Vierte Szene.


[65] Gottsched. Gräfin Manteuffel. Wilhelmine. Bolza. Frau Gottsched. Cato. Schladritz.

Gottsched führt sehr förmlich die Gräfin und bleibt einen Augenblick vor dem sitzenden Schladritz stehen. Ihm folgt Bolza, welcher Wilhelminen führt. Sie bleiben rechts vom Tische stehen, während Gottsched und die Gräfin vor die hintere Mitte des Tisches, dem Publikum also gerade gegenüber, kommen, und Frau Gottsched, hinter allen hinum gehend, die linke Seite des Tisches gewinnt. Cato ist zuerst hinter dem Stuhle, auf welchem Schladritz sitzt, nahe der zweiten Tür rechts, und zieht sich später auf dieser Seite vor, so daß ihn Wilhelmine nicht eher[65] sieht, als bis er ihr den Stuhl setzt. Bis dahin spricht Bolza, immer beobachtet von Frau Gottsched, eifrig zu ihr, tritt aber einige Schritte zurück, als Cato den Stuhl für sie bringt, so daß er die Erkennungsszene zwischen ihr und Cato nicht bemerkt.


GOTTSCHED vor Schladritz. Du siehst, Adelgunde, daß dieser Mensch durchaus gestörten Wesens ist!

SCHLADRITZ aufspringend mit der Suppe und sie nach dem Tische tragend. Gestörten Wesens! Stöhnend. Zum Verzweifeln! Erst verrückt, nun gestört! Ja, der Mensch verrückt und stört mich, stört alles! Sowie er die Suppe aufgesetzt. Ach du gerechter, du gerechter Gott!

GOTTSCHED. Mensch, was ist schon wieder?

SCHLADRITZ. Messer und Gabeln liegen links von den Tellern! Herr Dekanus, jener Mensch ist kein Bedienter, so wahr –

GOTTSCHED schiebt ihn am Kragen mit der linken Hand in den Hintergrund. Er ein schlechter ist! Sessel! – Entschuldigen Sie, erlauchte Frau Gräfin, diese Ungebührlichkeiten eines bereits entlassenen Lakaien. Der heutige Tumult hat ihn nur noch für einige Stunden gegen meinen Willen im Hause erhalten!


Schladritz setzt unterdes links, Cato rechts Stühle. Als Cato Wilhelminens Stuhl bringe, erblickt ihn diese und ruft.


WILHELMINE. Fritz! Ach du lieber Gott!

BOLZA. Mein gnädiges Fräulein!

GOTTSCHED. Gnädigste Komtesse!

GRÄFIN. Was ist, mein Kind?

FRAU GOTTSCHED. Was geschieht denn?

SCHLADRITZ. Kuckuck!

CATO leise zu ihr. Verrate mich um Gottes willen nicht!

GRÄFIN. Was ist dir, Kind?


Kurze Pause.


CATO leise. Ich habe dich mit dem Stuhle gestoßen.

GRÄFIN. Aber so sprich doch, Wilhelmine! Was gibt's denn mit dem Domestiken?

WILHELMINE. Der ungeschickte – Mensch hat mich empfindlich –

CATO. – mit dem Stuhle gestoßen. Zu meinem größten Leidwesen.

SCHLADRITZ für sich. Aha! Wollen doch gleich in seinen Habseligkeiten nachsehen. Ab.[66]

GOTTSCHED. Kann Er sich nicht in acht nehmen! Zärtlich. Ich leide mit Ihnen, gnädigste Komtesse!


Man setzt sich, und Gottsched fängt an, stehenbleibend, Suppe vorzulegen.


GRÄFIN. Wir durften ja hoffen, geschätzte Frau Professorin, außer dem Herrn Grafen Balthasar auch den würdigen Herrn Professor Gellert an Ihrem Tische zu sehen. –

WILHELMINE. Kommt er nicht?

CATO. Da ist er!


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 25, Leipzig 1908–09, S. 65-67.
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