Sechste Szene.


[118] Der blasse Monddämmer läßt die Gegenstände nur unsicher erkennen.

Malström. Monaldeschi kommen herauf.

Ein Schiffer folgt ihnen so weit, daß die Hälfte seines Leibes aus der Luke herausragt.


MALSTRÖM. Seid nicht zu rasch! Ihr waget Hals und Kragen.

MONALDESCHI zu dem Schiffer. Hab' acht und richt' es schnell ins Werk – König Karl Gustav und die Nation werden dir's lohnen – schon schwankt mit dem aufgehenden Monde der Wind, hat er erst die Nebel besiegt und kommt er zu Macht, so geht der Wind hinüber nach Südwest. Nütze den Wechsel rasch, und ziehe[118] dann sogleich alle Segel auf! Schiffer verschwindet.


Lachend.


Was wissen die Weiber! Die Nacht ist verschwiegen,

Sie halten's für dänisch Land, was sie am Morgen sehn,

Und steigen aus, und Schweden hat sie wieder.


Sylva und Santinelli horchen auf.


MALSTRÖM. Ihr geht einen verwegnen Schritt –

MONALDESCHI. Die Lage ist verwegen und fordert ihn.

MALSTRÖM. Seit ich Eure Herkunft kenne, hindre ich Euch nicht mehr in Euren Schritten, Ihr seid mir nicht mehr der rechtlose, zudringliche Fremdling – aber ich kann mich nicht dergestalt alles persönlichen Gefühls entäußern, daß ich mich zu gewaltsamem Überfalle mit Euch verbünden könnte. Das kann ich nicht. Ich schweige, weil ich eine Änderung, weil ich eine Rückkehr der Königin für politisch notwendig erachte – sie führt Reichtum und Ehre aus unserm Vaterlande hinweg, ich seh' es kommen, daß sie uns den Schmerz, unsrer glorreichen Geschichte den Spott antut, die teuer errungene Landesreligion zu verleugnen – aber ich kann sie nicht behandeln wie eine Gefangene, wie eine Törin.

MONALDESCHI. Ich kann's.

MALSTRÖM. Habt Ihr kein Herz?

MONALDESCHI.

Nein, was Ihr so nennt, das hab' ich nicht.

Mir ist's ein kleines Leben, für die Neigung,

Für Mitleidszittern große Zwecke zu opfern –

Den Geist lieb' ich, der haftet nicht an Neigung,

Und meine Mutter würd' ich fesseln lassen,

Seh' ich sie geistesschwach auf falscher Bahn.

MALSTRÖM.

Ein wüstes Leben, stets ins Weite greifend,

Verzerrt das Herz, verliert den Menschenhalt,

Und dieser Halt ist Gottes eigne Hand,

Die uns im Weltenwirbel schützt und leitet.

MONALDESCHI.

Kann sein – solch wüstem Sinne gilt es hier:

Christine steuert wüstem Triebe nach,

Ein regelvolles Dasein wirft sie weg,

Ein wohlgefügtes, mächt'ges, festes Dasein,

Als ob's ein Spielzeug sei, und weibischer Laune

Sucht sie in weiter Welt Befriedigung –

Ist dies der Menschenhalt in Gottes Hand?[119]

MALSTRÖM.

Das ist es nicht – allein wer füllt den Bruch,

Der schon geschehn?

MONALDESCHI.

Der Mensch kann alles.

MALSTRÖM.

Das kann er nicht – er kann nur sich vollenden;

Was ihm Gesetz ward, überwältigt ihn,

Und Gott nur selber zwinget den Charakter –

Wer alles können will, bringt nichts zustande.

MONALDESCHI.

Karl Gustav ist ein klarer, tücht'ger Mann,

In klarer, mäß'ger Neigung bot er dreimal

Christinen seine Hand zum Ehebunde:

So wär' ein Mann zu ihr emporgestiegen,

Der von ihr nahm, was ihr verdrießlich ist

Am Regiment, und der die freie Macht

Der Majestät ihr streng gesichert hätte –

So gab es Freiheit, gab es Halt für sie;

Das soll ihr werden mit dem nächsten Morgen,

Und soll ihr werden wider ihren Willen!

Karl Gustav ist auf alles vorbereitet,

Harrt auf der Insel Öland unsrer Ankunft –

Füll' dich, Südwest, du treibst ein Königspaar,

Das Irrtum trennte, vor den Traualtar.

MALSTRÖM.

Erstaunt hör' ich dir zu! Du bist derselbe,

Der für Christinens Liebesgünstling gilt,

Und du vermissest dich des Wagestücks,

Sie einem Ehegatten zuzuführen,

Der jung und stark und König obenein?

MONALDESCHI.

Just, weil er König ist! Was gilt es mir,

Machtlosen Weibes Neigung zu besitzen!

Und eine Neigung ohne Lebenstrieb!

Kennt Ihr Christinen nicht? Das süße Wohlbehagen,

Das ausströmt aus dem Zauberschoß der Sinne,

Das eigenmächtig Wunderwelten baut,

Des Geistes Kraft beflügelnd, überflügelnd,

Dies unabhängige Geschenk des Himmels,

Wahllos verteilt an Große und Geringe,

Es fehlt ihr ganz! – sprich nicht von ihrer Liebe!

Ihr Geist nur ahnt Bedürfnis unsrer Liebe,

Und baut danach ein ärmlich Schattenbild,[120]

Sie baut es mühsam, um auch dieser Kenntnis

Teilhaft zu sein, wie jeder andern Kenntnis –

Ja, Kenntnis, Kenntnis! Dieses magre Wort

Ist alles, was sie suchen kann und finden –

Genuß, die volle Menschenoffenbarung,

Ist ihr versagt – nun frag' nach ihrer Liebe,

Und ob sie Liebe wecken kann bei Männern!

MALSTRÖM.

Und kennt sie dich mit dieser Denkungsweise?

MONALDESCHI.

Was weiß ich! Das nur weiß ich: Niemand wirkt

Was Rechts mit angelernten Dingen – nur

Die Handlung aus dem echten Naturell,

Aus meinem Kern heraus zeugt wahrhaft Leben.

MALSTRÖM.

Und kennt sie dich, wie wird sie dir begegnen?

MONALDESCHI.

Ich handle nur mich selbst, und was es bringt,

Das ist mir angemessen, ist mein Schicksal;

Die Kräfte, die es zeugten, werden's tragen.

Dies sichert mich vor mittelmäß'gem Lose –

Und kehrt das Starke, was ich aufgeregt,

Sich gegen mich, so ist's nicht minder mein:

Des Blitzes Strahl, der mich darnieder schmettert,

Ist mein geworden, ob er mich zerschmettre.

MALSTRÖM.

Leb' wohl!

MONALDESCHI.

Ihr geht nicht meine Bahn?

MALSTRÖM.

Leb wohl!

Du lehrst ja selbst: Ein jeder gehe seine.


Ab.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 118-121.
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Monaldeschi
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