38. Zween Brüder / [235] Romulus und Remus.

Romulus und Remus, waren zween Brüder / deren Vater war Mars, ein Gott des Kriegs. Ihre Mutter war genannt Rhea Sylvia und Ilia, eine Kloster-Jungfrau; Weil sie noch klein und erstlich auf die Welt kommen waren / seynd sie von ihrer Mutter weggeworffen worden an die Tyber (ist ein Fluß / der durch die Stadt Rom läufft) und allda mit den Brüsten und[235] Milch einer Wölffin ernehret worden. Dieses deuten etliche also aus / ein Soldat habe eine Kloster-Jungfrau beschlaffen / darvon Romulus und Remus geboren / und also heimlich von dieser Hure ihrer Mutter / auferzogen seyn. Dann bey den Lateinern ist Lupa eben so viel als eine Hure. Wie nun diese beyde Brüder erwachsen / haben sie beschlossen eine Stadt zu bauen /welches sie auch ins Werck gerichtet / und dieselbe genennet Romam, von Romulo. Wie aber erstlich die Mauren um diese neue Stadt waren aufgerichtet / da hat Romulus ein Gesetz lassen ausruffen / daß niemand über die Stadt-Mauren springen dürffte / wer aber solches thäte / solte alsbald getödtet werden. Dieses Gebot des Romuli verachtete sein Bruder Remus, und gedachte / es gienge ihn nicht an / sprang derhalben über die Mauren / wie er ausserhalb der Stadt etwas zu thun hatte: Da ließ ihn alsbald der Romulus beym Halse nehmen und todt schlagen. Also ist die Stadt Rom mit Blute / und einem Bruder-Mord erstlich eigeweihet worden. Und hat man den Tag der ersten Fundation der Stadt genennet Palilia. Ferner wie nun die Stadt Rom gebauet / da waren nicht Menschen genug bey der Hand / dieselbe zu bewohnen: Daher Romulus in alle Länder ausschreiben ließ / daß wer nach Rom kommen / und allda wohnen wolte /der solte frey Geleit und Sicherheit haben / wann er auch schon noch so viel Ubel- und Mord-Thaten begangen hätte. Also lieffen alle Schelmen und Diebe /und was sonst wegen begangener Ubelthat nirgend bleiben konte / nach Rom. Siehe / also hat Rom ihren Anfang gehabt / und seynd die Einwohner gewesen ein Hauffen boßhaffter Missethäter / Mörder / Räuber /[236] Ehebrecher und dergleichen. Nun war zwar eine grosse Anzahl solcher Gesellen und Bürger zu Rom; Aber es mangelte ihnen an Weibs-Personen. Solchem Mangel auch fürzukommen / hat Romulus einen gewissen Tag angeordnet / an welchem die gantze Bürgerschafft Schauspiele und lustige Comœdien anrichten solte: Zu welchen Spielen er auch eingeladen alle Sabinos (die der Römer nechste Nachbarn waren /) mit ihren Weibern und Töchtern. Er hat aber seinem Volck diese List an die Hand gegeben / daß / wann die Schauspiele recht wären angangen / so solten sie einen Auftauff machen / und ein jeglicher von ihnen eine Weibs-Person erhaschen / damit nach Hause lauffen / und dieselbe für seine Ehe-Frau behalten: Welches dann auch wohl ins Werck gerichtet / und artig von statten gangen. Also ist zum dritten Rom vermehret durch Weiber-Raub / Ehebruch / und dergleichen Sünden.


Was GOtt will erhalten / dem kan niemand schaden. Ohne Gesetze kan keine Stadt bestehen. Gesetze muß man nicht überschreiten. Mit Rauben / Stehlen und andern Sünden muß man keine Stadt erweitern.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 235-237.
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