Zweite Szene.


[126] Santinelli tritt auf. Christine.


CHRISTINE geht noch einige Male auf und nieder, setzt sich dann, schweigt aber noch eine Weile.

Santinelli! Heut darfst du's sagen,

Was dir so lang' das neid'sche Herz gedrückt:

So sprich die Wahrheit und die Wahrheit nur!

SANTINELLI. Majestät!

CHRISTINE.

Noch nicht – du weißt, ich kenne deinen Haß,

Den du von je gehegt auf Monaldeschi,

Du weißt, ich mißtrau' deinen Mitteilungen,

Sag' also nichts, was du nicht ganz beweisen

Und mit Beweisen mir erhärten kannst,

Dein Kopf steht auf dem Spiele, Santinelli!

SANTINELLI. Majestät!

CHRISTINE.

Noch nicht – bedenk' noch eins! Dein Feind

Giulio Monaldeschi ist mir wert,

Und was, wieviel er gegen mich auch fehle

Im Kreis der Politik – er bleibt mir wert;

Kannst du nichts anderes ihm anbeweisen,

So glückt's dir nimmer, daß ich ihn verderbe,

Dich aber trifft der unwillkommne Lohn

Des unwillkommnen Klägers jedenfalls.

Jetzt sprich, wenn du's für gut hältst, oder geh!

Und wisse, daß ich dir dein Schweigen danke.[126]

SANTINELLI.

Ich werde sprechen, Majestät.

CHRISTINE.

Verwegner!

Als du zu rechter Stunde abgehorcht

Auf hoher See, daß Monaldeschi mich

Zurück nach Schweden steuern lassen

Und mich auf Öland in des Königs Hände

Ausliefern wollte – damals sagtest du,

Es sei sein Sinn gewesen, mich Karl Gustav

Zur Hochzeit zuzuführen –

SANTINELLI.

Also sprach ich,

Und also sprech' ich noch.

CHRISTINE.

Das ist unmöglich.

SANTINELLI.

Zum Grafen Malström sprach er's aus, und Malström

Wird's Euch erhärten.

CHRISTINE.

Malström schweigt – es wird

Ein leichtes Zorneswort gewesen sein,

Wie man's hinauswirft in die Luft –

SANTINELLI.

Das war

Schon damals Eure königliche Antwort.

So ließt Ihr ihn in Gnaden mit uns ziehn

Nach Flandern – und er blieb derselbe Mann

In Tücke gegen Euch, ob auch begnadigt.

Ich tat, was meines Amts: ich forschte

Und suchte seiner Briefschaft Herr zu werden,

Weil Ihr nur schwarz auf weiß mir glauben wolltet –

Ich kam zum Ziele.

CHRISTINE.

Wie?

SANTINELLI.

An jenem Tage,

Der uns gesegnet war, da Ihr zu Brüssel

In unsrer Kirche gnadenreichen Schoß

Zurückekehrtet, da an jenem Tage

Fiel der Verräter ganz in meine Hand.

Es wird sich Eure Majestät erinnern,

Daß er, obwohl er selber Katholik,

Sich mehr denn jemals ungebärdig zeigte,

Als dieser Schritt geschah – er ging hinweg

Mit Lästerungen, die das ganze Schloß

Und alle Spanier mit Zorn erfüllten –[127]

Kaum war er aus dem Tor, so kam ein Reiter

Vom Grasen Tott, dem schwedischen Gesandten,

Den man auf seinen Antrieb Euch geschickt,

Um Euch zu warnen und zurückzubringen.

Der Reitende gab die Depeschen mir,

Weil Monaldeschi nicht zugegen war,

Und unter den Depeschen war ein Brief,

In dem sich alles das bestätigt findet,

Was Ihr nicht glaubt –

CHRISTINE.

Du hast den Brief?

SANTINELLI.

Zu Eurem Dienst.


Überreicht ihn.


Karl Gustav läßt ihm schreiben,

Er solle Euch, wie er es zugesagt,

Um jeden Preis zurück nach Schweden bringen,

Früh oder spät, dem Könige zur Gemahlin.


Pause.


