Vierte Szene.


[130] Sylva. – Christine.


SYLVA tritt durch die Tür ein, welche dem Ein- und Ausgange Santinellis gegenüber ist – sie bleibt an der Tür stehen.

Vergebung, Majestät, Ihr habt befohlen –

CHRISTINE sie nicht bemerkend.

Unglücklich! 's ist ein Wort tief wie der See!


Pause.


SYLVA. Vergebung, Majestät, Ihr habt befohlen –[130]

CHRISTINE.

Ach Sylva, du bist da, – ja Kind!

Ja ja! 's geht viel in eine Stunde – ja,

Ich ließ dich bitten, – komm du zu mir, komm!


Sylva kommt zu ihrem Stuhle und kniet.


Dein wohlgebildet Antlitz ist wie Sonne –

Wie geht es dir?

SYLVA.

Ach, meine gnäd'ge Frau,

Ihr seht so traurig – ist Euch was geschehn?

CHRISTINE.

Bist du ganz hergestellt?

SYLVA.

Ja, Königin,

Schon lange – – 's war ein kurzes Fieber nur,

Ein Irrtum, der die Sinne mir betäubte,

Jetzt seh' ich alles wieder richtig an,

Und liebe alles wieder wie vorher –

CHRISTINE.

Glückselig Kind, das nur ein kurzes Fieber

Zu überwinden hat!

SYLVA.

O seid Ihr traurig!

Und kann ich Euch nicht trösten, hohe Frau?

CHRISTINE.

Nein, gute Sylva. Trost ist jener Arzt,

Der dann erst kommt, wenn unsre Wunden heilen,

Und ich bin nicht verwundet, ich bin krank,

Bin krank von meiner Mutter Schoße her;

Mein Blut ist's, das mich unruhvoll vorüber

An jeglichem Besitze treibt, an jedem Glücke –

So kann ich mit dem Tode erst genesen.

SYLVA.

O nein, Ihr seid so reich an Gaben!

CHRISTINE.

Ja!

An Gaben zum Empfang, nicht zum Genusse!

Ich konnte alles, alles an mich reißen,

Und wenn ich's hatte, ward's ein eitler Tand –

Ihr Wenigen, die ihr mir nachgefolgt,

Wie leidet ihr!

SYLVA.

Nicht doch!

CHRISTINE.

Ich seh' es wohl!

Nicht mir, nicht meinem Herzen opfert ihr,

Nur einem Pflichtgedanken opfert ihr!

Tät' ich Unwürdiges, was euch entbände,

Ihr flögt davon wie freigelaßne Vögel –[131]

Sag' nichts – ich weiß es – aber merke dir

Des Rätsels Lösung: sei das ganz, wozu

Dich die Natur bestimmt, sei ganz ein Weib!

Dann hält dich die Natur in glücklichen Kreisen.


Ihr liebkosend.


Du Glückskind mit dem lieblichen Gesicht,

Wie unnütz rat' ich dir! Das ist dein Glück,

Daß du nicht schwanken kannst, ein Weib zu sein –

Was trägst du denn da Schimmerndes im Busen?

So tief versteckt? – Ist es ein Talisman?

SYLVA zitternd.

Ach nein – ich lieb' es nicht – ich will es alle Tage

Abtun – laßt! – Dämonisch ist es! Laßt!

CHRISTINE hat das Amulett hervorgezogen, und schreit auf – sie reißt es ihr hastig ab.

SYLVA aufspringend. Ihr tut mir weh! –

CHRISTINE die ebenfalls aufgesprungen ist. Hinweg!

SYLVA stolz. Majestät!

CHRISTINE. Hinweg! – Wo hast du's her?

SYLVA. 's ist min! Gleichviel woher – ich hab's gefunden!

CHRISTINE. Am Halse eines Liebsten hat du's gefunden!

Hinweg mit dir!

SYLVA steht einen Augenblick unschlüssig und geht dann rasch.


Quelle:
Heinrich Laube: Gesammelte Werke in fünfzig Bänden. Band 23, Leipzig 1908–09, S. 130-132.
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