100. Beschreibung der Stadt Rostock.

[349] Die Stadt Rostock hat ihren Nahmen von den Rosen /darum sie auch genennet wird / Urbs Rosarum, Rodante, Rhodopolis, (eine Rose heist Griechisch ῥόδοη,) ist zu erst gewesen ein kleines[349] Dörfflein /darinnen niemand als Fischer gewohnet. Hernacher aber ist diß Dorff zu einer Stadt gemacht für 487. Jahren: Nemlich im Jahr 1160. vom Könige Prisbislao, welcher der letzte unter den Wendischen und Mecklenburgischen Königen gewesen. Dann nach ihm seynd keine Könige / sondern Fürsten kommen / und ist Mecklenburg aus einem Königreich zum Fürstenthum gemacht. Es ist aber Rostock gelegen in Mecklenburg an der Warnau / daher die gebräuchliche Phrasis, Varniades Musæ, das ist / die Rostocker Academia. Der Warnau Ursprung aber ist im Dorff Hertzberg / 4. Meil von Parchim / und läufft erstlich auf Kribitz und Sternberg / hernach auf Butzow und Schwerin / daß man also von diesen Städten nach Rostock mit Boten fahren kan; Endlich fleußt die Warnau zu Warnemünde in den Belt / oder das Baltische Meer. Daher diese Phrasis: Musæ Balthicæ, Vicinæ ad Littora Balthes, das ist gleichfalls die Universität zu Rostock. Die Grösse der Stadt belangend / hat sie in ihrem Umkreiß 2200. Geometrische Schritt / jeden Schritt gerechnet auf dritthalb unserer Ellen / derer Schritt 4000. eine teutsche Meile thun. Die Breite vom Stein-Thor oder Mühlen-Thor biß an die Warnau hatt ohngefehr 330. solcher Schritte / die Länge vom Boamauischen / oder Kröplenischen Thor / biß an die S. Peters Thor / ist von 867. Schritt. Die Academia ist erstlich gestifftet und aufgerichtet für 211. Jahren /nemlich Anno 1419. auf Martini Tag / von Johanne und Alberto Fürsten zu Mecklenburg / und vom Pabst Martino Quinto bekräfftiget.

Die Häuser zu Rostock seynd zweyerley. Etliche geniessen der Academien Freyheit / das ist / seynd frey von[350] aller Unpflicht und Zulage / nemlichen die folgende sechse: 1. Das grosse Collegium Philosophicum mit seinen pertinentien / daran das schwartze Bret geschlagen: 2. Der Juristen Collegium aufm alten Marckte: 3. Der halbe Mond: 4. Die Arensborch. 5. Der rothe Löw: 6. Das Einhorn. Die andern alle / es wohnen Professores darinnen oder nicht / liegen zu Bürgerrecht / und sind aller Unpflicht unterworffen. Unter denenselben Bürgerlichen Häusern seynd nicht mehr als 250. Brau Hauser.

Die Einwohner der Stadt Rostock / das ist / unsere Vorfahren sind Papisten gewesen / biß auf das Jahr Christi 1526. in welchem erstmahls allhier Lutherisch geprediget hat / (acht Jahr hernach / als D. Luther erstlich aufgetreten) M. Joachimus Schlüter / aufm S. Peters Kirch-Hofe unter einer Linden. Darauf dann bald die gantze Stadt reformiret und Lutherisch worden.

Es hat aber Rostock einen grossen Krieg geführet Anno 1573. mit Hertzog Johann Albrecht / Fürsten zu Mecklenburg; Welcher Streit dessen Jahrs noch endlich beygeleget am Tage Matthäi. Daher Mathäus-Tag noch jährlich bey uns allhier gefeyret wird.

Es seynd zweyerley Regiment in Rostock. Ein anders hat die Stadt / ein anders die Academia. Im Rath-Stande seynd 24. Personen / unter welchen 4. Bürgermeister / 2. Kammerherren / 2. Weddeherren / 2. Richtherren. Aus denen übrigen werden erwehlet Weinherren / Apotheckerherren / Zoll- und Mühlherren. Die 2. Kammerherren sind bey Empfahung des Geldes / versehen alle gemeine Gebäu / und was sonsten ausserhalb[351] der Stadt zu bestellen. Die Wedde-Herren haben Aufsicht auf das Tieffe zu Warnemünde / auf die Nacht-Wache / auf alle Aemter in der Stadt. Die 2. Richter urtheilen alle Schuld- Halß- und Gerichts-Sachen. Diese Raths-Aemter blieben nicht allezeit / sondern werden mehrentheils von Jahren zu Jahren verändert. Wann aus dem Rath 3. oder 4. Personen gestorben / so erwehlet man auf Matthäi-Tag wiederum neue an der verstorbenen Stelle. Auch werden der Stadt-Satzungen alle Jahre vom Rath-Hause abgelesen / eins auf Matthäi / und eines auf Simonis Juda Tag.

Die Academia bereffend / seynd auch darinnen 24. Glieder / eben so wol als im Rathe / aus welchen man alle Jahr einen neuen Rectorem erwehlet.

Es hat aber die Academia zweyerley Patronos, nemlich den Fürsten von Mecklenburg / und den Rath der Stadt / daher auch zweyerley Professores seyn /als Fürstliche und Räthliche.

Derer Fürstlichen seynd in den drey obersten Facultäten / (nemlich in Theolog. Jurisprudent. und Medicina) noch eines so viel als Räthliche; Philos. aber seynd gleich viel von beyden Theilen / ausgenommen den Fürstl. Historicum, der übrig ist. Die Fürstlichen Professoren verwalten den Rectoratum, auch mehrentheils den Decanatum des Sommers / die Räthlichen den Winter über. Wann etwas nothwendiges zu berathschlagen / so fordert der Magnificus Rector das Concilium zusammen / darinnen sitzen 18. Personen /9. Fürstliche / und 9. Räthliche Professores, und kan kein Rector erwehlet werden / der nicht mit im Concilio sitzet. Decani werden auch die / so ausserhalb[352] dem Concilio. Ferner gleichwie die Stadt ihre Secretarios und Syndicos hat / also die Academia auch einen Secretarium und Syndicum, und einen Buchdrucker / auch zween Pedellen oder Depositoren.

Alle / die dem Rath unterworffen / nemlich die Bürger in der Stadt und ihr Gesinde / müssen ihr Bier und Korn veraccisen. Aber die membra Academiæ das ist / nicht allein die Professores, sondern alle graduirte Personen / Kirchen- und Schul-Diener seynd Accisen frey.

Es ist zu Rostock eine gesunde Lufft / dann nach dem Mittage ist die Stadt hoch / mit erhobenen Wällen und Mauren umgeben / daß also die schädliche Pestilentzialische Lufft und ungesunde Südwinde mehrentheils überhin wehen / und nicht tieff in die Stadt kommen. Nach Mitternacht aber / oder gegen Norden am Strande / ist die Stadt niedrig / daß also die gesunden Nord-Winde die Gassen durch und durch wehen.

Aus diesen Ursachen wird bey uns gar selten die Luft vergifftet.


FINIS

II. CENTURIÆ.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 349-353.
Lizenz:
Kategorien: