Dritte Szene.


[190] Hauptmann. Die Vorigen.


GRÄFIN. Ist noch kein Pikör da, der die Ankunft des Herzogs meldete?

HAUPTMANN. Nein, erlauchte Frau Gräfin, aber man sieht Fackelträger postiert nach der Solitude hinauf. Se. Durchlaucht der Herr Herzog haben also darauf gerechnet, erst mit einbrechender Nacht heimzukehren. Soweit mir bekannt, revidiert Durchlaucht die ganze Treiberlinie zu der großen Jagd, welche für den hohen Besuch vorbereitet wird. Diese Linie umfaßt mehrere Meilen und kann des mannigfaltigen Terrains wegen nicht schnell beritten werden. Daraus erklärt sich wohl auf ganz natürliche Weise die Verspätung Sr. Durchlaucht. Ich erlaube mir auch die Vermutung auszusprechen, daß Serenissimus noch nicht so bald zu erwarten sein dürfte. Soviel verlautete, sind Hochdieselben jede Stunde gewärtig, den hohen Besuch von Seiner Kaiserlichen Hoheit dem Herrn Großfürsten von Rußland ankommen zu sehen, und haben vielerlei Arrangements von Empfangsfeierlichkeiten auf der Landstraße im Werke.

GRÄFIN. Ich danke Ihnen. Sie erstatten Sr. Durchlaucht noch zuweilen Rapport über Zeitungsnachrichten, und was in der Stadt vorgeht, und was in seiner Karlsakademie etwa seinen aufmerksamen Blicken entgehen könnte?[190]

HAUPTMANN. Durchlaucht haben noch zuweilen die Gnade, nach meinen Bemerkungen zu fragen, besonders in Sachen der öffentlichen Moral und des Rufes, welchen die hohe Karlsakademie im Auslande genießt, da diese preiswürdige Anstalt quasi Dero Steckenpferd ist.

GRÄFIN. Haben Sie neuester Zeit Günstiges oder Ungünstiges darüber zu berichten?

HAUPTMANN. C'est selon. Jugend hat nicht Tugend; aber im ganzen ist die Konduite der jungen Leute respektabel. Es ist nur ein kleines Häuflein, welches seit einiger Zeit eine verdächtige Kommunikation mit Leuten aus der Stadt und namentlich mit einem früheren Eleven unterhält –

GRÄFIN. Wer ist der frühere Eleve?

HAUPTMANN. Er ist aus dem medizinischen Fache und jetzt beim Grenadierregimente des General Augé angestellt als Regimentsfeldscher –

GRÄFIN. Schiller?!

GENERALIN. Schiller?!

LAURA. Schiller?!

HAUPTMANN. Friedrich Schiller – Gräfliche Gnaden sehen mich betroffen –

GRÄFIN. Wir sprachen eben von ihm! – Tun Sie mir doch den Gefallen, nach dem Theatersaale hinaufzugehn – wie weit ist die Probe, Laura?

LAURA. Ich war eben gestorben, als ich ankam, sie sind also jetzt schon mitten im letzten Akt, und der ist sehr kurz, sie müssen sogleich zu Ende sein.

GRÄFIN. Sie finden da unter den probierenden Karlsschülern den Anton Koch –

HAUPTMANN. Mir sehr wohl bekannt.

LAURA. Ein liebenswürdiger junger Beaumarchais!

GENERALIN. Ein leichtsinniger Patron!

HAUPTMAUN. Jawohl.

GRÄFIN. Und finden auch den Friedrich Schiller, welcher zur Probe kommandiert ist, weil er die Rolle des Clavigo schon früher gespielt, also inne hat, und weil der Herzog die Vorstellung rasch ermöglicht sehen will – diese beiden jungen Leute möchten sich[191] unmittelbar nach Schluß der Probe hierher zu mir verfügen. Rieger erscheint im Vorzimmer.

HAUPTMANN verbeugt sich; ab, links durch die Ecktür.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 25, Leipzig 1908–09, S. 190-192.
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