20. Das Horn des Uberflusses.

[200] Wie der Gott Jupiter erstlich von der Rhea auf die Welt gebohren / ist er nicht von ihr gesäuget und erzogen / sondern in die Insul Creta bracht / und allda in eine Wildniß niedergeleget worden. Es sind aber alsbald zwo Waldgöttinnen kommen / die das Kindlein gefunden / und sich seiner angenommen / welches auch / damit es beym Leben erhalten würde / einer Ziegen / Amalthea genannt / beygeleget: Diese hat es mit ihrer Milch und Zitzen aufgesäuget. Als der Jupiter nun erwachsen / und zu seinen Jahren kommen /hat er zur Danckbarkeit die Ziege Amaltheam in den Himmel gezogen / und sie zu einem Gestirne gemacht. Er hat aber auch eines von der Ziegen Hörner genommen / und ihm diese Krafft und Tugend gegeben / daß alles was man wünschete / in diß Horn käme / und alsobald heraus genommen werden könte. Solches Horn hat er den Nymphis zum Gedächtniß verehret. Dahero entsprungen das Sprichwort: Cornu Copiæ, oder auf Griechisch / ἀμαλϑείας κέρας: Nemlich / wann wir wollen zu verstehen geben / daß ein Uberfluß von allen Dingen / die man begehret /[200] vorhanden / so sagen wir / allda ist ein Horn des Uberflusses. Mit solchem Horn pflegen die Mahler die Göttin Cererem abzubilden / habend in der Hand ein Horn / darinnen allerley Früchte der Erden.


Man soll sich gegen dieselben / von welchen man Wohlthaten empfange / danckbar erweisen. GOtt hat uns gegeben ein Horn des Heyls / Christum JEsum / von dessen Fülle wir empfangen Gnade um Gnade.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 200-201.
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