67. [291] Ulyssis Gespräch mit dem Hauß-Hahn.

Nach diesem Gespräche / als Ulysses ins Hauß getreten / ist ihm begegnet ein grosser schöner Hauß-Hahn / den er also angeredet:

U. Wie stehet es um dich? Bistu auch einer meiner Gefehrten? Und wiltu wieder ein Mensch werden?

H. Der Hahn antwortet / Nein. Sprach ferner / er sey für diesem Ulyssis Schiffwächter gewesen / jetzund wolle er bleiben ein Hahn / Ulysses möchte fahren wohin er wolte: Hierauf fuhr der Ulysses fort.

U. Ich höre / sprach er / dieser ist auch so gesinnet /wie die andern Bestien / mit denen ich geredet. Sage deßwegen / was mangelte dir / da du mein Schiffmann warest?

H. Da muste ich Wache halten im Schiffe /wann ihr alle schlieffet / die gantze Nacht durch /wann Donner / Blitz / Regen / Hagel / Wind und alles Ungewitter auf mich zuschluge. Ließ ich die Hände loßgehen / so purtzelt ich hinunter in das ungestumme Meer / und hatte keinen andern Lohn für meinen Fleiß und Mühe / als einen nassen Leib / ja den gewissen Tod / den ich stündlich für Augen sahe: An Durst /Hunger und Kummer / an Unwillen und Schlägen mangelte es mir auch nicht. Nun lebe ich in Wollüsten / sitze im trocknen unterm Dach bey meinen Frauen / meine Speise wird mir immer zugeworffen /ja ich esse auch offt aus der Hand und Schooß der Jungfrauen / und werde[291] noch wohl der kluge Hahn geheissen / dann ich weiß / wann Sonnenschein / oder Regen und Wind kommen soll / und verstehe mich auf die Veränderung der Lufft und des Gewitters / und zeige es dem Haußgesinde durch mein Geschrey an.

U. Für diesen Dienst wird dir nichts anders zu Lohn / als daß man dich aus dem Wege räumet / dir den Halß absticht / ins warme Wasser tauchet / die Federn ausrauffet / zum Feuer verdammet und brütet /und letztich gar auffrisset.

H. Derhalben / lieber Ulysses, führe ich kein ärger Leben / als da ich bey dir war. Geschichts nicht offtmal / daß unter euch viel durch Schiffbruch ins Wasser gestürtzet und wohl genetzet werden / ja auch wol gar im Meer ersauffen? Gedenckest du nicht an deine eigene Worte / da du sprachest: Wann wir im Meer entruncken / ans Land ausgeworffen würden / so woltestu unsern Leib ehrlich verbrennen und zu Asche machen / wie du dem Ajaci gethan / der dannoch kein Hahn war. Ich möchte gerne wissen / ob es besser wäre / im kalten oder im warmen Wasser sterben? Obs besser wäre aufn Rost geleget / oder von Würmen gefressen? Nach diesen Worten hat der Hahn laut angefangen zu krähen / und den Ulyssem verlassen.


Das Schiff-Leben ist ein mühsam und schlafloses Leben. Es ist zwar nicht groß daran gelegen / wie man nach dem Tode begraben wird / doch stehet ein gutes Bergräbniß ehrlich.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 291-292.
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