wille, einstimmig!

FRANZ dem man ein großes Evangelium bringt.

Wohl! So entblößt die Häupter, zieht das Schwert

Und sprecht mir alle nach den Schwur, den ich

Mit meinen Lippen nicht, nein, mit dem Herzen

Vorsprechen werde! Edle Deutschlands, schwört mit mir!


Er entblößt sein Haupt und legt zwei Finger auf das Evangelium. Alle entblößen ihre Häupter und ziehen die Schwerter.


Bei jener Freiheit, die allein dem Leben

In Männer-Augen Wert und Glanz verleiht,

Bei jener Freiheit, die aus diesem Buche

Vor fünfzehnhundert Jahren mächtig quoll

Und jetzt sich uns noch reicher will entfalten –

ALLE stürmisch die Schwerter erhebend.

Schworen wir!

FRANZ.

Bei unsrer Lieb' zum Lande, bei der Ehre,

Dem Stern des Mannes, der im Schiffbruch selbst,[107]

Wenn wie ein Wrack des Lebens Hoffnung sinkt,

Ihm freudig leuchtet, Rettung winkend in

Dem Ruhm der Nachwelt –

ALLE wie oben.

Schwören wir!

FRANZ.

Bei jeder Ahnung eines Höheren,

Das in Natur und Geist uns offenbart,

Das Männerherz zu großen Taten treibt,

Des Lebens Anker in des Lebens Sturm;

Beim Blut der Besten, welche jemals litten

Für dieser Menschheit große Sache –

ALLE wie oben.

Schwören wir!

FRANZ.

Standhafte Treue diesem Bündnisse,

Willige Folge seinem Oberhaupt;

So sei verflucht, wer diesen Eidschwur bricht!

ALLE wie oben.

Verflucht! Verflucht! Wir schwören es! Vernommen

Haben's die Himmlischen, die Zeugen unsres Eids!


Alle stürzen sich in die Arme und umhalsen sich.


FRANZ.

Auf eures Eides Fittichen hebt sich

Mächtigen Schwungs empor des Landes Freiheit!

Geschlossen ist der Bund. Wählt jetzt sein Haupt!

DALBERG.

Was ist da lang zu wählen! Du allein,

Du nur kannst unser Hauptmann sein!

SCHWARZENBERG.

Nur du!

DHAN UND FALKENSTEIN.

Du ganz allein! Es gibt gar keine Wahl.

RÜDESHEIM.

Du bist schon lange unser aller Auge,

Bist unser Arm, bist unser Schild und Schwert!

Du nur kannst auch das Haupt des Bundes sein.

ALLE die Schwerter erhebend.

Einstimmig wählen wir, Franziskus, dich

Zu unserm Haupt und schwören Folge dir!

Ruf uns, du wirst bereit uns finden.

FRANZ.

Wie Ihr mir,

So schwör ich Treue euch! Bei meinem Heil,

Ein Hauptmann will ich euch, ein Ziska sein

Des ganzen deutschen Volks! – Bald sollt ihr weitres

Von mir vernehmen. Seid bereit indes,

Mehrt eure Macht durch kluge, zeit'ge Rüstung,

Vor allem aber schärf ich eins euch ein:

Keiner von uns darf mit den Städten fürder

In Fehde sich verwickeln! Nur zu viel[108]

Haben wir alle wohl in früh'rer Zeit,

In unreifer, hiegegen uns versündigt.

Geändert ist die Zeit und ihr Gebot;

Die Städte sind es, deren mächt'ger Drang

Nach Recht und Freiheit uns zum Bundsgenossen

Im großen Kampfe werden soll. Der Bürger

Und der Gewerke freiheitsreger Sinn,

Die Macht, die sich in ihren Mauern birgt,

Bewegt von dieser Zeit lichtvollem Trieb –

Sie sind die festen Pfeiler unsres Baus.

Hegt sie! Den Landmann schont! Bereit ist er,

Das Pfaffenjoch, das härter noch als uns

Ihn selbst bedrückt, vom Nacken abzuwerfen.

Nicht uns, die Fürsten haßt er, wird mit uns,

Wenn wir Gerechtigkeit zum Mittler nehmen,

Sich leichtlich einen. Einmal schon ging uns

Im Kampfe gegen Fürstentyrannei

Voran der Bau'r! Denkt an den armen Koontz!

Er ward besiegt, doch wen'ge Jahre drauf –

Und selber mußten wir die Lanze fällen

Gen Herzog Ulrich, Würtembergs Tyrann,

Der unsres Rechts gleich wenig achtete

Als auch des Bauern. Wenn dereinst durchs Land

Der Kriegsgott tobt, der männerwürgende,

Das Reich in zween Lager auseinanderkrachend,

– Der Landmann ist es, dessen starke Faust,

Zur rechten Zeit entfesselt, mächtiglich

Im eh'rnen Spiel den Ausschlag geben wird,

Entscheidend unsres Reiches großes Schicksal!

