Dritte Szene.


[94] Brahe. Bald darauf Malström.


BRAHE sich den Kopf haltend. Was wird aus alle dem? Mein Kopf faßt es nicht – eins sieht er nur: dies ist ein Weib, wie sehr sie's leugne, und im entscheidenden Augenblick fehlt uns nur ein Mann, der ihr beistimmte, ihm würde sie widersprechen. – Karl Gustav kann diese Bedingungen nicht eingehen! Ich will eilen, den einzig übrigen Ausweg zu gewinnen, der Gustav Adolfs Tochter auf ihren Platz, an ihre Pflicht zurückführt! Eilig nach der Tür zu gehend.[94]

MALSTRÖM eilig eintretend und ihn aufhaltend. Da seid Ihr! Und ein Brahe ist müßig in einem solchen Momente, wo seines Freundes, Gustav Adolfs, Tochter ins Werk setzen will, was ihres Vaters und ihrer und unser aller unwürdig ist!

BRAHE. Es geschieht nicht! Ich bin nicht müßig! Halt mich nicht auf!

MALSTRÖM. Sonst noch was? Ist's nicht himmelschreiend genug, was die Kanonen für die nächste Stunde ankündigen? Ist's nicht eine Schmach für Schweden, für uns alle? Als ob unsre Krone ein Spielzeug für Kinder sei? Als ob man sie verschenken könne wie einen eitlen Schmuck! Was an mir liegt, ich widerspreche, ich widersetze mich.

BRAHE. Der Fall ist interessant: in England zwingen sie König Stuart, vom Throne zu steigen, in Schweden will man die Königin zwingen, auf dem Throne zu bleiben – eins wie das andere gegen den Königsbegriff.

MALSTRÖM. Wahrhaftig, diese Abdankungen, welche Kaiser Karl begonnen, sind wie jenes Cromwellregiment gegen den Königsbegriff! Wenn sich das Hauptglied willkürlich, nach seinem Belieben loslöst von der großen Kette gesellschaftlichen Wesens, so löst sich die Kette ebenso, als wenn eine andere Gewalt sie sprengt, sie löst sich stiller, aber ihr fester Kreis ist ebenso gebrochen. Das hätte nie ein skandinavischer König getan, er hätte nie sein mit den Vasallen geknüpftes, für seine Lebenszeit geknüpftes Band aus bloßer Laune zerrissen, nein, fremde Elemente sind in skandinavisches Blut gekommen, sie tragen die Schuld! Dies Herbeiziehn der Fremden hat den keuschen heimatlichen Sinn, hat den treuen Sinn verdorben, das Einmischen fremder Art gibt unrein Gebräu!

BRAHE. Beweise nicht zuviel, um etwas zu beweisen!

MALSTRÖM. Das Ärgste kann man diesem Treiben Christinens nachsagen: dies Korrespondieren mit allen Gelehrten Europas hat die unruhigen, die falschen Maßstäbe in dies Königshaus gebracht! Der Gelehrte, welcher nur die allgemeinen Fragen der Welt betreibt, muß andern Kreisen folgen, als das Haupt eines bestimmten Volkes: ein weiser Regent ist Segen für den Thron, ein Regent der Weisheit ist Unsegen auf dem Throne. Und waren's bloß Gelehrte, mit denen die Königin durch ganz Europa verkehrt? Sind nicht leichtsinnige Frondeurs darunter, in deren Worten der Aufruhr[95] wohnt? Ist nicht jener Scarron darunter? Sind es nicht meist Katholiken?

BRAHE. Aber sollen wir uns nicht vielmehr solcher wiederkehrenden Harmonie freuen nach einem dreißigjährigen Kriege?

MALSTRÖM. Harmonie! Wenn schwarz und weiß zusammengehn, was gibt's? Ein greulich Grau. Dieser schleichende Franzose Bourdelot, dieser hochmütige, intrigante Spanier Pimentel, sie haben das Herz der Königin verwirrt, mehr noch, als dieser abenteuerliche Monaldeschi, dem ich mein Schwert durch den Leib stoße, sobald ich erfahre, er habe die Abdankung befördert. Dahin ist aus diesem Hause jener einfache fromme Sinn, in welchem der selige Gustav Adolf sein Leben auf dem Acker bei Lützen ließ, unwiederbringlich dahin! Gestern hatte die Königin ihr Gesangbuch im Kirchenstuhle liegen lassen, ich will es ihr nachbringen und werfe zufällig einen Blick hinein – was seh' ich? Der lateinische Dichter Virgilius ist's statt des Gesangbuchs! Sie hat keinen Sinn mehr für unsere Art, sie ist von den Fremden verdorben!

BRAHE langsam vor sich hin. Sie hat keinen Sinn mehr für unsere Art – das kann wohl sein!

MALSTRÖM. Und sie will nur über die Ostsee, über die Alpen hinüber, um katholisch zu werden!

BRAHE. Das wolle Gott den Manen ihres Vaters nicht antun!

MALSTRÖM. Wir sind da, es zu verhüten! Umsonst hab' ich immer geeifert gegen dies Dahlen und Liebeln mit Fremdlingen, nie mochtet ihr hören. Sagt' ich: Sie bereichern sich mit unsrer Armut, sie plündern dieselben Bibliotheken, die sie mit unserm Gelde angeschafft, so hieß es, ich übertriebe, und wissenschaftlicher Sinn sei unschätzbar –

BRAHE. Das bleibt er auch.

MALSTRÖM. Wer nicht eigen sein kann, macht sich zum Zwittergeschöpf und geht mit allem Reichtume zugrunde –

BRAHE. Wer nicht lernen kann, wird Barbar, wie stark er sei –

MALSTRÖM. Eine bloß literarische Königin sein wollen im Schwedenlande, heißt Feigen und Datteln ziehn, wo nur Korn und Eisen wächst!

BRAHE. Warum soll eine begabte Königin ihre Anlagen nicht[96] pflegen? Wenn der König die feinste Blüte der Menschheit nicht achtet, wie kann sie, die leicht verletzte, dann noch gedeihen!

MALSTRÖM. Jetzt zeigt sie, daß das Spiel des Lebens und die sogenannte feinste Blüte ihr wichtiger ist, als ihre Pflicht, jetzt sind wir am Ende!

BRAHE der immer nachsinnend sich verhalten, fährt auf. Noch nicht! Noch nicht! Gott, ich versäume – Man hört eine Fanfare blasen. Da tritt der Reichsrat schon zusammen, und ich – Will eilig ab.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 94-97.
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