14. Auftritt

[90] Ulrike. Ida. Schöller.


SCHÖLLER durch die Mitte. Sie entschuldigen, meine Herrschaften, sind nicht zwei Damen, eine ältere und eine jüngere, soeben bei Ihnen eingetroffen?[90]

ULRIKE. Ganz richtig.

IDA beiseite. Ob das auch einer ist?

SCHÖLLER. Sie müssen nämlich wissen, aber pardon, daß ich mich noch nicht vorgestellt habe – mein Name ist Schöller und ich –


Ida und Ulrike springen freudig auf ihn zu und schütteln ihm die Hände.


ULRIKE. Gott sei Lob und Dank! Endlich sind Sie da!

IDA. Mit welcher Sehnsucht haben wir Ihre Ankunft entgegengesehen.

ULRIKE. Welch ein Glück, daß Sie gekommen sind, wir sind ja fast verzweifelt.

SCHÖLLER verlegen. O meine Damen, ich bin ganz gerührt – dieser schmeichelhafte Empfang – meine geringe Persönlichkeit – ich weiß gar nicht –

IDA. Na, Sie werden Augen machen. 's ist noch einmal glücklich abgelaufen.

ULRIKE. Wir haben aber auch fast kein Zimmer im ganzen Hause mehr frei. Ueberall sitzt einer oder eine.

SCHÖLLER verdutzt. Sitzt eine? – Wollen Sie mir nicht bitte erklären was –

IDA. Ja, haben Sie denn nicht die Depesche meines Onkels Klapproth erhalten?

SCHÖLLER. Nein. Ich bin –[91]

ULRIKE. Dann haben Sie auch wohl keine Zwangsjacke mitgebracht?

IDA. Und ein paar kräftige Wärter?

SCHÖLLER perplex. Zwangsjacken? Wärter? Für sich. Wo bin ich denn hingeraten? Retiriert ängstlich.

ULRIKE. Da können Sie ja gar nicht die Gesellschaft zurücktransportieren.

SCHÖLLER. Gesellschaft? Zurücktransportieren? Ja, von wem reden Sie denn eigentlich?

IDA. Nun von diesem Monsieur »Bernhardy« zum Beispiel.

SCHÖLLER. Wie, der ist hier bei Ihnen?

ULRIKE. Ja. Und außerdem ein alter wütender Major.

IDA. Und die übergeschnappte Schriftstellerin.

ULRIKE. Und ein junger Mensch, der kein »L« aussprechen kann.

SCHÖLLER. Der Schlingel auch?

ULRIKE. Und eine Frau mit der fixen Idee, mein Bruder wolle ihr Schwiegersohn werden.

SCHÖLLER. Heiliges Donnerwetter, habe ich nicht so was geahnt?

IDA. Geht Ihnen jetzt ein Licht auf? Aber beruhigen Sie[92] sich, sie sind alle fest hinter Schloß und Riegel. Onkel hat alle eingesperrt.

SCHÖLLER. Eingesperrt? Ja, aber warum denn?

ULRIKE. Du liebe Zeit, passen Sie doch in Zukunft besser auf, Sie können doch nicht anderen Leuten zumuten, die geisteskranken Patienten, die aus Ihrer Anstalt entsprungen sind, auch noch frei herumlaufen zu lassen.

SCHÖLLER wütend. Jetzt reißt mir aber die Geduld! Wollen Sie mich zum Narren haben? Wofür halten Sie mich denn eigentlich?

IDA. Aber lieber Herr Direktor!

ULRIKE. Sie haben doch eine Heilanstalt für Geisteskranke.

SCHÖLLER. Wie können Sie sich erlauben, meine Familienpension eine Heilanstalt zu nennen?

IDA. Sie haben eine Familienpension?

ULRIKE. Ja, aber die Patienten, die bei Ihnen entsprungen und nun bei uns eingesperrt sind?

SCHÖLLER. Sind harmlose Leute und wenigstens so vernünftig wie wir, wenn auch der eine oder der andere seine kleinen Sonderlichkeiten hat. Wie in aller Welt sind Sie denn nur auf eine so haarsträubende Idee gekommen?

ULRIKE. Mein Bruder behauptet es.[93]

IDA. Ja ja, der Onkel Klapproth, der hat sie auch alle eingesperrt.

SCHÖLLER. Dann ist er selbst verrückt, so gewiß, wie zweimal zwei vier ist!

IDA. Wie können Sie sich unterstehen, mein Herr –

ULRIKE. Laß nur, Ida. Herr Schöller hat nur ausgesprochen, was ich so halb und halb geahnt habe.

IDA. Mama, das wäre ja entsetzlich! Der gute, liebe Onkel!

SCHÖLLER. Es täte mir selbst leid um ihn, 's ist sonst so ein netter, fideler, alter Herr.

IDA. Was soll nun daraus werden?

ULRIKE. Ich bin ratlos!

SCHÖLLE. Fürchten Sie nichts, meine Damen, ich rede mit den vermeintlichen Geisteskranken, setze ihnen die Sache auseinander und bewege sie mit mir zur Abreise, so daß Herr Klapproth meint, sie würden nach der Anstalt zurücktransportiert. Sie jedoch suchen in jeder Weise beruhigend auf seinen Seelenzustand zu wirken, bis ein tüchtiger Arzt Gelegenheit hat, ihn zu untersuchen und zu beobachten.

ULRIKE. Ja, ja, so wird's am besten sein.

IDA. Aber bitte, dann gehen Sie zuerst zu dem Major, der fing vorhin schon an, ungeduldig zu werden.

SCHÖLLER. Na, das kann gut werden!


Ida räumt den Tisch links fort und Schöller geht links vorn ab.


Quelle:
Carl Laufs: Pension Schöller. Berlin 11[o.J.], S. 90-94.
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