37. Der Vogel [234] Phœnix.

Phœnix soll ein einger Vogel seyn seines Geschlechts / in der gantzen Welt / fürnemlich aber in Arabia sich aufhalten: So groß als ein Adler / wie ein Papagoy gestalt / mit einem goldfarbenen gläntzenden Kopff /und einer Feuer-Krone / mit grünem / rothem und gelblichtem Leibe / blauen Bauch / und einem von vielerley Farben vermengten Schwantz. Dieser Vogel lebet sehr lange / und zwar wie Solinus meldet /zwölff tausend und etliche hundert Jahr. Wann aber seine Zeit vorbey ist / so bauet er ein Nest auf von Kannäl / oder Zimmetrinde / Weyrauch / und allerley köstlichem Gewürtz. Zündet sich darnach bey der Sonnen an / leget sich auf das Nest / und verbrennet sich selber. Aus der Aschen wird erstlich eine Made /aus der Made ein Vogel und neuer Phœnix, der wiederum so lange[234] gelebet. Mit diesem Phœnix pfleget man gar herrlich zu schmücken des HErrn Christi und unsere Auferstehung / und ist die allerzierlichste Oster-Lügen. Warlich / wo ein Mensch nicht gantz und gar aberwitzig ist / kan er ja Rechnung machen /was für ein Vogel sey / der so viel tausend Jahr / ehe die Welt geschaffen / sich bereits verbrannt hat. Dann die Welt nicht viel länger / als fünff tausend / fünff hundert und etliche achtzig Jahr gestanden: Nun lebet der Phœnix, wie sie sagen / über zwölff tausend Jahr /ehe er sich verbrenne. Ich lasse mich bedüncken / es sey niemals ein rechter Vogel gewesen / sey auch noch nicht des Namens / Gestalt und Werck / sondern es seyn literæ hieroglyphicæ, das ist / eine heimliche verborgene Bedeutung unter dieser Fabel. Nemlich /dieser Vogel Phœnix ist ein Bildniß der gantzen Welt; Der güldene Kopff bedeutet den Himmel mit seinen Sternen. Der bunte Leib den Erdboden. Die blaue Brust und Schwantz / das Wasser und Lufft. Dieser Phœnix aber / oder die Welt bestehe so lange / biß der Himmel und die Sternen wieder zu stehen kommen an den Ort / da sie zur Zeit der Erschaffung der Welt gestanden. Wann das geschicht / so sey der Phœnix todt / und habe die alte Welt ihren Lauff vollbracht / und gehe alles wiederum von neuen an.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 234-235.
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