Erste Szene.


[125] Zimmer mit Aussicht auf die Gärten, geschmückt mit Königsbildern.

Christine.


CHRISTINE sitzt an einem Schreibtische, sie hört auf zu schreiben und sieht vor sich hin.

Es will mir keine Sammlung mehr gelingen!

Sonst mitten im Getümmel des Regierens

Fand ich sie leicht – und seit ich unbeschäftigt

Und frei für Kunst und Wissenschaft geworden,

Seitdem verstört mich wirbelnde Zerstreutheit:

Der falsche Giulio ist schuld! – Ist er's allein?

Ach! ich mit ihm und alles ringsumher –

Er hatte damals recht! Sie tragen alle,

Die mir gefolgt, mit schwerem, schwerem Herzen

Die Fremde und das unruhvolle Wandern;

Die saure Pflicht steht ihnen eingeschrieben

Mit tiefen Zügen auf der Stirn – ich bin

Beinah allein!


Sie steht auf und tritt aus Fenster.


Ihr verwilderten Gärten, ihr stillen Höfe

Fontainebleaus!

Manchen seufzenden König habt ihr gesehn,

Und doch seht ihr in mir was Neues,

Was vielleicht noch trauriger ist.


Wendet raschen Schrittes um.


Und doch ist er ein Schurke!

Er frevelt nicht bloß an meiner Würde,

Er frevelt an meinem Herzen!

Denn er ist kalt und gefühllos und undankbar.

Als sein Verrat auf offner See

Entdeckt ward und verhindert,

Wie frech stand er da!

Über Bord mit ihm! Hinab ins Meer!

Rief alles, und es zuckte auch mir

Die Lippe, es zu bestät'gen –

Da traf mich seines Auges Strahl,[125]

Es traf mich sein schneidendes Wort:

»Ersäufe den einzigen, der für die Königin sorget!«

Und ich vergab ihm!

Denn er hatte recht wie immer –

Für der Königin Haupt sorgt er am besten!


Sie nimmt einen Brief vom Tische.


Und doch schreibt mir der Jesuit aus Paris,

Er habe mich an Mazarin verraten –

Sie hassen ihn alle – und ich allein?

Und ich? – Mißhandelt er nicht mein Herz?

Und wie ich es wende, so bleibt er doch

Ein undankbarer Schurke!


Sie eilt an den Tisch und klingelt.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 125-126.
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