99. Etliche berühmte Lust-Gärten.

[347] Es werden so wol in H. Schrifft / als bey Profan-Scribenten gerühmet unterschiedene Gärten. Als da seynd in der Bibel: Erstlich das Paradieß / oder der Garten Eden / darinnen die ersten Menschen[347] / Adam und dessen Weib Heva erschaffen und für dem Fall gewohnet / doch endlich nach ihrer Mißhandlung wieder hinaus getrieben. Im Paradieß seynd dreyerley Art Bäume gestanden / 1. allerley fruchtbare Bäume / zur Lust und Speise gegeben. 2. Der Baum des Lebens / durch dessen Krafft und Früchte der Mensch seine Gesundheit und vollkommene Jugend hätte erhalten können. Diesen Baum des Lebens haben drey Menschen gesehen (ohne Eva) I. Adam / II. Ezechiel / am 47. Cap. III. Johannes der Evangelist / Offenbahr. 22. Cap. 3. Der Baum der Wissenschafft Gutes und Böses / davon wider GOttes Willen Adam und Eva gessen. In diesem Garten ist der grösseste Schade geschehen / so jemals auf der Welt begangen.

2. Hernach wird auch gedacht in der H. Schrifft des Gartens in Gethsemane / in welchem Christus sein Leiden angefangen.

3. Josephs Garten / Matt 27. In diesen zween letzten Gärten ist das gröste Glück geschehen auf der Welt / dann darinnen das Werck unserer Erlösung sich angefangen und vollendet.

Belangend die Gärten von den Poeten und andern Heydnischen Authoren beschrieben / seynd unter denselben diese nicht die geringsten.

1. Der Hesperidum Garten in Africa / ist ehemals gelegen bey der Stadt Lyron. Es seynd aber drey Hesperides Schwestern gewesen mit Nahmen Ægla, Arerusa, Hesperitusa, welche in diesem ihrem Garten Bäume gehabt / so gantz güldene Aepffel getragen: Und dankt niemand dieselbe wegnehme / haben sie einen stetswachenden Drachen zum Wächter und Hüter[348] des Gartens gesetzet / doch dessen ungeachtet /ist Hercules an die Aepffel gerathen / und hat derer einen guten Hauffen abgepflücket / und mit sich weggetragen. Von diesen güldenen Aepffeln ist das Sprichwort kommen: Hesperidum mala largiri, wird verstanden von einer köstlichen Gabe.

2. Der Königin Semiramidis in der Lufft erhobene Gärten seynd gestanden auf Marmel-Seulen / und unter die grössesten Wunderwerck der Welt gerechnet worden.

3. Alcinoi, Königs der Phæacum, Gärten seynd beym Homero sehr berühmet wegen ihrer Grösse /Fruchtbarkeit / Menge der Bäume / mancherley Art der Früchte / und bequemer Gelegenheit des Orts.

4. Des Königs Cyri Gärten haben grosses Lob beym Xenophonte.

5. Des Tantali Garten wird auch bey den Poeten gedacht / wie dann auch des Adonidis Garten / die nur allein zur Lust gemacht / dahero das Sprichwort: Adonidis horti, ist gesagt von den lustigen / aber doch leichtfertigen und unnöthigen Dingen.

6. Bey den Römern seynd auch herrliche schöne Gärten gewesen / als Pompejani, Salustiani, Lucilliani, und andere mehr.


Alle diese Herrlichkeit / wo ist sie heut? Nicht einmal kan man die Stätte zeigen / da sie gestanden. Also ist alles vergänglich / und nichts währet ewig.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 347-349.
Lizenz:
Kategorien: