Sechste Szene.


[69] Schladritz. Die Vorigen.


SCHLADRITZ tritt hastig und sogleich schreiend ein bei den ersten Worten Catos. Ach du himmlischer Vater, du himmlischer Vater, nun ist's fertig! Er hat eine alte Jagdtasche so umgehängt, daß der Ranzen ihm vorn den Leib bedeckt. Schöne Geschichten das, schöne Geschichten!

ALLE. Was ist? Was gibt's?

SCHLADRITZ. Ich hab's gleich gesagt, wie die Wirtschaft losging.

FRAU GOTTSCHED. Was denn?

GOTTSCHED. Was denn? Was denn?

GELLERT. Was denn?

SCHLADRITZ. Ich hab' es gleich gesagt, Herr Professor: die Sache nimmt ein schlechtes Ende!

GOTTSCHED. Wird Er endlich sagen, was es gibt!

SCHLADRITZ in die Jagdtasche greifend und erst eine Broschüre herausziehend, den Kopf schüttelnd und sie in die andre Hand nehmend, dann aber einen Harlekinsanzug aus dem Ranzen herausziehend. Während er dies tut, sagt er unmittelbar auf Gottscheds Frage. Nu, warten Sie nur – das gibt's! Den Harlekinsanzug hinzeigend. Ein Hanswurst ist er! Da ist er!

GOTTSCHED. Wer?!

CATO für sich. Na, das fehlt noch! Jetzt, Geistesgegenwart, sei bei mir! Er wendet das Gesicht starr nach dem Publikum, als ginge ihn das alles nichts an.

SCHLADRITZ. Wer? Der neben Ihnen?

GOTTSCHED. Der Graf Bol – Balthasar!

SCHLADRITZ. Ach der wird sich doch nicht auch verkleiden! Auf der andern Seite ist der Eigentümer dieser Jagdtasche, der sogenannte Mosje Cato ist der saubre Hanswurst!

WILHELMINE leise. O Gott, wie schäm' ich mich für ihn!

GOTTSCHED in großer Aufregung. Hanswurst?! In meinem eigenen Hause! Mein eigner Diener! Nachdem ich die Hälfte meines Lebens daran gesetzt, diese kindische Possenfratze von der Bühne zu jagen! Cato die Hand zitternd auf die Schulter legend. Unglücklicher!

CATO bloß den Kopf nach ihm wendend mit dumm schalkhaftem Ausdrucke. Als wie ich?![70]

GOTTSCHED. Bist du einer jener Komödianten, der sich in mein Haus gelogen, um mein edelstes Streben so nichtswürdig zu verspotten? Dann bewahre uns Gott vor Unglück; denn ich könnte dich, Menschenkind, ich könnte dich ermorden – sprich! Er faßt dabei krampfhaft mit beiden Händen nach Catos Schulter.

CATO vollkommen ernsthaft und entschlossen ihn mit einem Griff zurückdrängend. Halt da! Nicht anrühren, sonst trifft das Unglück Sie allein.

GOTTSCHED prallt zurück; alle weichen einen Schritt.

CATO zum alten Tone übergehend. Verzeihung. Ich bin darum außer mir, weil – weil ich so verkannt werde. Herr Professor der schönsten Künste, Streiter für edlen Geschmack, ich Hanswurst?! Oh, welch ein Gedanke, welch eine Erniedrigung! Ja, nach Erscheinung dieses bunten Kleides muß ich nun wohl gestehen, daß ich mich der Gaukelei auf dem Theater allerdings hingegeben, aber, – als Ihr Fahnenträger, im edelsten Geschmack, Herr Professor! Und nun, da meines Herzens Geheimnis so jählings ans Tageslicht gerissen wird durch einen Böotier Schladritz zuckt. nun muß ich ruhmredig erscheinen und die ganze Wahrheit sagen, die ganze! Ja, Herr Professor, jenes bunte Kleid ist meine Trophäe, ist das Siegeszeichen meiner künstlerischen Laufbahn! Vier Meilen von hier, zu Weißenfels an der Saale hab' ich das Kleid einer Komödiantentruppe abgerungen mit Gefahr meiner edelsten Gliedmaßen, abgerungen, Herr, um den letzten Hanswurst unmöglich zu machen, unmöglich; denn jene Frevler haben kein Geld, ein neues solches Kleid anfertigen zu lassen. Triumphierend flog ich mit der Beute hierher nach Leipzig, um sie zu Ihren Füßen niederzulegen in einer geweihten Stunde, und hier erleb' ich solche Erniedrigung, o Herr Professor, dies ist eine schmerzliche Situation für ein gebildetes Herz!


Kurze Pause.


GOTTSCHED. Es wäre –?

SCHLADRITZ. Das ist ein Schelm, der Sie zum Narren hat, Herr Professor. – Man hört in weiter Ferne einen Trompetenmarsch.

GOTTSCHED. Schweig Er! Zu Cato. Und Er –

BOLZA. Still! – – Das sind die Trompeten –

CATO. Von Jericho!

BOLZA. Still! – – Ich kenne sie! Das sind die Trompeten der einrückenden Kürassiere!

[71] FRAU GOTTSCHED. Schon!

GOTTSCHED. Sie kennen sie!

GELLERT. Nun gilt's!

CATO. Jetzt geht's los!

GRÄFIN. O Gott!

GOTTSCHED. – Der Kürassiere!


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 25, Leipzig 1908–09, S. 69-72.
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