– Bedenket das! – Und jetzt, ihr Freunde, zieht

Zu meiner Wohnung, wo euch meine Schreiber

Ein Instrument zu Unterschrift und Siegel

Vorlegen werden, das ich fert'gen ließ,

Um in unscheinbar kleinlichem Gewand

Den großen Zweck des Bundes zu verhüllen,

Beschwichtigend den stets bereiten Argwohn

Der Fürsten, wenn sie von der Einung hören.

Denn früher nicht, bis reif der Augenblick,

Darf man durchschaun, was hier gestiftet worden.

SCHWARZENBERG.

Wohlan, wir ziehen! Heil, Franziskus, dir!

Heil unsrem Hauptmann, Heil![109]

ALLE ein Getöse mit den Schwertern erregend.

Heil, Heil, Franziskus dir!

Das alte Glück wird deinen Fahnen folgen!


Sie gehen ab bis auf Fürstenberg, Dalberg, Lorch und Rüdesheim, die sich um Franz gruppieren.


FÜRSTENBERG hastig, während die Ritter abgehen, auf Franz zutretend.

Noch einmal, Franz, du hast groß Unrecht, dünkt mich,

Die Edlen alle nicht sofort nach Trier

Mit ihren Mannen zu entbieten. Großer

Machtzuwachs wär's, und schwerlich wirst du sie

So bald in so bereiter Stimmung treffen.

FRANZ.

Nein, sag ich dir! Gewinn nicht, Schaden brächt' es,

Wollt' ich nach deinem Rate tun! Wenn ich

Mit unsres Landauer Konvents Genossen,

Mit aller reichesfreien Ritterschaft

Vor Trier aufreite, reiß ich selbst die Augen

Den Fürsten auf und zwinge sie zu sehn,

Daß es sich um gemeine Sache handelt.

Nein, sag ich dir! Das käm' zu früh! Das würde

Mehr schaden als des Heeres Mehrung nützt,

Die mir für Trier nicht vonnöten ist.

Nein, Fürstenberg, sie sollen's jetzt annoch

Für meine eigene Privatfehde

Ansehen, wie ich sonst sie wohl geführt.

– Es ist das Maß, das diese Welt beherrscht,

Zu viel kann schaden, grade wie zu wenig.

FÜRSTENBERG.

Nun, wie du meinst; ich will mit deinem Blick,

Dem sieggeübten, nicht in Streit mich geben.

FRANZ.

Jetzt, Lorch, ein Auftrag, den du gerne hörst.

Ruf mir den Herold. Draußen harrt er schon.

LORCH.

Wohl hör ich's gern. Ich sprengte meilenweit,

Um solchen Auftrag schneller zu vollbringen.


Geht ab.


DALBERG.

Ich aber zieh mit meinen Mannen mit.

RÜDESHEIM.

Ich gleichfalls!

FRANZ.

Weder du noch er! Bezähmt

Die Ungeduld, denn für euch alle wird's

Im künft'gen Jahr vollauf zu tun noch geben.


[110] Lorch mit dem Herold erscheint.


Doch Lorch zieht mit, dieweil er ohnehin

In diesen Handel schon verwickelt ist.


Zum Herold.


Herold, tritt vor! Nimm diesen Brief und reite

Spornstreichs nach Trier. Tue dort zu wissen

ihm, dem Hochwürd'gen Fürsten, Herrn Herrn

Richardus, Erzbischof zu Trier

Des heil'gen röm'schen Reichs in Gallien,

Des Königreiches Arclat Frzkanzler

Und Kurfürst und so weiter, künde ich,

Franziskus Sickingen, hiermit die Fehde an

Und wollte sein sein abgesagter Feind. –

Das andre findet er im Brief! Sag ihm,

Er müßt' sich eilen! Denn ich folgte schnell.


Herold ab.


FÜRSTENBERG.

Vollständig ist doch kein Genuß im Leben!

LORCH.

Wieso? Was meint Ihr, Herr?

FÜRSTENBERG.

Je nun, ich traure,

Daß ich nicht kann dabeisein, das Gesicht

Zu sehn, das der Hochwürd'ge schneiden wird,

Wenn ihm die Nachricht kommt.

FRANZ.

Glaub mir, sie wird

Ihm nicht mehr überraschend kommen.


Quelle:
Ferdinand Lassalle: Franz von Sickingen. Stuttgart 1974, S. 105-111.
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Franz von Sickingen
Franz von Sickingen; a tragedy in five acts (1910)
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