98. Straffe der Vater-Mörder bey den alten Römern.

[346] Wann jemand bey den alten Römern seine eigene Eltern umgebracht / der ward nicht auf gemeine Art gestraffet / sondern schrecklicher Weise[346] vom Leben zum Tode gebracht. Nemlich man nehete ihn lebendig in einen Sack / und gab ihm zur Gesellschaft gleich mit hinein einen Hauß-Hahn/ einen Affen / einen Hund /und eine Schlange / und warff ihn also ins Wasser. Der Hahn wird ihm beygeleget / weil der Hahn seinen eigenen Vater nicht bey sich leiden kan / sondern ihn stets beisset / ja offt wol gar tödtet. Also auch der Vater-Mörder. Der Affe / weil dieser zwar den Menschen scheinet äusserlich gleich und ähnlich zu seyn /inwendig aber ein grausames böses Thier ist. Also auch der Vater Mörder. Der Hund / weil dieser seines eigenen Geschlechts und Gattung nicht schonet / sondern beisset andere Hunde von sich / also auch der Vater-Mörder. Die Schlange / weil sie ein abgesagter Feind des Menschen ist / und selbigen tödtet / wann und wo sie kan / also auch der Vater-Mörder. Diese Thiere aber wurden zusammen hinein gesteckt in den Sack / damit wann sie bedränget wurden / und den Tod für Augen sahen / sie dem Vater-Mörder desto hefftiger zusetzen / und ihn angsteten. Der Sack ward darzu genommen / weil der Thäter nicht würdig / daß ihm die Sonne anscheinen solte. Endlich ward er ins Wasser geworffen / in Betrachtung / daß ein solcher Bube die Erde nicht betreten / und in ihrem Schooß /als unser aller Mutter / seine Ruhe und Schlaf-Stätte haben solte.


Grosse Sünde erfordert grosse Straffe.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 346-347.
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