Ihr hörtet nicht auf mich. – Als wir in Rom

In aller Pracht des Kirchenreiches lebten,

Kam mir ein Brief derselben Art zu Händen,

Vom Könige Karl Gustav selbst gezeichnet –

Der König fordert drin von Monaldeschi:

Er solle Euch, wie er es stets versprochen,

Um jeden Preis zurück nach Schweden bringen,

Früh oder spät, dem Könige zur Gemahlin.

CHRISTINE.

Du hast den Brief?

SANTINELLI.

Zur Eurem Dienst.


Überreicht ihn.


Ihr hörtet nicht auf mich.

Der Brief beweist, daß Monaldeschi Euch

Von Rom hinweg hierher nach Frankreich lockte,

Daß es sein Werk ist, wenn man Euch dahier

Unköniglich empfangen, wenn man Euch

Geheißen hat, in diesem leeren Schlosse

Fontainebleau zu bleiben spät im Jahre,

Da niemand kommt an diesen öden Ort –

CHRISTINE.

Bist du zu Ende?

SANTINELLI.

Nein. Ich trat Euch gestern

Von neuem an, mir endlich zuzuhören,

Weil gestern mir ein dritter Fund gelang.

Den Hirsch zu jagen wart Ihr mit ihm draußen,

Da kam von Mazarin, dem Kardinale,[128]

Der dieses Land regieret, ein Kurier.

Dies war ein echt leichtsinniger Franzose,

Und fragte bloß: Seid Ihr der Italiener?

Ich bin's! sprach ich – lest, was geschrieben steht!


Ein Schreiben überreichend.


CHRISTINE.

Lies!

SANTINELLI liest.

»Wir billigen vollkommen Schwedens Ansicht,

Daß es ihm rühmlich und von Vorteil sei,

Wenn Königin Christine ihr Verweilen

Und ihr unstetes Wandern außer Landes

Aufgeben wolle, oder end'gen müsse« –

CHRISTINE.

Mazarino!

SANTINELLI.

»Ein großer Teil der schwed'schen Revenüen

Wird dergestalt im Auslande verzehrt,

Und Schweden, unserm treuen Alliierten,

Das niemals reich an Geldeskräften war,

Entzogen. Auch begreifen wir gar wohl,

Obwohl wir selber gute Katholiken,

Daß der Verkehr der Königin mit Rom

Viel böses Blut erzeugen muß in Schweden.

Und so erklären wir uns denn bereit,

Im Sinne unsers alten Alliierten,

Euch, Herr Marquis, mit Ernst zu unterstützen,

Daß diese Dinge ihre Endschaft finden.

Ihr seid dazu vom Könige Karl Gustav

Uns wohl empfohlen schon seit langer Zeit.

Es hofft der König, daß die Königin

Christine, die verstört und hoffnungslos

Geschildert wird, sich willig fügen werde,

Ihm ihre Hand zu reichen, und damit

In schwed'sche Glaubensform zurückzukehren,

Wenn sie nur erst auf Schwedens Boden sei.

Dies zu bewirken soll Euch aller Vorschub,

Mein Herr Marquis, von uns zu Diensten sein.

In diesem Sinne haben wir bereits

Die Königin nicht nach Paris gelassen;

Wir werden sorgen, daß sich binnen kurzem

Auf unverdächtig lockende Manier[129]

Gelegenheit und Einladung ihr biete

Zu einem Ausflug nach der Normandie.

Es wird Schloß Eu, das ihr historisch wichtig,

In solcher Einladung begriffen sein.

Nur einen Schuß weit liegt es ab vom Meere,

Vom Hafenstädtchen Tréport – dort erwartet

Euch eine wohlbestellte Galeone,

Sich zur Spazierfahrt bietend an der Küste,

Sie bringt Euch gradesweges nach Stockholm,

Und Eure Aufgabe, Marquis, ist nur,

Die Königin bis auf das Schiff zu locken.

Giulio Mazarino.«


Pause. Santinelli legt ihr den Brief zu den übrigen.


CHRISTINE.

Bist du zu Ende?

SANTINELLI.

Jetzt bin ich zu Ende.


Pause.


CHRISTINE.

Du bist entlassen.


Santinelli, einen Augenblick stutzend, verbeugt sich und geht ab.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 126-130.
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